Spielkarten © jazz42 / iStock / Getty Images
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Politik

LAND IN SICHT

Hält das Apothekenstärkungsgesetz wirklich das, was der Name verspricht? Selbst Bundesgesundheitsminister Jens Spahn scheint nicht daran zu glauben. Denn er arbeitet schon an etwas Neuem: dem Apothekenaufmunterungsgesetz.

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Die Zahl der öffentlichen Apotheken in Deutschland sinkt weiter, die Stimmung auch. Wen wundert es? Lieferengpässe, Retaxationen, jede Menge Bürokratie und dann auch noch Unterbesetzung wegen des Fachkräftemangels – so sieht die Realität in deutschen Apotheken aus. Kein Land in Sicht? Doch! Lesen Sie hier, welche geheimen Informationen aus dem neuesten Referentenentwurf des BMG der Redaktion durch gut informierte Greise zugespielt wurden.

Neu: der Apotheken-Joker Dieses Gesetz könnte wirklich für Erleichterung im Arbeitsalltag und für den Erhalt der verbliebenen Apotheken sorgen. Möglich wurde es durch die wiederholten Forderungen des radikalen Flügels der ABDA und die Einsicht der Politiker. Sein korrekter Name lautet Gesetz zur Hebung des Humors und des Honorars in deutschen Vor-Ort-Apotheken, kurz: ApoHHH. Vermutlich wird es sich aber durch den Arbeitstitel Apothekenaufmunterungsgesetz einen Namen machen. Kernstück des neuen Gesetzes soll der Apotheken-Joker sein. Jede Apotheke darf einmal im Monat den Joker setzen und eine Retaxation streichen, allerdings muss eine der vier preiswertesten Retaxationen ausgewählt werden.

Dazu erhält jede Apotheke pro Jahr zwölf handelsübliche Joker-Karten, wie man sie auch in Rommee-Kartenspielen findet. Bei der Verweigerung der Retaxation wird dann eine Karte an die jeweilige Krankenkasse geschickt, woraufhin diese unverzüglich und ohne weitere Nachfragen das einbehaltene Geld überweisen muss. Zum Schutz vor Missbrauch mit gezinkten Karten, wie sie in jedem Apothekenlabor aus den übrigen Spielkarten leicht herzustellen wären, ist die Dokumentation in einer Joker-Kartei vorgesehen, die in Papierform oder elektronisch zu führen und quartalsweise vom Apothekenleiter abzuzeichnen ist. Sollte in einem Monat mal keine Retaxation anfallen, kann der Joker auch in der Rezeptur eingesetzt werden.

Dann darf nämlich bei den eingehenden Rezeptursubstanzen eine besonders aufwändige Analyse entfallen und die Substanz ungeprüft verwendet werden. Die Joker-Karte ist an das Formular des Prüfprotokolls zu heften, auf diesem muss lediglich der Name der Substanz und der Vermerk auf Deutsch „Wird schon stimmen“ oder Lateinisch „Nescio veritatem“ angegeben werden. Diese Maßnahme soll Zeit sparen und dem Personalmangel entgegenwirken. Zeit sparen wird auch diese Regelung: Der Praxisbedarf muss verpflichtend von einem Mitarbeiter der Arztpraxis in der Apotheke abgeholt werden und braucht nicht mehr gebracht werden.

Werkzeug gegen Apothekenschließungen Mit Blick auf die Alterspyramide könnte auch diese Regelung ein scharfes Schwert zur Stabilisierung der Apothekenzahlen werden: Um die Motivation zum Weiterarbeiten zu steigern, sollen alle Apothekenleiter, die das 60. Lebensjahr überschritten haben, von der Revision durch die zuständige Aufsichtsbehörde ausgenommen werden. Aber auch junge Apotheker und PTA sollen vom neuen Gesetz profitieren. Der Solidaritätsbeitrag (Soli) wird beibehalten, soll aber zukünftig nicht mehr für die Finanzierung der deutschen Einheit verwendet werden, sondern an junge Apotheker bis zum 5. Berufsjahr und an PTA bis zum Eintritt ins Rentenalter ausgeschüttet werden.

PTA liegen dem Minister besonders am Herzen. Damit man sieht, wie ernst er es meint, erhalten PTA und Pharmazie-Ingenieure in öffentlichen Apotheken einmalig eine zusätzliche Woche Urlaub. Dieser sogenannte Wertschätzungsurlaub soll vom Staat bezahlt werden. Für die Lieferengpässe bahnt sich eine besonders gut durchdachte Lösung an. Hier ist zunächst eine Übergangsvorschrift vorgesehen: Bei fehlender Lieferfähigkeit eines Arzneimittels darf vorübergehend ohne Rücksprache mit dem Arzt ein beliebiges Arzneimittel mit identischem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform abgegeben werden.

Die Auswahl treffen Apotheker oder PTA. Auf dem Rezept ist dies mit dem Sonderkennzeichen 0815 zu vermerken. Übergangsvorschrift deshalb, weil die Krankenkassen die Rabattverträge künftig offenlegen müssen. Die Höhe der Rabatte wird gedeckelt und muss jedem Hersteller eine Produktion von Arzneistoff und abgabefertigem Arzneimittel in Europa finanziell ermöglichen. Lieferengpässe sollen damit bald der Vergangenheit angehören.

Wiederholungsrezept wird vererbbar Es hat sich noch nicht etabliert, schon kommen erste Änderungen: Die Möglichkeiten, die das Wiederholungsrezept bietet, sind nach Meinung der Politik mit der aktuellen Rechtslage noch lange nicht ausgeschöpft. Künftig soll die Gültigkeitsfrist auf „ewig plus drei Tage“ oder „bis zum Abwinken“ durch den Patienten verlängert werden. Das nennen wir kundenorientiert! Und es kommt noch besser: Sofern im Testament vermerkt, kann das Wiederholungsrezept nun auch weitervererbt werden. Eine große Erleichterung für die schier unendliche Dokumentation in der Apotheke wird durch die bald mögliche Nutzung der Cloud des Bundesgesundheitsministeriums erwartet.

Sämtliche dokumentationspflichtigen Daten zu Betäubungsmitteln, Tierarzneimitteln, T-Rezept, Gefahrstoffen, Rezeptur und Defektur sowie zur Prüfung von Ausgangssubstanzen und Fertigarzneimitteln können ungeordnet in die Cloud geladen werden. Mitarbeiter des BMG sortieren sie dann. Die Cloud finden sie unter www.jenskuemmertsich.de. Für weitere Aufgaben, die PTA und Apotheker lieber an das BMG abgeben würden, findet sich dort auch der Menüpunkt „Kümmerkasten“. Der Referentenentwurf muss zunächst noch vom Bundestag diskutiert und angenommen werden und anschließend den Bundesrat passieren. In Anbetracht der vielen sinnvollen und längst überfälligen Vorschläge scheint dies aber eine reine Formsache, sodass das Gesetz noch vor der Sommerpause in Kraft treten könnte.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/2020 ab Seite 32.

Sabine Breuer, Apothekerin/Chefredaktion

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