Glasgefäße © tamayalper / iStock / Getty Images
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Geschichte

KÖNIG DER ARZNEIEN

Zu einer Zeit, als die Medizin von wissenschaftlicher Untermauerung noch weit entfernt war, gab es das eine Universalheilmittel: Theriak. In der Antike entwickelt, sollte die dickflüssige Arznei gegen allerlei Krankheiten helfen.

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Vor allem aber gegen Schlangenbisse. Der griechische Arzt Asklepios erfand um 170 v. Chr. eine Mischung aus Anis, Kümmel und Fenchel als Antidot. Mithridates, König in Kleinasien, erweiterte die Mixtur um Entenblut, Schlangen- und Krötenfleisch, wenig später kam reichlich Mohnsaft hinzu –warum, bleibt verborgen. Jedenfalls hielt sich der Ruf des Theriaks als Allheilmittel und seine Zutatenliste wurde immer reichhaltiger, bis sie am Ende bis zu 90 Ingredienzien enthielt. Dazu gehörten bis ins Mittelalter Extrakte aus Labmägen, das Blut verschiedener Tierarten, kostbare Balsame, Eisenvitriol, immer auch Schlangenfleisch – und eben Opium. Um den sehr unangenehmen Geschmack zu überdecken, gab man gern Zimt und Honig hinzu.

Theriak venezian Weil Opium und Vipernfleisch sehr teuer waren, kursierten viele Fälschungen, die von Badern und Wunderheilern auf den Märkten feilgeboten wurden. Um dem Theriak den Stempel des Qualitätsproduktes aufzudrücken, ersann man eine ganz besondere Zeremonie: Der „Theriak venezian“ wurde in einer prächtigen Zeremonie in Anwesenheit öffentlicher Würdenträger in Venedig zubereitet. Das mit viel öffentlichem Aufwand und Schaugepränge veranstaltete Spektakel des dann teuer verkauften Wundermittels trug nicht unwesentlich zum wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt bei. Am Ende waren es rund 300 Zutaten, die in den großen Kupferkessel wanderten.

Leisten konnten sich das vornehmlich als Schlaf- und Schmerzmittel genutzte Heilmittel nur die Reichen. Die arme Landbevölkerung musste sich ein anderes Universalmittel suchen und fand es auch: den Knoblauch. Er bekam bald den Beinamen „Bauern-Theriak“. Alte Mixturen sterben nie so richtig und so hat sich auch der Theriak irgendwie gehalten – nur das Opium ist heute aus seiner Rezeptur verschwunden.

Bis in das 19. Jahrhundert erschien Theriak aber noch mit Opium in pharmakologischen Lehrbüchern und selbst das erste deutsche Arzneibuch (Pharmacopoea Germanica) enthielt eine Zubereitung mit genauen Mengenangaben. Auch im Meyerschen Konversationslexikon von 1897 taucht die Zugabe aus dem Betäubungsmittel-Arsenal noch auf. Eine (opiumfreie) Rezeptur findet sich übrigens auch in den Bestandteilen von Maria Trebens Original „Schwedenbitter“.

Theriak, der Evergreen So ganz ist sein Zauber nicht verschwunden und so geistert der Theriak immer noch durch einschlägige Veröffentlichungen, vor allem in solchen esoterischer Natur. Seine Wirksamkeit ist zwar nicht bewiesen und es ist auch kein in Deutschland zugelassenes Arzneimittel – doch der zähe, dunkle Theriak hat eine treue, kleine Fangemeinde, die immer noch auf ihn schwört.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/18 ab Seite 136.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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