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Politik

JAHRESRÜCKBLICK UND AUSBLICK – TEIL 2

Nicht nur die große Koalition hat im zurückliegenden Jahr im Gesundheitsbereich viel angepackt, auch auf europäischer Ebene wurden weitreichende Änderungen im Arzneimittelrecht auf den Weg gebracht.

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Anders als nationale Verordnungen stehen EU-Verordnungen in der Rechtshierarchie ganz oben. Sie sind unmittelbarer in den Mitgliedstaaten gültig, müssen also nicht in nationales Recht transformiert werden. So veröffentlichte die EU-Kommission im Mai 2014 die neue Verordnung über die Good Clinical Practice (GCP), die mit einer Übergangszeit von zwei Jahren die derzeit bestehenden Vorgaben der EU-GCP-Richtlinie ablöst.

Ziel ist es, die Durchführung grenzüberschreitender klinischer Studien in Europa durch einen gemeinschaftlichen Rahmen zu erleichtern und Europa als Standort attraktiver zu machen. Zentrales Element der Verordnung ist ein neues Antragsverfahren unter Nutzung eines europäischen Portals. Zur Verbesserung der Transparenz müssen Pharmaunternehmen die Ergebnisse aller europäischen klinischen Studien in eine öffentlich zugängliche Datenbank einspeisen.

Für große Aufmerksamkeit in der Presse sorgten Fälschungsfälle in Italien. Unter anderem waren mehrere Chargen des Krebsarzneimittels Herceptin betroffen. Diese Fälle unterstreichen die Bedeutung der Sicherheitsmerkmale, die die EU-Fälschungsrichtlinie zukünftig vorschreibt. Während die Serialisierung jedes einzelnen Arzneimittels dafür sorgt, dass keine gefälschten Packungen über die Apotheke zum Patienten gelangen können, soll durch den Sicherungsverschluss erreicht werden, dass auch der Inhalt nicht ausgetauscht werden kann. Die Konkretisierung der Sicherheitsmerkmale wird gegenwärtig von der Europäischen Kommission im Rahmen eines delegierten Rechtsaktes erarbeitet.

Konkretisiert wurden inzwischen auch die Überlegungen zu Ausnahmeregelungen. Nicht verifizierungspflichtig sollen rezeptpflichtige Arzneimittel mit einem sehr niedrigen Apothekenverkaufspreis sein, sofern es sich nicht um Life-style-Arzneimittel handelt. Homöopathika sind per se ausgenommen.

Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sollen dann verifizierungspflichtig sein, wenn mindestens ein Fälschungsfall in der EU bekannt geworden ist. Allerdings wird die Umsetzung der Maßnahmen noch mindestens drei Jahre Zeit in Anspruch nehmen und die Abgabe von Arzneimitteln ohne Sicherheitsmerkmale soll Apotheken weitere zwei Jahre möglich sein.

Europäische und nationale Rechtsprechung Auch für Fachleute überraschend war die Auslegung des Europäischen Gerichtshofs zum Arzneimittelbegriff. Im konkreten Fall handelte es sich um Kräutermischungen, sogenannte Legal Highs, denen synthetische Cannabionoide hinzugemischt waren. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass die Tatsache, dass ein Stoff die physiologische Funktion des Körpers beeinflusst, nach geltendem Recht nicht ausreicht, um ihn als Arzneimittel einzustufen.

Das Urteil hat weitreichende Folgen, denn der Vertrieb derartiger Stoffe ist somit solange der Strafverfolgung entzogen, bis sie dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt sind. Die 28. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften schloss die Gesetzeslücke (vorerst für weitere 32 neue psychoaktive Substanzen). Doch das Hase- und Igel-Spiel wird bis zu einer (derzeit diskutierten) Stoffgruppenregelung weitergehen …

Der Aufreger Retaxationen waren auch im vergangen Jahr ein ständiges Ärgernis in Apotheken, Einsprüche oft vergeblich. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte im Mai letzten Jahres, dass gesetzliche Krankenkassen Apotheken die Vergütung vollständig verweigern dürfen, wenn sie ihrer Pflicht zum Austausch eines Arzneimittels durch ein günstigeres Rabattprodukt nicht nachkommen.

»Retaxationen waren ein ständiges Ärgernis in Apotheken.«

Dagegen scheint sich in Sachen Retaxationen auf Null wegen formaler Fehler etwas zu bewegen. Mehrere Kassen signalisierten Gesprächsbereitschaft und auch der Gesetzgeber greift mit dem aktuellen GKV-Versorgungsstärkungsgesetz die Thematik auf. Sozialgerichtsurteile ergingen zudem zur Zytostatika-Exklusivversorgung in Hessen.

Nach einer öffentlichen Ausschreibung der AOK Hessen sollten nur noch einige wenige Apotheken berechtigt sein, Zytostatika an Versicherte der Krankenkasse abzugeben, alle anderen wurden retaxiert. Nach zwei (noch nicht rechtskräftigen) Urteilen sind Ausschluss und Nicht-Vergütung unzulässig. Freie Apothekenwahl hat Vorfahrt vor Exklusivvertrag. Zwei Urteile, über die sich nicht nur Versicherte freuen dürfen.

Nationale Arzneimittelregelungen Zudem wurde die Arzneimittelverschreibungsverordnung innerhalb weniger Monate zweimal fortgeschrieben. Die Neuregelungen zur Anerkennung von in EU-Mitgliedstaaten ausgestellten ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten sowie die für Apotheken wichtigen Änderungen zu T-Rezepten, die zu Beginn dieses Jahres in Kraft traten, werden in der nächsten Ausgabe dargestellt.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/15 auf Seite 111.

Dr. Michael Binger, Hessisches Sozialministerium

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