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Neue Serie: Viren & Bakterien – Teil 3

HOCH KONTAGIÖS

Die oft als Erreger einer Kinderkrankheit verharmlosten Masernviren infizieren auch Erwachsene, was dann – aber nicht nur dann! – zu besonders schweren Verläufen führen kann.

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Eigentlich sollten die Masern bis 2015 ausgerottet sein. Eine Elimination der Erkrankung ist prinzipiell möglich, da infizierte Menschen das einzige Reservoir des Virus sind. Der Pool hat jedoch so lange Bestand, wie es genügend nicht-immune Individuen gibt, die es dem Virus erlauben, zu zirkulieren.

Größere Impflücken, vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, führen dazu, dass es bei uns immer wieder Ausbrüche der Erkrankung gibt – so wie in den letzten Wochen. Einen bedrohlichen Verlauf nimmt die Infektion oft in Populationen, die ohnehin unter gesundheitlich schwierigsten Bedingungen leben, wie dies in wirtschaftlich schwachen Weltregionen der Fall ist.

Auf Menschen spezialisiert Das Masernvirus ist hoch ansteckend: Bis zu 98 Prozent der Exponierten infizieren sich, auch bei nur kurzem Kontakt. Ansteckungsfähig sind Betroffene bereits etwa fünf Tage vor Auftreten des Exanthems und bis zu vier Tage danach. Der Erreger wird nur vom Menschen auf andere Menschen übertragen, durch Tröpfcheninfektion oder direkten Kontakt mit Absonderungen aus Nase oder Rachen. Die Oberflächenproteine auf der äußeren Hülle des Virus ermöglichen ihm, an die Zellmembran der Zielzelle anzudocken. Dort induziert es die Bildung von Poren in der Zellmembran und nutzt diese zum Eintritt in die Zelle.

Die Viren schädigen zunächst die Epithelzellen des Respirationstrakts und vermehren sich dort. Nach einer Inkubationszeit von circa acht bis zehn Tagen kommt es zur Entzündung der Schleimhäute mit Nasen-/Rachen-Symptomen, hohem Fieber, Bindehautentzündung . Die Erreger breiten sich über Bronchien und Blutbahn aus und gelangen so in die verschiedensten Organe. Nach einigen Tagen erscheint der bräunlich-rosafarbene fleckige Hautausschlag.

Dieses Exanthem fällt schwächer und damit weniger charakteristisch aus bei Säuglingen, die noch mütterliche Antikörper haben oder bei einer nicht voll ausgebildeten Impfimmunität; die Betroffenen können aber dennoch ansteckend sein. Ebenfalls atypisch verlaufen die Masern bei immungeschwächten Personen, die trotz weniger auffälliger äußerer Anzeichen schwere Organkomplikationen davontragen können.

Weit mehr als Fieber und Hautknötchen Da die Viren im Blut insbesondere Zellen und Funktionen zerstören oder beeinträchtigen, die für die Abwehr wesentlich sind, leiden die Patienten für mehrere Wochen an einer Schwächung des Immunsystems. Damit ist bakteriellen Superinfektionen (zum Beispiel Pneumonien, Mittelohrentzündungen) der Weg bereitet. Selten kommt es im Anschluss an die Erkrankung durch immunologische Reaktionen zu einer gefährlichen akuten Gehirnentzündung.

AKTUELL
Auch das von Ebola heimgesuchte Westafrika ist inzwischen wegen des Zusammenbruchs der medizinischen Versorgung von einer Masern-Epidemie bedroht, die unter Umständen sogar noch mehr Todesopfer fordern könnte als die gerade erst wütende Seuche. Denn Unterernährung und Vitamin- A-Mangel begünstigen besonders schwere, oft letale Verläufe.

Besonders tückisch ist die sehr seltene, aber nahezu immer tödlich verlaufende subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE). Diese Entzündung des Gehirns tritt sehr lange nach einer überstandenen Maserninfektion auf, meist nach sechs oder sieben Jahren, und schreitet langsam fort, mit zunehmenden mentalen Veränderungen, neurologischen Ausfällen, epileptischen Anfällen und weiteren Störungen.

Nach heutiger Kenntnis ist diese Spätkomplikation nach Infektion im Kleinkindesalter offenbar häufiger als ursprünglich gedacht. Vor allem, wenn Säuglinge sich im ersten Lebensjahr anstecken – also ausgerechnet in der Zeit, zu der sie noch nicht geimpft werden können – könnte das Risiko bei mindestens einem Fall auf rund dreitausend Masernerkrankte liegen. Man vermutet, dass das unreife Immunsystem den Viren beim Übertritt in das Gehirn noch zu wenig entgegensetzen kann.

Einzige Präventionsoption: Impfen Wie der Mumps-Erreger gehört auch das Masernvirus zur Familie der Paramyxoviren. Gegenüber Umwelteinflüssen ist das Virus äußerst empfindlich: Hohen Temperaturen, vielen Desinfektionsmitteln sowie auch fettlösenden Stoffen hält es nicht stand. Eine spezifische antivirale Therapie gegen die Masern gibt es allerdings nicht. Die Anzucht des Erregers in Zellkultur ist erstmals Mitte des letzten Jahrhunderts gelungen. Nun steht seit über 40 Jahren eine Vakzine zur Verfügung.

Die zweimalige Impfung mit dem abgeschwächten Virus (Lebendimpfstoff) erzeugt bei circa 95 Prozent der Geimpften ebenso wie eine überstandene Infektion lebenslange Immunität. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Antigene des Masernvirus – also die Zusammensetzung der an seiner Oberfläche befindlichen Glykoproteine – langfristig unverändert bleiben. Die Abwehrstrategien gegen das Virus, die das Immunsystem einmal „gelernt“ hat, greifen daher auch beim nächsten „Angriff“ wieder.

Teil 1 der Serie finden Sie hier, zu Teil 2 kommen Sie hier.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/15 ab Seite 116.

Waldtraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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