Eine Frau schläft im Bett und es ist dunkel.
Beim Schlafen durchläuft der Körper mehrere Phasen; an die Träume der REM-Phase können wir uns am besten erinnern. © gorodenkoff / iStock / Getty Images Plus

Schlafphasen

SCHLAFEN, TRÄUMEN, LERNEN

Wussten Sie, dass wir ein Viertel unseres Lebens im Traum verbringen? Warum wir das tun, ist bis heute wissenschaftlich umstritten, doch die Traumphase ist genauso wie die anderen Phasen eines Schlafzyklus ausschlaggebend für unsere Gesundheit.

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Im Schlaf ist man nur scheinbar inaktiv. Im Gehirn laufen neurophysiologische Prozesse innerhalb verschiedener Phasen ab. Deswegen verbraucht der Körper während des Schlafs auch beinahe so viele Kalorien wie tagsüber im Ruhezustand. Schlafmedizinerin Daniela Janssen beschreibt es so: „Unser Körper geht auf eine Reise. Über die Einschlafphase gelangt er in eine leichtere, dann in eine mittlere Schlafphase. Von hier steigt er hinab in die Tiefschlafphase. Danach beginnt der REM-Schlaf.“

In der sogenannten REM-Phase („REM“ steht für „Rapid Eye Movement“) ist es typisch, dass sich die Augen rasch unter den geschlossenen Lidern bewegen. Hirnaktivität, Atmung, Puls und Blutdruck steigen – und zwar fast auf die Werte, die sie im Wachzustand hätten. Während des REM-Schlafs oder der Traumphase scheinen sich das Nervensystem und die Psyche zu erholen. Forscher vermuten, dass wir die am Tag erlebten Situationen in dieser Phase verarbeiten. Informationen werden sortiert, verarbeitet und abgespeichert. Allerdings ist bis heute die genaue Funktion des REM-Schlafs unbekannt.

Während des REM-Schlafs arbeiten Hirn und Körper scheinbar Paradox. Warum? Während unter anderem die Hirnaktivität und der Blutdruck steigen, erschlaffen die Muskeln und sind während dieser Phase gelähmt. Das dient dazu, dass wir die Bewegungen im Traum nicht tatsächlich ausführen.

Was man über das Träumen weiß und glaubt
Professor Michael Schredl vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim sagt: „Geträumt wird in allen Phasen.“ Doch im REM-Schlaf seien die Träume sehr emotional – positiv wie negativ. Studien zeigen, dass sich bei Weckungen aus REM-Schlafphasen 100 Prozent der Testpersonen an Träume erinnerte. An Träume, die in anderen Schlafphasen stattfinden, erinnert man sich laut Schredl schlechter.

Doch warum träumen wir eigentlich? Dafür gibt es unterschiedliche Theorien: Manche Verhaltensforscher glauben, dass Träume keine Bedeutung haben. Einige Psychoanalytiker dagegen vermuteten, dass sich in den Träumen die unterbewussten Wünsche oder Triebe äußern. Brigitte Holzinger, Leiterin des Instituts für Bewusstseins- und Traumforschung in Wien, ist der Meinung, diese These der Wunscherfüllung sei heute nicht mehr gültig. Ein physiologischer Erklärungsansatz ist, dass Träume wichtig sein könnten für die Gehirnentwicklung und -reifung. Die Theorie wurde daraus abgeleitet, dass bei Neugeborenen der REM-Schlaf erhöht vorkommt.

Geträumt wird in allen Phasen.

Der Neurowissenschaftler Antti Revonsuo hält Träume für „Installationsprogramme unserer Überlebenssoftware“. Im Schlaf würden wir das Gelernte abspeichern, um für Situationen im Alltag gewappnet zu sein: Wir lernen den Umgang mit negativen Emotionen, Gefahren und sozialen Begegnungen. George William Domhoff, Professor für Psychologie und Soziologie an der University of California, ist ähnlicher Meinung: Im Traum verarbeiten Menschen ihre Erinnerungen und bauen sich daraus einen Plan für die Zukunft. Aktuelle Versagensängste werden so zum Beispiel mit Erfahrungen von bewältigten Herausforderungen der Vergangenheit kombiniert. Robert Stickgold von der Harvard Medical School ist der Meinung, das Gehirn sichtet und sortiert nachts Erinnerungen und kombiniert sie neu. Dabei entstünden die Träume. Durch sie könnten wir lernen und kommen zu neuen Einsichten.

