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Unsere Sinne

HÖREN

Wenn eine Schallwelle eine auditive Wahrnehmung auslöst, laufen im Ohr und Gehirn komplexe Prozesse ab. Treten dabei Störungen auf, Schwerhörigkeit kann die Folge sein.

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Laut Deutschem Schwerhörigenbund hört jeder Fünfte nicht gut. Etwas mehr als die Hälfte ist nur leicht betroffen, gut ein Drittel mittelgradig. 7 Prozent sind hochgradig und 1,6 Prozent an Taubheit grenzend schwerhörig.

Das Problem nimmt mit dem Alter zu: Bis zu einem Alter von 50 Jahren leiden weit unter zehn Prozent der Bevölkerung an einer Beeinträchtigung ihres Hörvermögens. Danach steigen die Zahlen deutlich: Zwischen 50 und 60 Jahren hört bereits jeder Vierte schlecht, zwischen 60 und 70 Jahren jeder Dritte und in der Gruppe der über 70-Jährigen mehr als jeder Zweite. Die Ursachen sind so komplex wie das Hören selbst.

Der Weg der Schallwelle Der akustische Reiz trifft in Form von Schallwellen auf das Ohr. Von hier führt der Weg über das Außen-, Mittel- und Innenohr und von dort über den Hörnerv ins Gehirn. Das Außenohr besteht aus der Ohrmuschel als Schallauffangapparat und dem äußeren Gehörgang, durch den der Schall gebündelt und zum Trommelfell geleitet wird. Dieses bildet zusammen mit Hammer, Amboss und Steigbügel das Mittelohr. Die Schallwellen regen das Trommelfell zu Schwingungen an, welche wiederum über die drei Gehörknöchelchen verstärkt und ans Innenohr übertragen werden.

Hier wird es kompliziert: Das Innenohr besteht aus der Cochlea und den Bogengängen, wobei die Cochlea für das Hören zuständig ist und die Bogengänge dem Gleichgewichtssinn dienen. Die Cochlea ist mit Flüssigkeit gefüllt, die durch die Schwingungen in eine Wellenbewegung versetzt wird. In die Flüssigkeit hinein ragen die Haare von Sinneszellen, die durch die Wellenbewegung der Flüssigkeit umgebogen werden.

Je nachdem, wie stark sie umgebogen werden, senden sie unterschiedlich viele Nervenimpulse über den Hörnerv ans Gehirn. Die Sinneszellen, die am Eingang der Cochlea lokalisiert sind, reagieren dabei auf hohe Frequenzen, während die Zellen, die sich am Ende befinden, durch niedrige Frequenzen aktiviert werden. Über den Hörnerv werden die Signale zunächst in den Hirnstamm geleitet und von dort aus an weitere Zentren im Gehirn, wo unterschiedliche Aspekte des Schalls verarbeitet und schließlich zu einer Hörwahrnehmung zusammengeführt werden.

Vielfältige Fehlerquellen So lang und komplex der Weg von der Schallwelle zum gehörten Ton, so unterschiedlich die Ursachen für eine Beeinträchtigung des Hörens: Grundsätzlich wird zwischen Schallleitungs- und Schallempfindungsschwerhörigkeit unterschieden. Von ersterer spricht man, wenn die Schallleitung im Außen- oder Mittelohr gestört ist – dies ist bei etwa 20 Prozent aller Schwerhörigen der Fall. Entsprechend liegt das Problem bei einer Schallempfindungsschwerhörigkeit irgendwo im Innenohr oder im Bereich des Hörnervs. Von ihr ist mit 80 Prozent die überwiegende Mehrheit aller Schwerhörigen betroffen.

