© tverdohlib / stock.adobe.com

Repetitorium

MÄNNERKRANKHEITEN – TEIL 1

Einige Erkrankungen betreffen wirklich nur das männliche Geschlecht – allein schon aus organischen Gründen. Manche dieser Männerkrankheiten treten dabei bereits in jungen Jahren oder von Geburt an auf.

Seite 1/1 9 Minuten

Seite 1/1 9 Minuten

Nein, dieses Repetitorium beschäftigt sich natürlich nicht mit Klischees wie zum Beispiel der erfundenen und scherzhaft gemeinten Schmutzblindheit oder Einkaufsdemenz. Auch nicht mit der vieldiskutierten Frage, ob Männer nun stärker unter einer Erkältung leiden oder nicht. Vielmehr soll es um Krankheiten gehen, die lediglich Männer treffen können. Dazu zählen vor allem Erkrankungen des Urogenitaltrakts und des Hormonhaushalts. Auch wenn es in diesem Repetitorium aus Platzgründen nicht berücksichtigt werden kann, so sei der Vollständigkeit halber gesagt: Natürlich gibt es auch Krankheiten, die zwar grundsätzlich jedes Geschlecht betreffen können, statistisch gesehen aber häufiger beim Mann auftreten. Dazu zählen zum Beispiel Herzinfarkt, Bluthochdruck oder Haarausfall. Aber nun zum Mann an sich – beziehungsweise zum männlichen Säugling. Denn wir beginnen ganz am Anfang.

Ein Blick auf die Anatomie Die primären männlichen Geschlechtsorgane, die Genitalien, dienen der Zeugung von Nachwuchs. Man kann sie aufteilen in innere und äußere Geschlechtsorgane. Zu den äußeren, also sichtbaren Teilen zählen der Penis und der Hodensack (Skrotum), eine Hauttasche zwischen den Beinen, dem Penis und der Darmregion. Die Hoden (Singular: Testis, Plural: Testes), Nebenhoden (Epididymis), die Samenleiter, die Vorsteherdrüse (Prostata), die Bläschendrüsen und die Cowper-Drüsen sind hingegen nicht auf den ersten Blick zu sehen, sondern befinden sich im Unterleib des Mannes. Mit Ausnahme der Hoden, diese sind zwar nicht direkt sichtbar, allerdings aus dem Unterleib ausgelagert. Es handelt sich um etwa pflaumengroße, paarig angeordnete Keimdrüsen, die sich beweglich im Hodensack befinden. Am oberen Ende eines jeden Hodens liegt der Kopf des Nebenhodens, an der Rückseite der Nebenhodenkörper.

Im Inneren sind die Testikel in viele Läppchen (Lobuli testis) unterteilt, die mit einem feinen Röhrensystem durchzogen sind, den Samenkanälen. Das Kanalsystem ist in lockeres Bindegewebe eingebettet, in dem sich die sogenannten Zwischenzellen befinden, auch Leydig-Zellen genannt. Dort findet die Produktion von Testosteron statt. Im Epithel der Kanälchen läuft die Produktion der Samenfäden (Spermien)-Vorstufen ab, welche dann sogleich über das Kanalsystem in die Nebenhoden transportiert und gespeichert werden – pro Sekunde machen sich etwa 1000 Stück auf den Weg. Die wichtige Funktion der Spermienproduktion ist auch der Grund, warum sich die Hoden außerhalb der Körperhöhle befinden. Denn die Spermien sind sehr temperaturempfindlich und im Hodensack herrschen idealerweise nur 34 bis 35 Grad Celsius. Im Körperinneren wäre es zu warm. Im Kopf der Keimzelle ist der einfache Chromosomensatz des Mannes gespeichert. Zusammen mit der Eizelle der Frau entsteht so ein neuer doppelter Chromosomensatz – ein neues Leben. Bei einer Ejakulation gelangen die gespeicherten Spermien mit hoher Geschwindigkeit (etwa 17 Kilometer pro Stunde) vom Nebenhoden über den Samenleiter in die Harnröhre.

