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Aromatherapie

KOMPLEMENTÄRMEDIZIN STATT ESOTERIK

Menschen werden von Düften beeinflusst – das wusste man schon in den alten Hochkulturen, wo sie für rituelle und heilende Zwecke eingesetzt wurden. Auch in unserer Zeit hat sich das nicht geändert.

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Heute ist die Aromatherapie längst nicht mehr wie noch vor einigen Jahren nur in der esoterischen Ecke beheimatet, sondern hat als Komplementärmedizin sogar Einzug in die Kliniken gehalten. Das Evangelische Krankenhaus Wesel am Niederrhein spielt in Sachen Aromatherapie eine Vorreiterrolle: Hier arbeitet eine sogenannte Aromapflegerin, die beispielsweise mit dem Einsatz von ätherischen Lavendelöl bei Verbrennungen dieselben positiven Erfahrungen gemacht hat wie der unfreiwillige „Erfinder“ der Aromatherapie, der französische Chemiker René-Maurice Gattefossé.

In seinem Labor kam es im Sommer 1910 zu einer Explosion, bei der er sich Teile seiner Hände und der Kopfhaut verbrannte. Seine Verbrennungen behandelte der Forscher mit Lavendelöl, worauf die Haut relativ schnell und ohne Narbenbildung verheilte. Diese Entdeckung veranlasste den Chemiker, weiter zu forschen. Gattefossé war es auch, der den Begriff der Aromatherapie in seinem gleichnamigen Buch prägte.

Grundlage sind ätherische Öle Die Bezeichnung „ätherisch“ leitet sich übrigens ganz einfach von der Tatsache ab, dass die öligen Substanzen spurlos im Äther sprichwörtlich verduften. Die ätherischen Öle werden auch romantisch als „Seele der Pflanzen“ betitelt – ein Hinweis darauf, dass sie das Essenzielle der Pflanzen beinhalten. Immerhin eine Funktion der Düfte hat tatsächlich eine so poetisch anmutende Funktion, wie dies die schöne Umschreibung nahelegt: So sollen die auch als sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe bezeichneten Düfte Insekten zur Bestäubung anlocken.

Die andere Funktion ist eher praktischer Natur: Die Düfte dienen auch dazu, die Pflanzen vor Schädlingen, Bakterien und Pilzen zu schützen. Der unbestrittene antibakterielle und antifungale Effekt, den die Düfte auch bei uns Menschen besitzen, ist also ursprünglich in der Pflanze selbst angelegt.

Wissenschaftliches Interesse wächst In der Wissenschaft wird das Thema der ätherischen Öle immer genauer untersucht. So fanden beispielsweise japanische Forscher 2001 nach einer Untersuchung unter Laborbedingungen heraus, dass insbesondere Öle aus Zimtrinde, Zitronengras und Thymian besonders stark antibakteriell wirken Bei manchen Pflanzen bereitet die Erforschung der Wirkweisen einzelner Substanzen und deren Zuordnung zur heilenden Wirkung jedoch große Schwierigkeiten: Zwar weiß man, dass etwa Rosenöl entzündungshemmend wirkt, aber welche der 550 pflanzlichen Inhaltsstoffe dafür verantwortlich ist, konnten die Wissenschaftler noch nicht herausfinden, zumal 120 dieser Inhaltsstoffe noch überhaupt nicht untersucht wurden.

PFLANZLICHE ALTERNATIVE
Auch in der Wissenschaft ist man den gefühlssteuernden Auswirkungen der verschiedenen ätherischen Öle auf der Spur. Dass dieses sogar schwerwiegende Gefühlsstörungen lindern oder gar heilen kann, legt eine Untersuchung nahe, die in dem internationalen Fachmagazin „Phytomedicine“ veröffentlicht wurde. Die beiden Autoren Woelk und Schläfke berichten darin von einem Vergleich von Lavendelöl mit dem Benzodiazepin Lorazepam bei Angststörungen. Die pflanzliche Alternative war nach Beobachtungen der beiden Forscher genauso wirksam wie Lorazepam und hat darüber hinaus noch den Vorteil, dass eine Abhängigkeit nicht auftreten kann.

Rosenöl, das neben Jasmin am häufigsten auch zur Herstellung von Parfümen verwendet wird, ist das teuerste ätherische Öl. Der Grund: Um 500 Gramm Rosenöl herzustellen, braucht man etwa eine Tonne Rosenblätter. Dass die Aromatherapie nicht nur im physischen, sondern auch psychischen Bereich erfolgreich eingesetzt werden kann, hat etwas damit zu tun, dass der Geruchssinn entwicklungsgeschichtlich unser ältester Sinn ist.

Vereinfacht gesagt werden Düfte über den oberen Teil unserer Nase direkt und ohne Zwischenschaltung durch den Verstand in das Gehirn weitergeleitet. Dort gelangen sie in das Unterbewusstsein und wirken auch auf das vegetative Nervensystem ein. Als typische Vertreter derjenigen ätherischen Öle, die unsere Befindlichkeit beeinflussen können, gelten Lavendel und Melisse, die beruhigend wirken, während Rosmarin anregend wirkt.

Für den alltäglichen Einsatz empfehlenswert Selbstverständlich können ätherische Öle auch im Alltag verwendet werden. Wenn etwa ein Kunde über Kopfschmerzen klagt und beispielsweise kein Analgetikum einnehmen möchte, können Sie ihm Pfefferminzöl empfehlen. Insbesondere das darin enthaltene Menthol trägt zur Kühlung und damit zum Abklingen des Kopfschmerzes bei. Das Pfefferminzöl wird mit ein wenig Wasser verdünnt und auf ein Tuch getröpfelt, das sich der Betroffene anschließend etwa fünfzehn Minuten auf die Stirn legt oder im Nackenbereich appliziert.

Gute Ergebnisse im Kampf gegen Kopfschmerz oder Migräne werden auch mit Lavendel, Eukalyptus, Thymian, Zitrone oder Fichtennadel erzielt. Menschen, die über Schlafstörungen berichten, sollten Sie den Einsatz von Lavendel, Melisse und Kamille ans Herz legen. Bei Personen, die unter Antriebsschwäche leiden, kann man Rosmarin, Fichtennadel und Thymian einsetzen. Versuchen Sie im Beratungsgespräch herauszufinden, ob Ihr Kunde in erster Linie tatsächlich eine Antriebsschwäche hat oder ob er insgesamt bedrückt ist. Sollte letzteres der Fall sein, können stimmungsaufhellende Pflanzen wie Zitrone, Lemongras und Lavendel die bessere Wahl sein.

Selbst das Essverhalten kann mit den passenden Pflanzen beeinflusst werden: So gilt Fenchel als Appetit anregend, während Bergamotte und Patchouli diesen eher hemmen. Obwohl die Aromatherapie eine eher unkomplizierte Heilmethode darstellt, muss man insbesondere bei Kindern und Menschen mit Atemwegserkrankungen vorsichtig sein. So dürfen Babys und Kleinkinder auf keinen Fall mit Pfefferminzöl oder reinem Menthol in Berührung kommen. Speziell im Gesichtsbereich könnte es sonst zu einem reflektorischen Atemstillstand kommen.

Terpentin-, Fichten- und Kiefernnadelöl können bei Asthmatikern oder Menschen mit geschädigten Atemwegsorganen im schlimmsten Fall zu Bronchospasmen führen. Im Zweifelsfall sollte man unbedingt die Warnhinweise beachten oder auf den Einsatz einer Aromatherapie verzichten.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/15 ab Seite 72.

Claus Ritzi, Pharmajournalist (wdv)

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