Was man von Träumen lernen kann
Domhoff glaubt, Träume helfen nicht nur, mit alltäglichen Sorgen fertig zu werden, sondern sie unterstützten Menschen auch, nach schweren Krisen ihr Leben wieder in eine neue Bahn zu lenken. Das lässt sich aber auch auf Menschen übertragen, die keine Krise hinter sich haben: Aus den Beobachtungen über das Traum-Ich lassen sich womöglich auch Handlungsanweisungen für den Wachzustand ableiten. Wer sich mit den Träumen auseinandersetze und sie lesen lerne, könne die Gefühle aus der Nacht bewerten und sogar daran wachsen, sagt Holzinger, und fasst zusammen:

Der Traum ist so etwas wie eine kleine Psychotherapie.

Doch dafür muss man sich aktiv an die Träume erinnern können. Gut, dass sich diese Fähigkeit trainieren lässt: Dazu sollten nach dem Aufwachen die Augen geschlossen bleiben und die Aufmerksamkeit auf die Träume gelenkt werden. Wer möchte, kann daraufhin seine Erinnerungen an den Traum in einem Traumtagebuch festhalten. Das kann zukünftig hilfreich sein, um zugrundeliegende Muster besser erkennen zu können. Sich an alle Träume aus einer Nacht zu erinnern, schaffe aber keiner, sagt Schredl und berichtet:

Mein Rekord liegt bei zwölf Träumen.

So positiv die Auswirkungen von Träumen auch sein können, so negativ können sie sich auch auf den Wachzustand einwirken: Sie beeinflussen die Stimmung.

Sehr viel REM-Schlaf und damit sehr viel Traum verursache bei rund 70 Prozent der Bevölkerung eine Art Mini-Depression, sagt Hans-Günter Weeß, Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster.

Was Sie Ihren Kunden empfehlen können
Um die traumreiche REM-Phase zu erreichen, ist ein tiefer Schlaf nötig. Paradoxerweise unterdrücken klassische Hypnotika aber genau diese wichtige Schlafphase. Das ist neben dem Abhängigkeitspotenzial ein Grund, warum Z-Substanzen wie Zopiclon und Zolpidem aber auch freiverkäufliche Schlafmittel wie Doxylamin und Diphenhydramin nur zur Kurzzeitanwendung zugelassen sind. Die langfristige Einnahme unterdrückt den wichtigen Traumschlaf dauerhaft und kann so zu psychischen Beschwerden führen.

Wir haben deshalb einige Empfehlungen für Ihre Kunden mit Ein- und Durchschlafbeschwerden gesammelt.

Baldrianwurzel
Die Valerenane der Baldrianwurzel wirken spasmolytisch und muskelrelaxierend, das Lignan bindet an Rezeptoren der zentralen Neurone und verursacht so Schläfrigkeit. Lignan kann außerdem die aktivierende Wirkung von Coffein aufheben. Anders als klassische Schlafmittel beeinflusst es die REM-Phase nicht. Bei einer ausreichend hohen Dosierung von 600 bis 1200 Milligramm (mg) pro Einzeldosis erhöht Baldrianwurzel nach etwa zwei Wochen die Schlafbereitschaft.

Melissenblätter
In Melissenblättern sind es vor allem Terpene wie Citronellal und der Lamiaceengerbstoff Rosmarinsäure, die bei nervös bedingten Einschlafstörungen helfen. Sie sind im ätherischen Öl der Blätter enthalten und hemmen das Enzym GABA-Transaminase, das für den Abbau von Gamma-Aminobuttersäure (GABA) zuständig ist. Wird das abbauende Enzym gehemmt, steht mehr GABA zur Verfügung. So kann sie mehr inhibitorische Synapsen im Gehirn aktivieren, was einen beruhigenden und müde-machenden Effekt hat.