Dabei enthält ein Ejakulat in der Regel mehr als 20 Millionen Spermien pro Milliliter bei durchschnittlich zwei bis sechs Milliliter Sperma. Dieser Transport zu der befruchtungsfähigen Eizelle der Frau stellt die Hauptaufgabe des Penis dar. Das Organ lässt sich prinzipiell in Peniswurzel, -schaft und Eichel unterscheiden. Letztere ist bei nicht beschnittenen Männern und im nicht erregten Zustand von der sogenannten Vorhaut verdeckt, die sich bei sexueller Erregung zurückzieht und die Eichel freigibt, welche bei der Ejakulation der Weiterbeförderung des Spermas dient. An ihrer Spitze mündet die Harnröhre nach außen, umgeben vom Harnröhrenschwellkörper. Zwei weitere Schwellkörper liegen paarig angeordnet im Penisschaft und schwellen bei sexueller Erregung durch gesteigerten arteriellen Blutfluss an. Die Venen werden durch die Erektion verengt, sodass das Blut erstmal nicht zurückfließen kann. Anschließend fließt das Blut aber wieder ab, die Arterien verengen sich und die Vorhaut bedeckt erneut die Eichel. Neben den Keimdrüsen gibt es noch weitere Drüsen, die eine wichtige Rolle bei der Befruchtung spielen, die sogenannten akzessorischen Geschlechtsdrüsen. Dazu zählen die Prostata, die Bläschendrüse und die Cowper-Drüsen. Sie produzieren Bestandteile des Ejakulats, welche als Transportmedium für die Spermien dienen. Es handelt sich hauptsächlich um Proteine, beispielsweise Prostaglandine, Gerinnungsproteine oder Enzyme sowie Nährstoffe wie Fructose – die Hauptnahrung für die Samenzellen. Zum einen wird so das Überleben der Spermien bis zum Erreichen der Eizelle gesichert. Zum anderen werden durch bestimmte Bestandteile die besten äußerlichen Umstände für „eine sichere Reise“ gewährleistet. Dazu zählt zum Beispiel die Schaffung eines leicht alkalischen pH-Milieus für die Samenzellen, die sich in der sauren Vaginalflüssigkeit nicht wohl fühlen würden. Auf die besondere Rolle der Prostata und deren Erkrankungen wird im nächsten Teil dieses Repetitoriums näher eingegangen

Von klein an Probleme Etwa drei Prozent aller Jungen haben bei der Geburt einen einseitigen oder beidseitigen Hodenhochstand (Hodenretention, Maldescensus testis). Bei Frühchen sind es sogar bis zu 30 Prozent. Das bedeutet einer oder beide Hoden liegen bei Geburt nicht korrekt im Hodensack. Dabei können die Keimdrüsen zu weit oben im Hodensack, im Leistenbereich oder sogar in der Bauchhöhle liegen. Im Mutterleib entwickeln sich die Hoden in der Bauchhöhle des männlichen Fötus und beginnen durch den Einfluss des Hormons HCG (humanes Choriongonadotropin) um den siebten Schwangerschaftsmonat herum entlang des Leistenkanals in den Hodensack herabzuwandern. Dies sollte zur Geburt abgeschlossen sein und die Hoden im Skrotum zu ertasten sein. Bei einem Hochstand ist auf dem Weg also etwas schief gegangen und ein oder beide Hoden befinden sich noch irgendwo auf dem Abstieg. Die Ursachen können vielfältig sein: genetische Disposition, äußere Einflüsse während der Schwangerschaft, wie Alkohol oder Nikotin. Meistens liegen hormonelle Störungen während der fetalen Entwicklung vor. Innerhalb der ersten sechs Lebensmonate ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Hoden von selbst an Ort und Stelle wandert, danach wird eine Therapie eingeleitet. Denn ein unbehandelter Hodenhochstand kann zu Unfruchtbarkeit, Leistenbruch und Hodenverdrehung (Hodentorsion) führen, zudem weisen Betroffene ein fünf- bis zehnfach erhöhtes Risiko für Hodenkrebs auf.

Zum Einsatz kommen meist zunächst Hormone, beispielsweise GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon) als Nasenspray über vier Wochen appliziert oder zweimal wöchentliche HCG-Spritzen für drei Wochen. Beide Hormongaben bewirken die Ausschüttung von Gonadotropin, das die Hoden zum Herabwandern bringen soll. Ändert eine Hormongabe nichts, wird die fehlerhafte Lage operativ korrigiert. Vor dem ersten Geburtstag sollte der Hodenhochstand korrigiert worden sein. Eine Sonderform stellt der sogenannte Gleithoden dar. Dabei ist der Samenstrang, an dem der Hoden aufgehängt ist, zu kurz, wodurch der sich hoch im Hodensack befindliche Hoden immer wieder in den Leistenkanal zurück- gezogen wird. Hiervon abzugrenzen ist der Pendelhoden: Der Hoden befindet sich in korrekter Lage im Hodensack, wird aber durch einen Muskelreflex in den Leistenbereich gezogen. Bei letzterem handelt es sich allerdings nicht um eine Erkrankung und muss nicht korrigiert werden.

