Eine Frau schaukelt. Wir sehen nicht, woran die Schaukel befestigt ist, aber im Hintergrund ist ein Bergpanorama zu erkennen. So wirkt es, als schaukle die Frau im Himmel.© anyaberkut / iStock / Getty Images
Tagträume helfen dabei, Emotionen zu bewältigen – wir können uns aber auch in ihnen verlieren.

Konzentration

WARUM WIR TAGTRÄUMEN

Beim Tagträumen tauchen Menschen für kurze Zeit in eine andere Welt ab: Sie befinden sich mental im Urlaub, durchleben einen schönen Abend oder sind in eine andere Fantasiewelt eingetaucht. Ist das gefährlich? Oder profitiert der Mensch gar davon?

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Normalerweise ist Tagträumen nicht gefährlich – normalerweise. Tagträume bekämpfen Langeweile, stärken das Wohlbefinden und fördern die Kreativität. 

Aber warum tagträumen wir? Was macht unser Gehirn, wenn wir nichts machen? Hier erhalten Sie einen Überblick darüber, was Tagträume sind, wie sie uns guttun können und wann Tagträume tatsächlich schaden.

Das Hirn schläft nie

Das Gehirn befindet sich nie in einem Zustand der vollständigen Ruhe, selbst nachts nicht. Auch wenn man die Augen schließt und versucht an nichts zu denken, gelingt dies nicht. Manchmal taucht man in eine Fantasiewelt ein und stellt sich vor, dass das Leben anders sein könnte. In langweiligen Situationen zum Beispiel driftet man in die eigenen Gedanken ab und malt sich verschiedene Szenarien aus: Wie könnte der nächste Urlaub aussehen? Wie wäre das Leben, wenn ich Millionär wäre? Wie würde ich aussehen, wenn ich eine andere Haarfarbe hätte?

Tagträumen kann zum einen ein unabsichtliches Abschweifen der Gedanken sein, zum anderen entscheiden sich Personen manchmal auch bewusst dafür, in ihre Träume abzutauchen und verschiedene Szenarien im Kopf durchzuspielen.

Tagträume spiegeln Sehnsüchte und fördern die Kreativität

Ungefähr die Hälfte der Zeit, in der Menschen wach sind, verbringen sie mit Tagträumen und durchleben dabei Erinnerungen, Vorstellungen, Ideen und Pläne. Tagträume sind in der Regel positiv ausgerichtet und sagen viel über die Erwartungen und Sehnsüchte aus.

Dabei ist das sogenannte Default Mode Network (DMN), ein Ruhemodus-Netzwerk im Gehirn, aktiv. Es enthält Bereiche des präfrontalen Cortex, den posterioren zingulären Cortex sowie den mittleren Schläfenlappen und den Precuneus im superioren parietalen Cortex (oberer Teil des Scheitellappens).

Tagträumen soll eine kreativitätsfördernde Wirkung haben. Hierzu passt auch der Befund von niederländischen Psychologen der Universität Amsterdam, dass Menschen, denen viele Alternativen zur Nutzung von bestimmten Gegenständen einfielen, engere Verknüpfungen zwischen den DMN-Bereichen aufweisen. Je enger diese Hirnareale miteinander vernetzt sind, umso größer ist der Informationsaustausch, was wiederum den Einfallsreichtum fördert.

Tagträumen gegen Langeweile

Menschen können in den verschiedensten Situationen in die Fantasiewelt eintauchen, etwa beim Bügeln, beim Putzen oder beim Sport, und die als langweilig empfundene Realität hinter sich lassen. Bei routinemäßigen, automatisierten Tätigkeiten wie Autofahren oder Joggen lösen sich Menschen oft von den äußeren Reizen und widmen sich spontanen Gedanken und Gefühlen.

Doch Achtung! Forscher von der Universität of British Columbia in Vancouver stellten in einem Experiment fest, dass Reaktionstests während des Tagträumens schlechter ausfielen. So ist es nicht ausgeschlossen, dass Unfälle passieren können, wenn man sich beim Autofahren der Fantasiewelt hingibt.

Wie die Realität vom Tagtraum profitiert

Beim Tagträumen ist es möglich, sich in die Vergangenheit oder in die Zukunft zu versetzen. Man kann in seinem Traumberuf arbeiten oder in ein fernes Urlaubsland reisen. Tagträume sorgen dafür, dass man sich besser fühlt oder sogar gelassener mit Stress umgehen kann.

