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Ernährung als Medizin

LINDERN DER BESCHWERDEN

Das Erfolgsrezept für ein beschwerdefreies Leben mit Zöliakie ist die konsequente, praxistaugliche und abwechslungsreiche Umsetzung einer glutenfreien Ernährung. Wie können Ihre Kunden dies im Alltag umsetzen?

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Etwa 300 000 Deutsche vertragen das im Getreide enthaltene Gluten nicht – Dunkelziffer unbekannt. Bei ihnen kann schon ein winziger Brotkrümel den Darm zum Rebellieren bringen. Blähungen, Krämpfe, Durchfall und Übelkeit sind die typischen Folgen.

Die Proteinfraktion kommt in zahlreichen Getreidesorten vor wie beispielsweise Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste, Hafer und Kamut. Dementsprechend ist es auch in weiterverarbeiteten Produkten wie Brot, Knäcke, Toast, Müsli, Nudeln sowie in stärker verarbeiteten Produkten wie Kuchen und Kekse enthalten.

Die aufgrund seiner quervernetzten Struktur hervorragenden Gelier-, Binde- und Emulgiereigenschaften machen Gluten auch zu einer beliebten Zutat bei der Lebensmittelherstellung von Fertigprodukten wie: Pizza, Pommes Frites, Chips, Flips & Co., Suppen, Saucenbinder, Schokolade, Gewürzmischungen u.v.m. Selbst in Medikamenten, Zahnpasta, Mundpflegemittel sowie im Klebstoff von Briefmarken kann Gluten enthalten sein.

Was passiert im Darm? Bei einer Glutenunverträglichkeit bildet das Immunsystem Antikörper gegen das körperfremde Eiweiß Gluten , aber auch gegen eigenes Darmgewebe (Autoimmunerkrankung). Dadurch entzünden sich die für die Aufnahme der Nährstoffe verantwortlichen Darmzotten und sterben schneller ab als normal.

Durch den Dauerzustand flachen sie deutlich ab bis hin zum völligen Fehlen (= Zottenatrophie). Die Zwischenräume der Zotten (= Krypten) vertiefen sich, sodass der typische Aufbau der Darmschleimhaut zerstört ist. Durch die verkleinerte Resorptionsfläche kommt es zu einem Defizit an Verdauungsenzymen und Nährstoffen sowie weiteren Beschwerden aufgrund der gereizten Schleimhaut.

Facettenreiche Symptome Gastroenterologen beschreiben die Zöliakie als „Chamäleon unter den Magen-Darm-Erkrankungen“. Die Symptome und Schweregrade können mannigfaltig ausfallen und sind häufig nicht einem einzigen Krankheitsbild eindeutig zuzuordnen. Neben den typischen Darmbeschwerden klagen viele Betroffene über zum Beispiel Knochen- und Gelenkschmerzen, chronische Müdigkeit, psychische Auffälligkeiten wie Depressionen, Migräne bis hin zu Zyklusstörungen bei der Frau. Solche Symptome können kleine Mosaiksteinchen einer atypischen, stummen oder latenten Form der Zöliakie sein. Häufig berichten Zöliakiepatienten über eine jahrelange Arztodyssee.

Das A und O: Die sichere Diagnose Bei Verdacht auf Zöliakie wird der Arzt neben einer detaillierten Befragung des Patienten ein großes Blutbild machen (u. a. auf bestimmte Antikörper). Diese Ergebnisse müssen jedoch durch eine Magen-Darm-Spiegelung inklusive einer Gewebeprobe aus dem Zwölffingerdarm gesichert werden. Eine parallele Untersuchung auf andere Intoleranzen wie Laktose oder Fruktose (über den H2-Atemtest) stellen aufgrund der ähnlichen Symptomatik und der häufigen Komorbidität eine sinnvolle Abrundung dar. Zöliakie ist zudem genetisch mit bedingt, sodass Kinder von Betroffenen ein etwa zehnfach höheres Krankheitsrisiko haben.

