Filmklappe © Fernando Gregory / 123rf.com
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Kino – Schon gesehen?

HIN UND WEG

Regisseur Christian Zübert wagt sich aktuell an das brisante Thema der Sterbehilfe. Ein an ALS erkrankter Patient reist mit seinen Freunden nach Belgien, um dort eine tödliche Giftspritze zu erhalten.

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Was tut man, wenn man nur noch eine kurze Zeit zu leben hat? Am besten plant man mit seinen Freunden eine Fahrradtour – und so macht sich die Clique, bestehend aus Hannes , Kiki (Julia Koschitz), Mareike (Victoria Mayer), Dominik (Johannes Allmayer), Michael (Jürgen Vogel) und Hannes Bruder Finn (Volker Bruch) auf den Weg nach Belgien.

Ausgerechnet Belgien wundern sich die Freunde über Hannes Vorschlag und ahnen nicht, dass es sich um seine letzte Reise handeln wird. Denn Hannes leidet unter Amyotropher Lateralsklerose (ALS), einer unheilbaren Erkrankung des zentralen Nervensystems, die nach und nach zur Lähmung aller Muskelgruppen und letztlich zu einem qualvollen Erstickungstod führt. Den Tod seines Vaters, von dem er das Leiden erbte, erlebte Hannes bereits mit.

Zu Beginn der Tour weiß die Gruppe noch nichts von der unheilbaren Krankheit ihres Freundes und scherzt über das Ausflugsziel: Belgien – dort, wo Pralinen und Jean-Claude van Damme zu den Highlights gehören. Dass in Ostende schon ein Arzt mit einer Giftspritze auf Hannes wartet, kommt ihnen selbstverständlich nicht in den Sinn. Denn Hannes möchte hier Sterbehilfe erhalten, um selbst zu bestimmen, wann und wie sein Leben zu Ende geht. Lediglich Hannes Frau Kiki sowie seine Mutter (Hannelore Elsner), bei der die Gruppe einen Zwischenstopp einlegt, sind eingeweiht.

Als die Freunde während des Besuchs durch die aufkommenden Tränen dann doch den wahren Grund der Reise erfahren, sind sie geschockt und hilflos. Besonders seinem Bruder Finn macht die Situation schwer zu schaffen. Die Clique kann Hannes zunächst nicht verstehen und rebelliert gegen seine Entscheidung, sodass die Fahrt zum Desaster zu werden droht. Dennoch setzen alle Beteiligten gemeinsam die Tour fort und finden sich langsam mit der Entscheidung ihres totkranken Freundes ab.

Trotz des belastenden Themas entwickelt sich der Ausflug zu einem einzigartigen Erlebnis, denn Hannes Freunden wird bewusst, wie kostbar das Leben ist. Sie vertreiben sich die Zeit, indem jeder eine geheime Aufgabe erhält, die während der Tour erfüllt werden muss. Und alle stellen sich ihrer Mutprobe, begleitet von den ständigen Gedanken an die Endgültigkeit der Situation. Im Verlauf der Tour wird Hannes schwächer, sodass seine Mutter die Gruppe das letzte Stück mit dem Auto fährt.

Als die Freunde schließlich in Belgien ankommen, erhalten sie die Nachricht, dass der Arzt, welcher die Sterbehilfe durchführen sollte, nun selbst tot ist – und sie schöpfen Hoffnung. Doch trotz dieser Verzögerung bleibt Hannes bis zum Schluss bei seiner Entscheidung, aufgrund seiner Erkrankung aus dem Leben zu scheiden.

Amyotrophe Lateralsklerose ALS beschreibt eine degenerative Erkrankung des zentralen und peripheren Nervensystems, bei der die sogenannten Motoneuronen zerstört werden. Man unterscheidet zwei Arten dieser Nervenzellen: Nervenfasern, die Reize von der Hirnrinde an das zweite Motoneuron weiterleiten, oder solche, die Impulse an die Skelettmuskulatur weitergeben.