Hopfenzapfen
Hopfenzapfen mit Arzneibuchqualität enthalten mindestens 25 Prozent Hopfenharz, aus dem die Bitterstoffe Humulon und Lupulon extrahiert werden können. Hopfenzapfen verstärken die Wirkung anderer pflanzlicher Schlaf- und Beruhigungsmittel, deshalb kommen sie in Kombination mit Baldrian oder Baldrian und Passionsblume zum Einsatz.

Passionsblumenkraut
Das Kraut der Passionsblume wirkt angst- und spannungslösend, beruhigend, schlaffördernd und blutdrucksenkend. Welche Inhaltsstoffe genau diese Wirkung auslösen, ist noch unklar, sie enthalten jedoch vor allem Flavonoide. Passionsblumenkraut wird bei Einschlafstörungen und nervöser Unruhe eingesetzt, auch in Kombination mit Baldrianwurzel oder Hopfenzapfen.

Lavendelblüten
In den tiefvioletten Blüten des Lavendels steckt ätherisches Öl, und darin vor allem Linalylacetat und Linalool. Sie wirken beruhigend und schlaffördernd. Das Öl können Sie Ihren Kunden entweder in Weichkapseln zum Einnehmen empfehlen oder zur Raumbeduftung als pures Öl.

Melatonin
Die Zirbeldrüse produziert nachts Melatonin, das wiederum den zirkadianen Rhythmus steuert. Es kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn Personen Schwierigkeiten mit dem Tag-Nacht-Rhythmus haben. Ab 55 Jahren ist es als verschreibungspflichtiges Arzneimittel zugelassen. Außerdem gibt es Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel ohne Altersbeschränkung. Diese Einschätzung sehen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und Stiftung Warentest kritisch. Das Landgericht München hat 2018 jedoch entschieden, dass es vorerst dabei bleibe, da man ein Milligramm Melatonin auch durch den Verzehr von Pistazien aufnehmen könne. Ein Pistazien-Gutachten konnte dies allerdings nicht bestätigen.

Zirbelkiefer
Dem ätherischen Öl der Zirbelkiefer wird nachgesagt, dass es für einen erholsamen Schlaf sorge. Eine Studie des Joanneum Research Institut für Nichtinvasive Diagnostik aus dem Jahr 2003 konnte dies bestätigen, allerdings war die Anzahl der Probanden sehr gering. Nichtsdestotrotz sind Möbel aus Zirbelkiefer für das Schlafzimmer sehr beliebt und viele Österreicher und Schweizer schwören auf Duftkissen, die Späne des Holzes enthalten. Diese sind zwar keine typischen Apothekenprodukte, Sie können Ihren Kunden jedoch das ätherische Öl für eine Duftlampe oder einen Vernebler empfehlen. Allein der angenehme Geruch kann für eine positive Einschlaf-Atmosphäre sorgen.

CBD
Auch Cannabidiol-Öl soll beim Ein- und Durchschlafen helfen. Derzeit ist CBD-Öl als Nahrungsergänzungsmittel eingestuft. Einige Stimmen sehen es hingegen als sogenanntes „Novel food“, ein neuartiges Lebensmittel, andere wiederum möchten es unter Rezeptpflicht stellen. Etwa zwölf Prozent der Deutschen nahmen einer Befragung Ende 2020 zufolge regelmäßig CBD-Produkte ein, davon 38 Prozent als Hilfe gegen Schlafstörungen – das wären etwa 3,5 Millionen Menschen in Deutschland.

Sabrina Peeters, Redaktionsvolontärin
Gesa Van Hecke, Redaktionsvolontärin und PTA

Quellen:
https://www.helsana.ch/de/blog/themen/gesundheitswissen/schlafphasen.html
https://www.psych.mpg.de/848223/schlaf
https://www.schlaf.de/ratgeber/schlaf/schlafphasen/rem-schlaf/
https://schreibenwirkt.de/traumtagebuch/
https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article131682248/Was-Traeume-ueber-uns-selbst-verraten.html
https://www.tomasoethof.com/de/Wohlbefinden_Endbericht.pdf
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2018/01/01/melisse-mehr-als-nur-einschlafhilfe
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2019/10/22/melatonin-in-nahrungsergaenzungsmitteln/chapter:all
„Beratung aktiv – das Handbuch für den Apotheker und seine pharmazeutischen Mitarbeiter“, 19. Auflage 2009

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