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Rheumatische Erkrankungen

JUVENILE IDIOPATHISCHE ARTHRITIS (JIA)

Bereits Kinder und Jugendliche können chronische entzündliche Gelenkerkrankungen bekommen. Die verschiedenen Formen unterscheiden sich hinsichtlich Ausprägung und Prognose erheblich.

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Per Definition versteht man unter einer JIA eine länger als sechs Wochen andauernde Gelenkentzündung bei Kindern unter 16 Jahren, für die keine andere Ursache gefunden werden kann. Die JIA basiert auf einer Fehlregulation des Immunsystems und ist die häufigste systemische Autoimmunerkrankung im Kindesalter. Etwa eines von 1000 Kindern ist betroffen. Oder mit anderen Worten: In Deutschland leben etwa 15 000 Menschen bis 16 Jahre mit dieser Erkrankung. Gemäß der derzeit gültigen Kriterien der International League Against Rheumatism (ILAR) werden sieben Subtypen der JIA unterschieden. Die genaue Ursache für die JIA ist unbekannt, offenbar erhöhen aber bestimmte immunogenetische Faktoren wie beispielsweise bestimmte HLA-Allele das Risiko für eine Erkrankung.

Die Betreuung und Behandlung erfolgen multidisziplinär: Übergreifendes Ziel ist es, dass die Kinder und Jugendlichen sich in ihrem familiären und sozialen Umfeld so weit wie möglich normal entwickeln und aufwachsen können. Dafür gilt es die Krankheitsaktivität und die Schmerzen zu reduzieren und, wenn möglich, vollständig zu unterdrücken. Darüberhinaus ist auch eine psychologische/sozialmedizinische Betreuung der Patienten und ihrer Familien erforderlich. Insgesamt ist weniger als die Hälfte der Betroffenen langfristig in ihrer Funktionsfähigkeit eingeschränkt, allerdings mit erheblichen Unterschieden zwischen den einzelnen Formen.

Systemische JIA Die systemische Arthritis macht etwa fünf bis zehn Prozent aller JIA-Fälle aus und wird auch als Still-Krankheit bezeichnet. Der Beginn liegt häufig im Kleinkindalter. Zusätzlich zu einer Arthritis an mindestens einem Gelenk haben die Patienten zu Beginn typischerweise über mehr als 14 Tage undulierendes, also in Wellen auftretendes Fieber. Außerdem muss mindestens eines der folgenden Symptome vorhanden sein, damit die Diagnose gestellt werden kann: ein vorübergehendes lachsfarbenes Exanthem, Lymphadenopathie, vergrößerte Leber und/oder Milz sowie eine Serositis (Myokartditis, Pleuritis oder Peritonitis). Dabei können das Fieber und die systemischen Manifestationen mehrere Wochen vor der Arthritis auftreten. Häufig sind zunächst nur wenige Gelenke asymmetrisch betroffen; später sieht man oft ein polyartikulär symmetrisches Befallsmuster. Durch die hohe Entzündungsaktivität können die Gelenke zerstört und unbeweglich werden; Wachstumsstörungen sind häufig. Für die Therapie werden Glukokortikoide, Basistherapeutika (Methotrexat, Azathioprin, Ciclosporin A) sowie auch Biologika eingesetzt. Das Ansprechen auf diese Therapien ist jedoch sehr unterschiedlich.

Oligoartikuläre JIA Die Oligoarthritis macht etwa die Hälfte aller Fälle der JIA aus und ist damit die häufigste Form. Sie liegt vor, wenn initial ein bis vier Gelenke betroffen sind, meist Knie-, Sprung- oder Handgelenke. Die Oligoarthritis wird als persistierend bezeichnet, wenn es innerhalb von sechs Monaten bei maximal fünf betroffenen Gelenken bleibt. Werden es mehr, so spricht man von einer „extended“ oligoartikulären JIA. Mädchen erkranken häufiger als Jungs. Betroffene Kleinkinder wollen häufig getragen werden und/oder nehmen Schonhaltungen ein. Typisch ist auch eine morgendliche Steifigkeit. Systemische Manifestationen fehlen völlig, es können aber Entzündungen am Auge auftreten (Uveitis). Diese gilt es rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln. Um Fehlstellungen und Bewegungseinschränkungen zu reduzieren, wird Physiotherapie begleitend mit Kälte- und Wärmebehandlungen eingesetzt.

