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Hormone – Teil 8

KREBSTHERAPIE

Das Wachstum mancher Tumoren wird durch die Anwesenheit bestimmter körpereigener Hormone begünstigt. Dann sind Strategien angezeigt, die Botenstoffe in Schach zu halten.

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Hormone steuern die vielfältigsten Körperfunktionen vom Stoffwechsel bis zur Fortpflanzung und sind an Wachstumsvorgängen beteiligt. Auch manche Krebszellen sind durch die Botenstoffe beeinflussbar: Sie werden zu einer höheren Teilungsrate angeregt, allerdings nur, wenn die Zellen über spezielle Hormonrezeptoren verfügen. Dies ist oft bei solchen Tumoren der Fall, die sich aus hormonempfindlichen Geweben entwickeln. Dann stimuliert das jeweilige Hormon – etwa Estrogen beim Mammakarzinom – das Wachstum des Tumors sowie unter Umständen auch von Metastasen.

Das Wachstum bremsen Zu den Therapiestrategien bei solchen Krebsentitäten gehört daher die Hormonoder endokrine Therapie, die tatsächlich eigentlich eine antihormonelle Therapie ist. Denn das Prinzip dieses Ansatzes ist es, das betreffende Hormon – und damit den durch es vermittelten Wachstumsreiz – auszuschalten.

Ein solcher gezielter „Hormonentzug“ kann auf verschiedene Weise realisiert werden: Entweder man unterbricht die Synthese des Stoffs oder aber man verhindert , dass er an die Krebszellen andocken und diese in der Folge zu beschleunigter Teilung anregen kann. Ein Eingriff in den Hormonhaushalt gelingt beispielsweise durch Ansatz an der Schaltstelle Hirnanhangdrüse (Hypophyse).

Hemmung der Produktion … Das Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH), das der Hypothalamus, ein Abschnitt des Zwischenhirns, in regelmäßigen Schüben (pulsatil) abgibt, stimuliert normalerweise die Hypophyse zur Ausschüttung bestimmter Hormone, der Gonadotropine, die wiederum die Synthese von Estrogen beziehungsweise Testosteron anstoßen. Werden strukturell ähnliche Stoffe, die GnRH-Analoga, in großen Mengen gegeben und stehen kontinuierlich zur Verfügung, wird der fein austarierte Regelkreis gestört, und die Dauerstimulation führt dazu, dass die Zahl der GnRHRezeptoren der Hypophyse abnimmt (Down-Regulation).

Im Endeffekt versiegt der Hormonfluss aus den Eierstöcken respektive aus den Hoden. Die Produktion von Estrogen kann noch auf eine zweite Art geblockt werden: durch Hemmung des Enzyms Aromatase, das für die Umwandlung bestimmter Androgene (männlicher Sexualhormone) in Estrogen zuständig ist. Der Einsatz dieser Aromatasehemmer (z. B. Anastrozol, Exemestan) macht allerdings nur bei Frauen nach der Menopause Sinn, bei denen die Estrogenproduktion weitgehend in Nebennieren und Fettgewebe stattfindet. Vor den Wechseljahren, wenn die Eierstöcke die Hauptproduzenten sind, reicht dieser Ansatz nicht aus.

… oder Verdrängung von den Bindungsstellen Mit Antiestrogenen oder Antiandrogenen lassen sich die spezifischen Rezeptoren für das jeweilige Sexualhormon blockieren, über die deren Wirkung im Zielgewebe vermittelt wird – so auch am Tumor. Da der Effekt der klassischen Antiestrogene gewebsspezifisch ist – in anderen Geweben als der Brust entfaltet beispielsweise der Vertreter Tamoxifen statt der Estrogenhemmung eine estrogenähnliche Wirkung – führt die Therapie damit zu unterschiedlichen Reaktionen. So kann es unter der Medikation zu einem unerwünschten Wachstum der Gebärmutterschleimhaut kommen.

