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Welch ein Name!

HIMMELSARZNEI

Der Theriak ist nicht nur eine wilde Mischung, die Arznei ist auch sehr alt. Erfunden in der Antike, verwendete man ihn im Mittelalter als Universalmittel gegen allerlei Krankheiten.

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Noch heute findet man ihn als Rezepturbestandteil in der Volksmedizin und auch in der Originalrezeptur des „Schwedenbitters“ von Maria Treben steht der „theriak venezian“. Doch was macht dieses uralte Arzneimittel aus; worauf beruht seine sagenumwobene Heilwirkung? Und warum nennt man ihn auch „Königin der Arzneien“?

Vorab: Den Theriak gibt es nicht; die pastöse Zubereitung – im Aussehen Rübensirup nicht unähnlich – enthielt und enthält mannigfaltige Bestandteile. Sein Name kommt vom griechischen „theriakos“ und heißt übersetzt „Arznei gegen Gift“. Ein Antidot also?

Magenmittel als Gegengift In der Tat versuchte man den Biss einer Giftschlange mit einer Mischung aus Anis, Fenchel und Kümmel zu behandeln. Das Rezept, erstmals „Theriak“ genannt, fand sich eingemeißelt in der Mauer des Asklepios von Kos, und um 170 vor Christus wurde es erstmals schriftlich in den Niederlegungen eines griechischen Arztes erwähnt.

Fortan musste die Rezeptur herhalten für alle möglichen Mixturen: Bis zu 50 verschiedene Substanzen sammelten sich in der Latwerge genannten Zubereitung. Enthalten waren kostbare Balsame, Gewürze und nicht zuletzt – Opium. Das hatte zur Folge, dass, je nach Anteil des Schlafmohn-Saftes – der Theriak eine ganz erstaunliche Wirkung zeigte.

Die Menschen glaubten bald, die schwärzliche Mixtur helfe gegen Schmerzen, Infektions- und Herzkrankheiten sowie Vergiftungen. Seinen Ursprung als Antidot gegen Schlangenbisse untermauerte man gern dadurch, dass das Fleisch getrockneter Vipern hinzugefügt wurde; lange Zeit galt dies als Grundbestandteil des „echten“ Theriaks.

THERIAK-REZEPT AUS MEYERS KONVERSATIONSLEXIKON VON 1897
+ 1 Teil Opium
+ 6 Teile Angelikawurzel
+ 4 Teile Schlangenwurzel
+ 2 Teile Baldrianwurzel
+ 2 Teile Meerzwiebel
+ 2 Teile Zitwerwurzel
+ 9 Teile Zimt
+ 1 Teil Kardamom
+ 1 Teil Myrrhe
+ 1 Teil Eisenvitriol
+ 3 Teile Wein
+ 72 Teile Honig


„Schuld“ daran ist der Leibarzt des römischen Kaisers Nero, der, nicht ganz unbegründet, zeitlebens Angst vor einem Giftmord hatte und die Arznei sozusagen zur Vorbeugung einnahm. Der griechische Arzt Galen wiederum, Namensgeber der Galenik, lässt ihn mit ungefähr 70 Zutaten in seinem Werk „De Antidotis“ auftreten. Kein Wunder, dass der Theriak als „Himmelsarznei“ bezeichnet wurde, sollte es doch gegen Syphilis, Cholera und Pest helfen.

BTM im Theriak Was eine PTA heute aus dem Tresor mit den Betäubungsmitteln nehmen muss – nämlich die Opium-Tinktur – fand sich im Theriak in rauen Mengen. Opium war überhaupt eine beliebte Zutat im Reigen der rezeptfreien Medikamente und Bestandteil zahlreicher „Stärkungsmittel“, bevor es eine wirksame Arzeimittelprüfung der Behörden gab.

Und weil Opium und Vipernfleisch teuer waren, wurde es liebend gern gefälscht – und dann von Badern und Wunderheilern teuer verkauft. Man ersann Abhilfe. Um den guten Ruf des Arzneimittels zu erhalten, bediente man sich eines anderen guten Rufes: dem der Apotheken. Unter ärztlicher Aufsicht wurde der Theriak ab dem 16. Jahrhundert dort hergestellt und verkauft.

Ein besonderes Gütesiegel erhielt die Zubereitung aus dem Stadtstaat Venedig. Der Theriac Venezian wurde in einem mehrtägigen, öffentlichen Spektakel gleich einer Zeremonie hergestellt und trug nicht unwesentlich zum Ruhm dieser Stadt bei. Weitere Zentren der Theriak-Herstellung lagen in Nürnberg und Amsterdam. Jahrhundertlang war er der unangefochtene Star am Medizinhimmel – eben der „Himmlische Theriak“ (Theriaca Coelestis).

Dennoch kann kein Standard-Rezept für die beliebte Mixtur angegeben werden; nur Opium enthielt es eigentlich immer. Die Zutatenliste schwoll bis auf 300 an; leisten konnten sich das Wundergebräu jetzt nur noch die Reichen. Ärmere Leute griffen bald auf den Knoblauch in mannigfaltigen Zubereitungen zurück und der erhielt deshalb auch den Namen „Bauerntheriak“.

Placebo-Klassiker Im Zeitalter der modernen Arzneien ist der Theriak in Vergessenheit geraten. Dennoch findet sich noch in Meyers Konversationslexikon von 1897 ein altes Rezept. Typisch sind dabei Opium, Schlangenwurzel, Meerzwiebel und Eisenvitriol. Auch die Originalrezeptur des Kleinen Schwedenbitters kennt noch, wie oben erwähnt, den venezianischen Theriak. Selbst ein großer Hersteller von Rezeptursubstanzen für Apotheken bietet heute noch eine Kräutermischung namens „Theriak“ an, in der die Angelikawurzel dominiert, aber kein Vipernfleisch vorkommt.

So finden sich, gleichsam als Nachhall zur großen Vergangenheit der historischen Rezeptur, immer noch „Originalrezepturen“ in esoterischen Foren. Man rechnet die teilweise Wirksamkeit der Tinkturen dem Placebo-Effekt zu, denn klinische Studien gibt es dazu nicht. Theriak ist nicht als Arzneimittel zugelassen, und Opium findet sich in seinen heutigen Zubereitungen auch nicht mehr. Doch all das hat seiner Beliebtheit mancherorts keinen Abbruch getan.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/15 ab Seite 96.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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