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Politik

JAHRESRÜCKBLICK UND AUSBLICK – TEIL 1

Die große Koalition hat im zurückliegenden Jahr im Gesundheitsbereich viel angepackt: unter anderem zwei Arzneimitteländerungsgesetze, eine Finanzierungsreform, die Pflegereform und ein Versorgungsstärkungsgesetz.

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War vor dem Internetzeitalter die Informationsbeschaffung das Hauptproblem, um immer auf dem Laufenden zu sein, ist dagegen heute die Herausforderung, in der Informationsflut nicht den Überblick zu verlieren. Denn durch den Regierungswechsel hat sich zudem die gesundheitspolitische „Schlagfrequenz“ eher noch beschleunigt.

Sozialgesetzbuch V Um die nahtlose Fortführung des Preismoratoriums für zu Lasten der Krankenkassen abgegebene Arzneimittel sicherzustellen und die Kassen finanziell zu entlasten, trat zum 1. Januar 2014 das 13. SGB V-Änderungsgesetz in Kraft. Das zunächst auf drei Monate befristete Preismoratorium wurde mit dem 14. SGB V-Änderungsgesetz bis Ende 2017 verlängert. Im Gegenzug wurde der Herstellerrabatt für nicht generische Arzneimittel auf sieben Prozent abgesenkt und die Bewertung des Patientennutzens von Bestandsmarktarzneimitteln aufgrund technischer und rechtlicher Probleme eingestellt. Zugleich wurde der Grundstein für eine Austauschverbotsliste durch den Gemeinsamen Bundesausschuss gelegt.

Mitte des vergangenen Jahres wurde das GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz beschlossen. Freuen dürfen sich Kassenmitglieder über die verordnete Absenkung des allgemeinen Beitragssatzes zur gesetzlichen Krankenversicherung zum 1. Januar 2015 von 15,5 Prozent auf 14,6 Prozent. Vorerst zumindest. Arbeitnehmer und Arbeitgeber tragen jeweils die Hälfte. Durch die Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags soll verhindert werden, dass die Lohnzusatzkosten im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung weiter steigen.

Die Freude über den niedrigeren Beitragssatz wird voraussichtlich jedoch nicht lange währen. Denn mittelfristig werden die Einnahmen nicht reichen. Deshalb sieht das Gesetz die Erhebung kassenindividueller, einkommensabhängiger Zusatzbeiträge vor. Und der ist gegebenenfalls vom Arbeitnehmer allein zu schultern.

Die Impfstoffverfügbarkeit soll durch eine gesetzliche Neuregelung verbessert werden, wonach Krankenkassen mindestens mit zwei Herstellern einen Vertrag schließen sollen; ob diese Maßnahme ausreichend, bleibt abzuwarten. Neu ist zudem ein Institut zur Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen, in Anlehnung an das „IQWiG“ kurz „IQTiG“ genannt. Das IQTiG arbeitet im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) an Maßnahmen zur Qualitätssicherung und zur Darstellung der Versorgungsqualität im Gesundheitswesen.

Im September 2014 beschloss der mächtige Gemeinsame Bundesausschuss zudem, welche Arzneimittel in Apotheken nicht durch ein wirkstoffgleiches Produkt ersetzt werden dürfen. Die Details finden sich in der sogenannten Arzneimittel-Richtlinie. In der 1. Tranche der Substitutionsausschlussliste aufgeführt sind Ciclosporin (Lösung zum Einnehmen), Ciclosporin (Weichkapseln), Tacrolimus (Hartkapseln) sowie Betaacetyldigoxin, Digitoxin, Digoxin, Phenytoin, Levothyroxin-Natrium sowie die fixe Kombination mit Kaliumiodid jeweils in der Darreichungsform Tabletten. Die Liste trat am 10. Dezember 2014 in Kraft.

Apothekenabschlag und Nullretaxationen Im Oktober 2014 legte das Bundesgesundheitsministerium den Entwurf eines GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes vor. Mit dem Gesetz soll die Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung weiterentwickelt werden. Das Gesetz soll am 1. August 2015 in Kraft treten. Im Arzneimittelbereich ist vorgesehen, die Wirtschaftlichkeitsprüfungen für verordnete Leistungen in der jetzigen Form aufzuheben und durch regionale Vereinbarungen zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen sowie den kassenärztlichen Vereinigungen zu ersetzen.

Ein weiteres Ansinnen ist die Höhe des Apothekenabschlags bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Fertigarzneimittel gesetzlich vorzuschreiben. Damit möchte der Gesetzgeber zukünftig endlose Verhandlungen (wie in der Vergangenheit geschehen) über die angemessene Höhe des Abschlags vermeiden. Er soll zukünftig 1,77 EUR betragen und im SGB V verankert werden. Eine Abschlagsdynamisierung ist im Entwurf nicht vorgesehen.

Eine weitere wichtige Regelung betrifft Nullretaxationen. Es soll Apothekern und Krankenkassen nun überlassen sein, im Rahmenvertrag zur Arzneimittelversorgung sich darüber zu einigen, in welchen Fällen keine Nullretaxationen mehr vorgenommen werden dürfen. Erwähnenswert sind auch die im Gesetzentwurf vorgesehene Wartezeitverkürzungen für Facharzttermine, die Förderung von Innovationen in der Versorgung und der Versorgungsforschung durch einen Fonds. Eingeführt werden soll zudem eine Nutzenbewertung durch den G-BA von invasiven Medizinprodukten der höchsten Risikoklassen (die es im Arzneimittelbereich für Innovationen schon lange gibt), bevor diese grundsätzlich von der GKV übernommen werden.

Erneuter Anlauf Zudem unternahm das Bundesgesundheitsministerium im vergangenen Jahr einen weiteren Anlauf für ein Präventionsgesetz. Ab 2016 sollen die Krankenkassen jährlich mindestens sieben Euro je Versicherten für Präventionszwecke ausgeben. Auf eine nähere Darstellung der Gesetzesinhalte kann hier verzichtet werden. Denn vergeblich sucht man im Entwurf Apotheken als Ansprechpartner für präventive Beratung und Begleitung der Kunden. Auch die Prävention von Infektionskrankheiten durch Impfstoffe wird mit keiner Silbe im Gesetzentwurf erwähnt.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/15 ab Seite 88.

Dr. Michael Binger, Hessisches Sozialministerium

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