Glutenfreie Ernährung Zöliakie ist bislang noch nicht heilbar. Verzichten Betroffene aber konsequent auf den Auslöser Gluten, erholt sich ihre Darmschleimhaut innerhalb einiger Wochen wieder und der Darm kommt zur Ruhe. Dies ist auch wichtig, um Komplikationen wie einen Nährstoffmangel, Osteoporose, chronische Hepatitis oder Wachstumsstörungen bei Kindern zu vermeiden.

»Sind glutenhaltige Getreidesorten über dem gesetzlichen Grenzwert von 20 ppm enthalten, müssen diese im Rahmen der Zutatenliste gekennzeichnet werden.«

Mit dem notwendigen Knowhow zu der Krankheit und praktischen Tipps lernen sie schnell, den Speiseplan schmackhaft und abwechslungsreich zu gestalten und nicht über industrielle „Fallen“ zu stolpern. Zöliakiepatienten stehen zahlreiche Getreidealternativen zur Verfügung: Hirse, Buchweizen, Amaranth, Sojabohnen, Quinoa sowie Kastanien-, Mais, Reis- und Johannisbrotkernmehl sind einige Beispiele.

Die Liste der glutenfreien Frisch- und Fertigprodukte wächst stetig, sodass Betroffene selbst auf ein Bier nicht mehr verzichten müssen. Glutenfreie Lebensmittel sind neben Reformhäusern, Naturkostläden, gut sortierten Supermärkten auch über den Direktversand zu erwerben. Viele Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Pflanzenöle, Fleisch, Fisch sowie Milch, Naturjogurt und Käse enthalten zudem von Natur aus kein Gluten.

Sonderfall Hafer Der Verzehr von Hafer wird bei Zöliakie kontrovers diskutiert. Er enthält ebenso Gluten, soll aber Studien zu Folge weniger schädlich sein für Patienten als beispielsweise das aus Weizen. Zudem ist Hafer prall gefüllt mit Mikronährstoffen, welche sie im Rahmen einer glutenfreien Ernährung dringend benötigen.

Verschiedene klinische Studien belegen, dass gesondert angebauter und verarbeiteter – also nicht mit anderen Getreidesorten kontaminierter – Hafer von den meisten Betroffenen in täglichen Mengen bis zu etwa 50 Gramm beschwerdefrei vertragen wird. Der Einsatz sollte aber nur unter ärztlicher Kontrolle erfolgen.

Kennzeichnung beachten Sind glutenhaltige Getreidesorten über dem gesetzlichen Grenzwert von 20 ppm enthalten, müssen diese im Rahmen der Zutatenliste gekennzeichnet werden. Erkennbar sind Produkte, die unterhalb dieser Grenze liegen, am typischen Siegel der durchgestrichenen Ähre oder der Aufschrift „glutenfrei“. Fehlen diese Angaben, hilft nur ein Blick auf die Zutatenliste.

Aber auch beispielsweise Produktionsmaschinen können ein eigentlich glutenfreies Produkt mit dem Allergen kontaminieren. Dieses Risiko erkennen Betroffene an der Deklarationen: „Kann Spuren von Gluten enthalten.“. Ab dem 13. Dezember 2014 erhalten Zöliakiepatienten dann auch Klarheit im Restaurant, beim Bäcker und Metzger, denn ab diesem Datum herrscht auch dort Kennzeichnungspflicht über das Vorhandensein von Gluten.

Küchenhygiene großschreiben Kochen oder backen andere Familienmitglieder glutenhaltig, können auch die glutenfreien Produkte kontaminiert werden. Hier sollte eine strenge Küchenhygiene eingehalten werden: Lebensmittel immer getrennt lagern und verarbeiten. Die Arbeitsflächen und -geräte sowie Küchenutensilien müssen anschließend sorgfältig gereinigt werden. Selbst die Spül- und Geschirrtücher sollten nicht gemeinsam genutzt werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/13 ab Seite 100.

Andrea Pütz, Dipl. Oectrophologin

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