Spastische Lähmungen mit erhöhter Muskelspannung und Reflexen sind die Folge einer Störung des ersten Motoneurons. Ist die zweite motorische Nervenfaser beeinträchtigt, leidet der Patient unter einer atrophischen Lähmung sowie unter Muskelschwund. Menschen mit ALS sind obendrein von Faszikulationen (unwillkürliche Bewegungen sehr kleiner Muskelgruppen) und schmerzhaften Muskelkrämpfen betroffen.

Auch Sprech-, Schluck-, Koordinations- und Gangstörungen gehören zu den typischen Beschwerden der Erkrankung, manchmal lacht oder weint die Person grundlos. Wegen der zahlreichen Symptome sind der Alltag sowie die Lebensqualität enorm eingeschränkt. Im fortgeschrittenen Stadium sind auch die Atemmuskulatur und die Lungenfunktion gestört, sodass eine starke Luftnot auftritt und der Patient Beatmungsmaßnahmen benötigt. Meist ist der Erkrankte anfällig für Atemweginfekte, was zur Folge hat, dass sich die Lungenfunktion nochmals verschlechtert. Die sogenannte respiratorische Insuffizienz ist letztlich die Hauptursache der begrenzten Lebenserwartung.

Der gewünschte Tod Als Sterbehilfe bezeichnet man die Hilfe beim Sterben bis hin zur aktiven Tötung sterbender oder schwerstkranker Personen. Man unterscheidet verschiedene Arten: Die aktive Sterbehilfe ist die gezielte Herbeiführung des Todes durch Handeln aufgrund eines tatsächlichen oder mutmaßlichen Wunsches eines Menschen. Oft erfolgt sie durch die Gabe einer Überdosis von Schmerz-, Beruhigungs- oder Narkosemitteln. Ein Unterlassen medizinischer Eingriffe auf der Grundlage einer vom Betroffenen verfassten Patientenverfügung oder einer sonstigen beachtenswerten Willensäußerung ist hingegen nach allgemeiner juristischer Auffassung keine aktive, sondern eine passive Sterbehilfe.

ÜBERBLICK
In unserer Serie „Kino – Schon gesehen?“ stellen wir Ihnen demnächst folgende verfilmte Krankheitsthemen vor:
+ Reine Nervensache (Panikattacken)
+ My Girl (Bienenstich)
+ Mein Leben ohne mich (Eierstockkrebs)
+ Fleisch (Organspende)
+ Anschlag auf den Präsidenten (Ebola)
+ Grüne Tomaten (Krebs oder Wechseljahre)
+ Medicus (Pest)
+ Freundinnen (Kardiomyopathie)
+ Contagion (Viruserkrankungen wie Sars)
+ Beim Leben meiner Schwester (Leukämie)
+ The Bay (Endoparasitenplage)
+ Million Dollar Baby (Querschnittslähmung)
+ Wenn der Wind weht (Strahlenkrankheit)

Verabreicht man dem Patienten Medikamente mit Nebenwirkungen, welche den Zeitpunkt des Todeseintritts beschleunigen, spricht man von indirekter Sterbehilfe. Oft ereignet sie sich in Krankenhäusern, wenn Betroffene beispielsweise im Endstadium einer Krebserkrankung Morphin erhalten. Beim assistierten Suizid stellt eine Person dem Sterbenden ein Mittel zur Selbsttötung bereit, den letzten Schritt begeht der Suizident jedoch selbstständig.

Unterschiedliche Regelungen In Europa ist Sterbehilfe in den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und der Schweiz in unterschiedlichem Ausmaß legal. Auch in Deutschland, wo die aktive Sterbehilfe als ethisch umstritten gilt, wird das Thema diskutiert. Im November letzten Jahres hat der Bundestag ausführlich darüber beraten und sich ein Bild über die verschiedenen Positionen zur organisierten Sterbehilfe gemacht. Auch wenn die Differenzen quer durch alle Fraktionen gingen, in dem Punkt, die Palliativmedizin zu verbessern, war man sich einig. Die Frage, ob und wie man Sterbehilfe neu regeln muss, soll in diesem Jahr entschieden werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/15 ab Seite 108.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

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