Achtung Verwechslungsgefahr Eine weitere häufige Fehlbildung - und das oft von Geburt an- ist die Phimose oder Vorhautverengung. Die Vorhaut oder das Präputium dient dem Schutz der Eichel vor Austrocknung, Schmutz oder Verletzungen. Sie besteht aus zwei sogenannten Blättern. Das innere Blatt ist eine glatte Schleimhaut, die über viele Talgdrüsen verfügt. Sie beginnt direkt hinter der Eichel als eine Art Falte oder Kapuze, die die Eichel vollständig umschließt und stellt eine Fortsetzung der Penishaut dar. Am Ende der Vorhaut geht der Übergang fließend in das äußere, sichtbare Blatt über. Abgesehen von sexueller Erregung wird die Vorhaut auch aus hygienischen Gründen zurückgezogen. Gelingt dies nicht ohne Schmerzen, liegt eine Phimose vor. Dies kann angeboren oder durch Entzündungen, Verletzungen beziehungsweise erzwungenes Zurückziehen herbeigeführt worden sein. Dabei entstehende Narben verengen dann die Vorhaut.

Wobei es bei Jungen im Alter von drei bis fünf Jahren als normal gilt, dass die Vorhaut nicht zurückgezogen werden kann und dies daher vorerst keinen Grund zu Sorge darstellen sollte. Hier kann eine Vorhautverklebung (Konglutination) vorliegen, die häufig mit einer Vorhautverengung verwechselt wird. Während der „Windelphase“ ist die Vorhaut nämlich noch mit der Eichel verklebt, und schützt diese vor dem aggressiven Urin. Bei vielen Jungen löst sie sich erst vollständig unter dem Hormoneinfluss der Pubertät, was nicht weiter problematisch ist. Berichten Ihnen Eltern in der Apotheke allerdings, dass ihr Sohn Schmerzen oder Schwierigkeiten beim Wasserlassen hat oder sich gar die Vorhaut beim Urinieren aufbläht und nur ein dünner Harnstrahl erkennbar ist, sollten Sie zu einem Arztbesuch raten. Denn eine Phimose begünstigt Vorhautentzündungen, wiederkehrende Harnwegsinfekte und im schlimmsten Fall Harnverhalt und damit ernsthafte Nierenprobleme. Ein Sonderfall stellt die Paraphimose dar.

Dabei lässt sich die Vorhaut zwar zurückschieben, ist aber zu eng, um sie wieder nach vorne zu schieben. Der dabei entstehende sogenannte spanische Kragen muss sofort ärztlich behandelt werden, um die Blutversorgung der Eichel zu gewährleisten. Bei einer unkomplizierten Phimose oder anhaltenden Verklebung kann die Vorhaut durch Dehnübungen geweitet werden, zusätzlich soll eine cortisonhaltige Salbe Entzündungen abheilen lassen oder deren Entstehung vorbeugen. Ändert dies nichts am Sachverhalt oder liegt eine Komplikation vor, wird die Vorhaut teilweise oder vollständig operativ entfernt (Beschneidung, Zirkumzision). Davon abzugrenzen ist die in vielen Kulturkreisen durchgeführte Beschneidung aus religiösen, rituellen und kulturellen Gründen. Hier ist keine medizinische Indikation gegeben.

