© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Steckbrief

JOHANNISKRAUT

Eine Alternative zu chemischen Antidepressiva sind Johanniskrautextrakte, die Serotonin, Dopamin und Noradrenalin beeinflussen und die depressive Symptomatik verbessern.

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Johanniskraut ist das einzige Phytopharmakon, für das die antidepressive Wirkung in zahlreichen Studien nachgewiesen wurde. Die stimmungsaufhellenden Effekte scheinen auf den Gesamtextrakt mit den Wirkstoffen Hypericin, Hyperforin, aber auch die enthaltenen Flavonoide zurückzuführen zu sein. Klar ist, dass Johanniskrautextrakt die Wiederaufnahme von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin aus dem synaptischen Spalt hemmt und so ähnliche pharmakologische Wirkungen hat wie die chemischen antidepressiven Wirkstoffe. In Untersuchungen wurden außerdem Effekte am GABA-Rezeptor und auf den Glutamatstoffwechsel festgestellt. Auf der Rezeptorebene löst Johanniskrautextrakt – und hier insbesondere der Inhaltsstoff Hyperforin – eine Herabregulation von Beta-Rezeptoren aus.

Auch dies scheint mit der therapeutischen Wirkung auf die depressiven Störungen in Zusammenhang zu stehen. Johanniskrautextrakt gibt es als Arzneimittel in verschiedenen Dosierungen mit der Indikation zur Behandlung von leichten bis mittelschweren depressiven Episoden gemäß ICD-10. Abzugrenzen sind entsprechende Teezubereitungen oder Johanniskrautauszüge in Nahrungsergänzungsmitteln. Hier sind die Konzentrationen der Wirkstoffe so niedrig, dass nicht von einer antidepressiven Wirkung auszugehen ist. Für die Herstellung von Johanniskraut-Präparaten werden die getrockneten, blühenden Zweigspitzen mit Blüten, Blättern und Stängeln von Johanniskraut verwendet.

Die empfohlenen Arzneimittel sollten standardisierte Extrakte enthalten, um eine ausreichende Konzentration an Wirkstoffen zu gewährleisten. Die Fertigarzneimittel variieren bezüglich ihres Wirkstoffgehaltes. So liegen die Dosierungsempfehlungen der apothekenpflichtigen Produkte zwischen 500 und 1000 Milligramm pro Tag entsprechend der Leitlinie zur Behandlung der unipolaren Depression. Bis der Patient die vollständige Wirkung erwarten kann, sollte die Einnahme etwa vier Wochen lang regelmäßig erfolgen. Auf diese Wirkungslatenz sollte der Patient von PTA und Apotheker hingewiesen werden, damit er nicht zu früh die Therapie absetzt. Die übliche Darreichungsform ist die Tablette, die je nach Dosierung ein- bis zweimal täglich eingenommen wird. Generell ist Johanniskrautextrakt gut verträglich. Als Nebenwirkungen werden gastrointestinale Beschwerden, selten Müdigkeit und Unruhe in der Fachinformation angegeben.

Bekannt ist, dass hohe Dosierungen des Johanniskrautextraktes bei hellhäutigen Menschen und hoher UV-Einstrahlung zu Fotosensibilisierungsreaktionen führen können. Besondere Achtung ist geboten, wenn Johanniskrautextrakt von einem Patienten mit Polymedikation eingenommen wird. Aufgrund zahlreicher Interaktionen ist bei Abgabe eines Johanniskraut-Präparates die Frage nach anderen Medikamenten, sowie bestehenden Vorerkrankungen notwendig. Da die Inhaltsstoffe des Johanniskrautextraktes eine Induktion von Enzymen des CYP P450-Systems hervorrufen, sind eine Vielzahl von pharmakokinetischen Wechselwirkungen möglich. So führt Johanniskrautextrakt zu einer Wirkminderung von Antikoagulanzien vom Cumarintyp, Ciclosporin, Tacrolimus, Digoxin, Indinavir, Imatinib, Amitriptylin und Zytostatika.

Wenn Frauen die Pille zur Verhütung einnehmen, sollten diese vorsorglich auf eine möglicherweise verminderte Wirksamkeit und das Auftreten von Zwischenblutungen hingewiesen werden. Als pharmakodynamische Wechselwirkung ist die von Johanniskrautextrakt und serotonergen Arzneistoffen zu beachten. Hier besteht das Risiko für ein Serotoninsyndrom – dies tritt allerdings dosisabhängig auf und ist sehr selten. Kinder, Schwangere und Stillende sollten Johanniskraut nicht einnehmen, da hier die Datenlage zu gering für eine Empfehlung ist.

Zu beachten ist, dass die unipolare Depression eine schwerwiegende Erkrankung ist, die mit einer hohen Mortalitätsrate verbunden ist. Für mittelschwere bis schwere Verläufe ist Johanniskrautextrakt aus der Selbstmedikation nicht geeignet. Im Beratungsgespräch sollte sorgfältig abgewogen werden, ob dem Patienten mit Johanniskrautextrakt bei leichten Beschwerden geholfen werden kann oder ob doch besser der Arztbesuch angeraten wird.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/19 ab Seite 120.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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