Die Schallleitung ist dann beeinträchtigt, wenn Hindernisse den Weg der Schallwellen durch Außenund Mittelohr blockieren. Im Gehörgang geschieht dies typischerweise durch einen Ohrenschmalzpfropf oder einen Fremdkörper. Diese zu entfernen ist Sache eines Hals-Nasen- Ohrenarztes. Keinesfalls sollte man selbst versuchen, das Problem etwa mit einem langen oder gar spitzen Gegenstand zu lösen, da die Verletzungsgefahr zu groß ist.

EINGESCHRÄNKTE SCHALLEMPFINDUNG
Diese Ursache für Schwerhörigkeit lässt sich in akute und chronische Formen unterteilen. Der häufigste Grund für erstere ist der Hörsturz, außerdem kann sie von Infektionen, Knalltraumata der Verletzungen verursacht werden und zudem als Nebenwirkung von Medikamenten auftreten. Bei den chronischen Formen der Schallempfindungsschwerhörigkeit führt die Alters- vor der Lärmschwerhörigkeit. Weitere mögliche Ursachen für eine chronische Beeinträchtigung sind Tumoren, Erkrankungen der Hörnerven, andere chronische Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus), Gefäßverengungen, Störungen in Gehirn, die etwa durch Hirntumore oder Schlaganfälle verursacht werden, sowie Störungen, die von der Halswirbelsäule ausgehen. Schließlich können eine Schallleitungs- und eine Schallempfindungsschwerhörigkeit auch kombiniert vorkommen.

Eine weitere Ursache für eine Schallleitungsschwerhörigkeit stellt die Otosklerose dar, bei der es zu einer Verknöcherung des Übergangs zwischen Außen- und Mittelohr kommt. Hier kann eine Operation nötig werden. Auch Exostosen – Wucherungen des Knochens des Gehörgangs – können die Schallleitung stören. Sie können von Entzündungen begleitet sein und kommen bei Schwimmern gehäuft vor.

In Zukunft mehr Schwerhörige Aufgrund des demografischen Wandels werden in den kommenden Jahren immer mehr Menschen von der Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis) betroffen sein. Sie wird durch Abnutzungs- und Verschleißerscheinungen verursacht, die zunächst vor allem dazu führen, dass Betroffene hohe Frequenzen schlechter hören. Dies hat seine Ursache darin, dass die Sinneszellen, die für die Übertragung der hohen Frequenzen verantwortlich sind, am Eingang der Cochlea sitzen und somit einer stärkeren Beanspruchung ausgesetzt sind.

Aber auch Hörnerv und -zentrum sowie die Strukturen des Mittelohrs funktionieren im Alter nicht mehr optimal. So nimmt das Hörvermögen insgesamt ab. Eine Untersuchung bei Naturvölkern im Sudan hatte ergeben, dass die Menschen dort bis ins hohe Alter unverändert gut hören. Deshalb vermuten manche Forscher, dass ein großer Teil der Schwerhörigkeit im Alter bei uns vor allem auf die Lärmbelastung in unserer Umwelt und weniger auf Alterungsprozesse zurückzuführen ist.

Der Krach, dem wir täglich ausgesetzt sind, ist beträchtlich. Die Lärmschwerhörigkeit ist die in Deutschland am häufigsten anerkannte Berufskrankheit. Da vor allem in der Bau- und in der Metallbranche die Lärmpegel am Arbeitsplatz hoch sind, sind die meisten Betroffenen Männer; hier gingen die Zahlen in den letzten Jahren leicht zurück. Aber auch in der Freizeit setzen wir uns mitunter freiwillig starkem Lärm aus, und manchen Formen wie etwa Verkehrslärm, kann man nicht entgehen.

Ärzte sorgen sich besonders um das Gehör von Jugendlichen, die häufig über mehrere Stunden täglich und mit hoher Lautstärke Musik hören, dazu kommen Disko- und Konzertbesuche mit extremen Lärmpegeln. Das Robert Koch-Institut geht davon aus, dass durch die zunehmende Belastung in Freizeit und Beruf die Zahl der Hörgeschädigten in Deutschland weiter steigen wird.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/14 ab Seite 102.

Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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