Hypospadie Mit dieser etwas sperrig klingenden Krankheit kommen etwa drei von Tausend Jungen auf die Welt: einer falsch ausgebildeten Harnröhre. Sie ist verkürzt und mündet daher nicht in der Penisspitze sondern weiter unten, je nach Ausprägung bis hin zum Damm. Ebenso können zusätzlich die Schwellkörper in ihrer Ausbildung verändert sein, häufig tritt zusätzlich eine Peniskrümmung auf. Nach der vierten Schwangerschaftswoche entwickeln sich die männlichen Genitalien unter dem Einfluss von Testosteron, eine Hypospadie ist daher auf eine Entwicklungshemmung zwischen der neunten und dreizehnten Schwangerschaftswoche zurückzuführen, eine familiäre Häufung gilt als gesichert. Neben Miktionsproblemen und Ausprägung von Begleiterscheinungen, bringt die Hypospadie auch psychische Probleme mit sich. Ab dem Trockenwerden gewinnt das Genital für den Jungen zunehmend an Bedeutung. Dass der Harnstrahl nicht nach vorne sondern nach unten gerichtet ist, empfinden viele Jungen als belastend, auch das Urinieren im Stehen kann je nach Ausprägung nicht möglich sein. Eine zusätzliche Peniskrümmung verhindert eine gerade Erektion. Eine Therapie wird daher von den meisten Kinderchirurgen empfohlen. Das Ziel stellt eine korrekte Positionierung mittels einer einzigen Operation dar, unter Umständen können aber auch mehrere Eingriffe nötig sein. Bevorzugt sollte der Eingriff während der Windelphase durchgeführt werden. Da aber nicht jede Hypospadie behandelt wird, können auch Erwachsene mit der Fehlbildung beim Arzt vorstellig werden. n

Keine Zeit mit Kühlung vertun! Das rät zumindest die Stiftung Kindergesundheit, wenn es um Hodenschmerzen bei Jungen geht. Dabei können die Schmerzen viele Ursachen haben. Es könnten eine Hoden- oder Nebenhodenentzündung vorliegen oder ein Leistenbruch. Der häufigste Grund bei Kindern ist eine Hodentorsion, also eine Verdrehung des Hodens und der Nebenhoden um die eigene Achse entlang des Samenstrangs. Dabei werden die Blutgefäße abgeklemmt und die Blutversorgung unterbrochen. Eine solche Torsion stellt einen Notfall dar. Denn die Unterversorgung des Hodens kann innerhalb weniger Stunden zu bleibenden Schäden am Hoden führen. Im schlimmsten Fall kann es zu Zeugungsunfähigkeit oder dem Verlust der Hoden führen. In diesem Fall wäre das Kind auf eine lebenslange Substitution mit Hormonen angewiesen. In einer Operation kann der behandelnde Arzt den Hoden wieder in seine ursprüngliche Lage zurückdrehen und so die Blutversorgung wieder gewährleisten. Doch warum dreht sich ein Hoden überhaupt? Anscheinend gibt es eine gewisse genetische Veranlagung, die zum Beispiel anatomische Besonderheiten begünstigen, durch welche die Hoden schlechter im Hodensack fixiert sind. Auch nach einem Hodenhochstand treten Hodentorsionen gehäuft auf.

Die Drehung geht mit starken Schmerzen, Übelkeit, Bauchschmerzen und Erbrechen einher. Auch bei geschwollenem Hodensack sollten Eltern einen Arzt aufsuchen. Meist steckt ein Wasserbruch dahinter, auch Hydrozele genannt. Dabei handelt es sich um eine erhöhte Flüssigkeitsansammlung, die sich meist im Stehen erhöht und beim Liegen wieder zurückbildet. Die Schwellung vollzieht sich langsam und ist nicht schmerzhaft. Sie kann angeboren oder erworben sein. Oft tritt eine Hydrozele bei Frühgeborenen auf. Der Grund liegt in der Entwicklung: Wie bereits erwähnt, bilden sich die Hoden zunächst in der Bauchhöhle und wandern später nach unten, wobei eine Aussackung des Bauchfells entsteht. In der Regel verschließt sich diese noch während der Schwangerschaft, andernfalls besteht eine Verbindung zwischen Bauchraum und Hoden, wodurch Flüssigkeit aus der Bauchhöhle in den Hodensack gelangen kann. In den meisten Fällen verschließt sich die Verbindung innerhalb der ersten zwei Lebensjahre und die Schwellung verschwindet. Falls nicht, kann sie chirurgisch verschlossen werden. Ebenfalls zu Hodenschwellungen führt ein Leistenbruch, der folglich vor der Diagnose eines Wasserbruchs ausgeschlossen werden muss. Dabei können sich Darmschlingen in den Hoden ausstülpen, was mitunter sehr schmerzhaft verlaufen und sowohl die Funktion des Darms als auch des Hodens gefährden kann. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/19 ab Seite 92.

Farina Haase, Apothekerin/Redaktion

×