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Politik – Die Corona-Krise

KEIN ENDE IN SICHT!

Zunächst hörte sich der Ausbruch, der durch das neuartige Corona-Virus ausgelösten Erkrankung in China, wie so oft an: Wellen schwerer Erkrankungen in weit entfernten Ländern, die lediglich eine kurze Notiz in den Nachrichten aus aller Welt darstellen.

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Weit weg von uns, man hört es mit einem gewissen Interesse, das man allem entgegenbringt, das den pharmazeutischen oder medizinischen Bereich betrifft. Mit uns hat es eigentlich nichts zu tun. Und dann ist der Outbreak vor unserer Haustür. Tragischerweise sind jene Ärzte, die die Tragweite des neuartigen Virus erkannt haben, zunächst von den chinesischen Behörden mundtot gemacht worden. Damit wurde wertvolle Zeit verloren und viele Erkenntnisse, die schon in dieser frühen Zeit hätten gewonnen werden können, wurden nicht in der Fachwelt diskutiert und damit verspielt. Gerade einer dieser Ärzte ist in einem bekannten Fall auch noch selbst an der schweren Infektion erkrankt und ihr erlegen. Aus einer Epidemie, also dem zeitlich und räumlich begrenzten Ausbruch einer Erkrankung, ist eine Pandemie geworden. Pandemie bezeichnet einen Krankheitsausbruch über Ländergrenzen und Kontinente hinweg.

Unfassbare Zahlen Dies ist nun eingetreten und man sieht an den Zahlen, die täglich von der Johns-Hopkins-Universität veröffentlicht werden, mit welch rasender Geschwindigkeit das Virus von Mensch zu Mensch übertragen wird. Jeden Tag haben wir dazu gelernt, dass das, was wir gestern noch zu wissen glaubten, heute schon Makulatur ist. Der Vergleich zu den schweren Grippewellen hinkt. Aber zu Beginn der Infektion haben wir es einfach nicht besser gewusst. Es werden wilde mathematische Betrachtungen veröffentlicht. Rechnerisch sind sie vielleicht richtig, aber das Leben, die Gesundheit und die Versorgung ist eben nicht nur Mathematik. An den Beispielen von Italien und Spanien sieht man, dass die Ressourcen schnell an ihre Grenzen stoßen und für eine so dramatische Erkrankungswelle nicht ausreichen.

Auch in dem wirklich gut ausgestatteten Deutschland ist diese Gefahr gegeben. Vernünftigerweise hat die Bundesregierung sehr schnell Maßnahmen ergriffen, die die Erkrankungen zwar nicht stoppen, aber die Anzahl der Neuerkrankungen und damit verbunden auch die Anzahl der dramatischen Verläufe kanalisiert. Die Bilder aus Italien, die völlig erschöpfte Ärzte und Pfleger zeigen, haben sich förmlich eingebrannt. Auch die psychische Belastung, den Schwersterkrankten nicht mehr gerecht werden zu können, verbunden mit dem Supergau auch noch entscheiden zu müssen, wer behandelt wird oder nicht, wünscht man niemandem.

So werden die Maßnahmen immer strenger werden, wenn sich die Bevölkerung nicht an die Regeln hält. Nach wie vor gibt es polizeiliche Einsätze, die Ansammlungen in öffentlichen Parks oder an freien Plätzen in der Natur auseinandertreiben müssen. Man fragt sich wirklich, was diese Leute nun nicht verstanden haben. Wir brauchen keine Debatte über Jung oder Alt zu führen. Menschen jeden Alters können an Covid-19 erkranken und einen schweren und letalen Verlauf haben. Es kann uns alle treffen.

Apotheke als Anlaufstelle Gerade in der Apotheke haben wir jetzt viel an Beratungsleistung zu geben. Viele Menschen haben Angst, sind verunsichert und kommen auch mit der Situation plötzlich im Homeoffice zu arbeiten nicht klar. Die Zahlen von häuslicher Gewalt nehmen zu. Auch da ist es wichtig, dass wir in der Apotheke sensibel sind und die Augen geöffnet haben. Gut ist es, wenn die entsprechenden Notfallnummern dann parat sind. Es gibt im Moment sehr wenig Anlaufstellen für die Menschen. Die öffentlichen Apotheken in Deutschland sind da, auch wenn sich das Apothekenpersonal gleichzeitig schützen muss, denn es bringt nichts sich selbst in Gefahr zu bringen. Gerade jetzt sind die Ansprache und das offene Ohr vor Ort durch nichts zu ersetzen. Diejenigen, die ständig diskutieren, die Vor-Ort-Apotheke durch Versandhandel ersetzen zu können, werden nun eines Besseren belehrt.

Die stationäre öffentliche Apotheke in Deutschland ist durch nichts zu ersetzen. Das sieht man nun an dem Krisenmanagement, das wir täglich stemmen. Besonders schwer treffen uns nun auch noch die Lieferausfälle, die uns zwar schon seit längerer Zeit begleiten, aber nun fast nicht mehr zu händeln sind. Der Ausfall von Paracetamol-Saft ist sicher zu verkraften, aber die damit verbundene Beratung der Eltern, dass sie jetzt stattdessen Zäpfchen verabreichen müssen, stellt das pharmazeutische Personal vor eine harte Probe. Gerade bei Eltern, die die deutsche Sprache erst noch lernen, ist die Gefahr der Fehlanwendung groß. In fünf Minuten ist diese Beratung jedenfalls guten Gewissens nicht bewältigt.

Schwierig ist auch die Aufklärung zu den sowieso schon knappen Ressourcen an Pneumokokken-​Impfstoffen. Die ständige Frage nach Desinfektionsmitteln und Mundschutz soll in diesem Chaos dann auch noch freundlich verneint werden – ganz nach dem Motto „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Die ins Unermessliche steigenden Preise von Desinfektionsmitteln und Mundschutz zeigen jetzt, welch hohes Gut die festen Preise bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sind, damit sie im Notfall nicht durch die Decke gehen. Die Leistung der Teams der öffentlichen Apotheken trägt massiv zur Stabilisierung der Lage bei und ist nicht hoch genug einzuschätzen. In diesem Sinne: BLEIBEN SIE GESUND – Sie werden gebraucht!

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/2020 ab Seite 56.

Mira Sellheim, Apothekerin und Delegierte der LAK Hessen

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