Auch negative Fantasien können ausgelebt werden: So kann man sich beispielsweise an einer Person rächen, ohne dass es Konsequenzen hat – die Folge ist, dass der Ärger über das Geschehene oft schon zu einem großen Teil verloren geht. In Tagträumen können auch schwierige Situationen visualisiert und überwunden werden, sodass für die Lösung in der Realität Energie gewonnen wird. Auch die Planung von Situationen kann Inhalt der Tagträume sein, dabei spielt man gedanklich durch, was alles unter bestimmten Bedingungen geschehen könnte. Die Tagtraum-Technik wird gelegentlich bewusst eingesetzt, um Ängste abzubauen und ausgeglichener sowie willensstärker zu werden.

Maladaptives Tagträumen: Die Tagtraumstörung

Der Unterschied zwischen Tagträumen und krankhaftem Tagträumen besteht darin, dass sich normales Tagträumen nicht negativ auf den Alltag und auf die Lebensqualität auswirkt, sondern eine gesunde Möglichkeit der Entspannung darstellt. Manchmal kommt es jedoch auch vor, dass Menschen durch das Tagträumen die reale Welt vergessen, in ihrer Fantasie versinken und schwer in die Wirklichkeit zurückfinden.

Es kommt vor, dass Menschen durch das Tagträumen die reale Welt vergessen, in ihrer Fantasie versinken und schwer in die Wirklichkeit zurückfinden.

Betroffene erleben regelmäßig Tagträume, die sehr intensiv sind und (von den alltäglichen Aufgaben) ablenken. Der Begriff Maladaptives Tagträumen umfasst somit ein übermäßiges und lebhaftes Fantasieren, wobei der Alltag beeinträchtigt ist. Betroffene verbringen täglich viele Stunden damit, sich in ihren Gedanken verschiedene Szenarien auszumalen.

Der Zustand kann durch die unterschiedlichsten Reize ausgelöst werden, wie etwa

  • durch Filme,
  • Geräusche,
  • Gerüche oder
  • durch bestimmte Gespräche.

Wie Tagträume zum Problem werden

Menschen mit Tagtraumstörung distanzieren sich regelrecht von der Wirklichkeit, um tief in die Träumerei einzutauchen. Sie schalten manchmal sogar über einen Zeitraum von mehreren Stunden ab und befinden sich in ihrer Fantasiewelt isoliert.

Manchmal sprechen oder flüstern sie Dialoge, verziehen das Gesicht oder führen Körperbewegungen aus dem Traum in der Realität durch. Als Begleiterscheinung kommt es bei Betroffenen häufig zu motorischer Unruhe, das heißt, sie laufen manchmal ziellos umher oder gestikulieren vor sich hin.

Personen, die maladaptiv tagträumen, erledigen oft ihre Pflichten nicht, da sie sich beispielsweise bei der Arbeit nicht ausreichend konzentrieren. Auch Menschen in ihrer Umgebung erhalten von maladaptiven Tagträumern keine Aufmerksamkeit. Meist haben Betroffene das Verlangen, die Tagträume fortzusetzen – das Abtauchen in die eigene Fantasiewelt kann also süchtig machen. Studien deuteten darauf hin, dass das maladaptive Tagträumen als Flucht vor Emotionen angesehen werden kann: Betroffene nutzen die Tagträume, um psychische Belastungen mit angenehmeren Fantasien zu verdecken.

Tagtraumstörungen behandeln

Leiden Menschen unter maladaptiven Tagträumen, kommt eine Psychotherapie zur Behandlung in Betracht, genau genommen eine kognitive Verhaltenstherapie. Darin erlernen Betroffene, die maladaptiven Tagträume zu bewältigen. Das bedeutet, dass sie Rahmen der Therapie die Ursachen der Tagtraumstörung arbeiten und Strategien zum Umgang mit dem maladaptiven Träumen entwickeln.

Negative Auswirkungen?

Die Wissenschaftler Gabriele Oettingen, Doris Mayer und Sam Portnow beurteilten das Tagträumen 2016 in einer Studie kritisch. Sie fanden heraus, dass das Schwelgen in den Fantasien zwar kurzfristig die Stimmung verbesserte führte, langfristig aber negative Folgen haben könnte.

Personen, die sich öfter in Tagträumen befinden, seien als Konsequenz ihrer Tagträume weniger produktiv, strengen sich weniger an und haben weniger Erfolgserlebnisse. Längerfristig scheinen sie sogar mehr depressive Verstimmungen zu entwickeln, so die Autoren.

Allerdings bleibt die Frage offen, ob das Tagträumen tatsächlich der Auslöser der negativen Aspekte ist oder ob Menschen, die weniger produktiv oder gar depressiv sind, insgesamt mehr tagträumen.

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