Für die medikamentöse Behandlung kommen zunächst nichtsteroidale Antiphlogistika sowie lokale Steroidinjektionen in die betroffenen Gelenke infrage. Unter Umständen können die Steroide auch systemisch gegeben werden. Reicht dies nicht aus, können als Basistherapeutika Metothrexat oder Sulfasalazin eingesetzt werden. Bei schweren Verläufen mit mehr betroffenen Gelenken stehen Biologika zur Verfügung. Bei rund vier von fünf Patienten kommt es zu einer vollständigen Remission; sie sind im Erwachsenenalter beschwerdefrei.

Polyartikuläre JIA Bei bis zu 20 Prozent der Betroffenen sind bereits im ersten halben Jahr nach Krankheitsbeginn mehr als fünf Gelenke meist symmetrisch betroffen – sie haben eine polyartikuläre JIA. Je nachdem, ob sich der Rheumafaktor im Blut nachweisen lässt, wird die polyartikuläre JIA unterteilt in Rheumafaktor-negativ (die überwiegende Mehrheit) und Rheumafaktor-positiv. Die Rheumafaktor-negative JIA beginnt überwiegend in den ersten Lebensjahren; die Rheumafaktor-positive Form tritt dagegen bei älteren Kindern auf und ist als frühe Manifestation der rheumatoiden Arthritis des Erwachsenenalters zu sehen. In beiden Fällen sind Mädchen deutlich häufiger betroffen als Jungs. Große und kleine Gelenke sind symmetrisch betroffen. Die Therapie erfolgt ähnlich wie der bei Oligoarthritis, allerdings liegt bei etwa drei Vierteln der Betroffenen beim Übergang ins Erwachsenenalter immer noch eine aktive Erkrankung vor. Entsprechende Langzeitkomplikationen wie Gelenkkontrakturen, Knorpel- und Knochenerosionen, Wachstumsverzögerung, Osteoporose; Sehbeeinträchtigung durch die Uveitis und psychosoziale Belastungen können die Lebensqualität einschränken.

Juvenile Enthesitis-assoziierte Arthritis (EAA) Etwa zehn bis 15 Prozent aller JIA-Patienten leiden an einer EAA. Hier sind zusätzlich zu der Arthritis bei manchen Gelenken besonders an den unteren Extremitäten auch die Enthesen, also die Ansatzstellen der Sehnen an den Knochen betroffen. Genauer gesagt können die Sehnen selbst, die Sehnenscheiden und/oder die Sehnenansätze entzündet sein. An einer EAA erkranken mehr Jungen als Mädchen. Ein relevanter Anteil entwickelt im Verlauf eine ankylosierende Spondylitis. Außerhalb des Skeletts kann wiederum eine Uveitis, aber auch eine Beteiligung des Herzens auftreten. Für die Behandlung werden zunächst nichtsteroidale Antiphlogistika eingesetzt, um die Entzündung zu hemmen. Bei Bedarf kommen auch Steroide lokal oder systemisch zum Einsatz. Als Basistherapeutika kommen Sulfasalazin oder Metothrexat infrage. Bei schweren Verläufen ist auch der Einsatz von Biologika möglich.

Juvenile Psoriasisarthritis Bei einem kleinen Anteil der Patienten lässt sich die Erkrankung nicht sicher einer der beschriebenen Formen zuordnen. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/17 ab Seite 76.

Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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