Positiv schlägt dagegen zu Buche – dass diese Antiestrogene, auch: Selektive Estrogenrezeptormodulatoren (SERM) – den Knochenstoffwechsel ähnlich dem natürlichen Estrogen unterstützen. Analog zu den genannten Antihormonen können bei Männern mit Prostatakarzinom die Testosteronrezeptoren mit einem entsprechenden Gegenspieler besetzt werden, zum Beispiel mit Flutamid.

Der Rezeptorstatus Angewandt wird die an den Hormonen ansetzende Behandlungsform hauptsächlich beim Mamma- oder Prostatakarzinom sowie beim Endometriumkarzinom (Gebärmutterkrebs). Möglich ist dies auch bei diesen Krebsarten nur, wenn die Tumorzellen Hormonrezeptoren ausbilden, also bei tatsächlich hormonempfindlichen Tumoren. Ob es sich um einen solchen handelt, kann durch histologische Untersuchung des Tumorgewebes herausgefunden werden.

Ein entsprechender Befund – der für die Therapiestrategie relevant ist – wird beim Mammakarzinom mit „ER+“ abgekürzt, für: Estrogenrezeptor-positiv. Eine Bestimmung des Rezeptorstatus beim Prostatakarzinom ist dagegen nicht erforderlich, da diese Tumorart nahezu immer auf einen Hormonentzug anspricht; ob die Therapieform angewandt wird, hängt hier vom Stadium ab.

Eine andere Form der antihormonellen Therapie findet in bestimmten Fällen beim Krebs der Gebärmutterschleimhaut Anwendung, als eine ergänzende Option neben Operation, Strahlen- und Chemotherapie. Anstelle der eigentlich indizierten Operation geht man etwa bei jungen Frauen mit noch nicht abgeschlossener Familienplanung, wenn diese einen dringenden Kinderwunsch haben – und der Tumor es erlaubt –, zunächst „organerhaltend“ vor. Dann kommen meist hoch dosierte Gestagene zum Einsatz, die als Gegenspieler des Estrogens das Wachstum der Gebärmutterschleimhaut unterdrücken.

Die Patientinnen werden aber darüber aufgeklärt, dass es ein sehr hohes Risiko des Wiederauftretens beziehungsweise des Fortschreitens der Erkrankung gibt. Daher muss sich möglichst zeitnah an eine erfolgte Geburt die Entfernung des Uterus anschließen. Auch beim rezidivierenden oder metastasierten Gebärmutterkrebs sind Gestagene eine Möglichkeit, sofern Chirurgie und Strahlentherapie bereits ausgeschöpft wurden und der Tumor Hormonrezeptoren aufweist.

ZUSATZINFORMATIONEN

Unerwünschte Effekte
Insgesamt gelten die Nebenwirkungen einer antihormonellen Behandlung als weniger belastend als die Begleiteffekte einer Chemotherapie. Allerdings kann die Ausschaltung der Sexualhormone, wie sie beim Brustkrebs oder Prostatakarzinom praktiziert wird, im Prinzip zu Symptomen führen, die als Wechseljahrsbeschwerden bekannt sind – und zwar bei der Frau wie beim Mann.

In erster Linie also zu Schweißausbrüchen und Hitzewallungen, langfristig droht auch – wieder bei beiden Geschlechtern – eine abnehmende Knochendichte. Zusätzlich kann es bei männlichen Krebspatienten zu Erektionsstörungen kommen. Auf Antiandrogene können ferner die Brustdrüsen von Männern empfindlich reagieren; sie wachsen bisweilen auch (Gynäkomastie).

Auch wenn eine Hormonblockade keine Heilung herbeiführen kann, so ist sie doch ein Ansatz unter mehreren, um Krebserkrankungen am (zu schnellen) Fortschreiten zu hindern, Rückfälle hinauszuzögern oder einen ungünstigen Verlauf zu verlangsamen.

Hier finden Sie die anderen Teile der Artikelreihe:
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5
Teil 6
Teil 7

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/14 ab Seite 88.

Waldtraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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