Eine dunkel gekleidete Gestalt trägt eine mittelalterliche Pestmaske und Zylinder.
Maskenpflicht im Mittelalter? Vielleicht war früher doch nicht alles anders. © morgan23 / iStock / Getty Images Plus

Historie | Pandemien

MAGISTER SANITATIS: ALS DER SEUCHENARZT KAM

Seuchen sind nun wirklich nichts Neues – im Lauf der Jahrhunderte hat die Menschheit ihre Strategien entwickelt damit umzugehen. Und diese ähneln den heutigen zum Teil in erstaunlicher Weise.

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„Pest“ oder „Pestilenz“ sagte man kurzerhand, wenn eine unbekannte Krankheit in der Bevölkerung umging und zahlreiche Opfer forderte. Im Schnitt alle 15 bis 20 Jahre legten Bakterien oder Viren die Gesellschaft lahm. Historiker haben nun am Beispiel der Universität Wien untersucht, welche Rolle dabei die Gelehrten spielten, welche Empfehlungen sie gaben, welche Erklärungen sie lieferten.

Denn der Ausbruch dieser Seuchen war für die Menschen rätselhaft, da man noch nichts über die Ansteckungswege wusste. Es gab verschiedene Erklärungsmodelle, die sich wie ein roter Faden durch die Zeitenläufe ziehen. Manche Teile der Gesellschaft sahen in den Seuchen eine Strafe Gottes und versuchten, durch Buße, Prozessionen oder Selbstgeißelungen Vergebung zu erlangen. Andere machten Minderheiten und Randgruppen verantwortlich, weshalb es im Gefolge von Epidemien häufig zu Judenpogromen kam. Auch ungünstige astronomische Konstellationen oder krankmachende Fäulnisdünste kamen als Seuchenursache infrage.

Was auch immer die Ursache war, die Maßnahmen ähnelten einander. Schon im Mittelalter wusste man Krankheiten zu verhindern, indem man Kranke isolierte und soziale Kontakte in der Bevölkerung verhinderte. Einrichtungen, an denen besonders viele Menschen zusammenkamen, wurden gesperrt – wie Gasthäuser, Badehäuser, Schulen und Universitäten. An der Uni Wien beispielsweise verfügte der Rektor im Schnitt eine Schließung für zwei bis drei Monate, oft mit dem Vorbehalt, die Schließung im Bedarfsfall zu verlängern. Immatrikulationen von Neustudenten blieben somit aus, wie die Eintragsbücher beispielsweise im Pestjahr 1521 vermerkten.

Es gibt noch eine weitere Parallele zur aktuellen Pandemie: Auch bei vergangenen Seuchen wurden nicht nur kulturelle Veranstaltungen abgesagt, auch wissenschaftliche Tagungen fielen der Pestilenz zum Opfer. So musste beispielsweise die geplante Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte wegen einer Epidemie 1831 um ein Jahr verschoben werden. Interessant auch die Maßnahmen, zu denen die Mediziner der Universität Wien 1539 rieten: Da man als Ursache weder Ansteckung noch schlechte Dünste oder astronomische Einflüsse sicher identifizieren konnte, kamen sie zu dem Schluss, dass keine geeigneten Heilmittel empfohlen werden konnten. Um die Ansteckung zu minimieren, rieten sie aber dazu, Häuser und Straßen zu säubern sowie die Luft durch Räucherwerk und Feuer zu reinigen.

Aufgrund der ständig wiederkehrenden Seuchen wurde in Österreich 1541 ein eigener Seuchenarzt, der Magister sanitatis, installiert. Trotz einer guten Bezahlung war das Amt nicht sonderlich beliebt, denn gleich der erste Amtsinhaber starb an der Pest, ebenso wie zahlreiche Nachfolger. Unter anderem deshalb bestimmten die Professoren meist das jüngste Fakultätsmitglied zum Seuchenarzt – manchmal sogar einen Medizinstudenten.

Die letzte Schließung erlebte die Uni Wien übrigens während der Spanischen Grippe 1918. Nachdem diese Pandemie im Oktober ausbrach, verfügte der Akademische Senat das vorgezogene Ende des Vorlesungsbetriebes – allerdings erst im Dezember und auch nicht wegen der Grippe, sondern wegen des damals herrschenden Kohlemangels.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: wissenschaft.de

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