© bogdan hoda / 123rf.com

PKA-Fortbildung 11 - 12/2014

HILFSMITTEL

Ein wichtiges Sortiment in der Apotheke sind Hilfsmittel, aber auch der „Dschungel“ in der Apothekenwelt. Jede PKA kann sich hier wertvolles Wissen aneignen, was von der Leitung sehr geschätzt wird.

Seite 1/1 6 Minuten

Seite 1/1 6 Minuten

Wenn ein Patient mit einem Hilfsmittelrezept kommt, wird in manchen Apotheken schon mit den Augen gerollt. Das bedeutet in der Regel „Arbeit“ und einen höheren Zeitaufwand. Und dann diese leidige Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen ! Laut einer Umfrage verzichtet fast jede fünfte bis sechste Apotheke mittlerweile gerne auf die Hilfsmittelbelieferung. Da der Hilfsmittelbedarf allein aufgrund des vorhandenen demografischen Faktors jedoch zwangsläufig deutlich steigen wird, sollte sich keine Apotheke freiwillig dieses mit Umsatzsteigerung verbundene Potenzial entgehen lassen. Erhalten Sie deshalb im Folgenden ein paar Tipps, um sich das Leben mit dem Hilfsmittelsortiment zu erleichtern.

Ticket zur Hilfsmittelversorgung Seit 2011 ist die „Präqualifizierung“ die notwendige Eintrittskarte zu weiten Teilen der Hilfsmittelversorgung. Der GKV-Spitzenverband und die Spitzenorganisationen der Leistungserbringer (Sanitätshaus, Apotheke etc.) haben auf Bundesebene vertraglich geregelt, dass eine Eignung zur Hilfsmittelversorgung nachgewiesen sein muss. Das Prozedere dafür wurde im Sozialgesetzbuch festgeschrieben (§ 126 Abs 1a Satz 3 SGB V).

Die Prüfung auf Eignung erfolgt auf Antrag vorgelagert und vertragsunabhängig durch eine unabhängige, neutrale Präqualifizierungsstelle. Für spezielle Hilfsmittelproduktgruppen, also bestimmte Versorgungsbereiche, ist ein besonderer Eignungsnachweis erforderlich. Dies gilt auch schon für das Anmessen von Kompressionsstrümpfen. Nach einem positiven Entscheid erhält die Apotheke eine Bestätigung (Zertifikat), welche(s) von allen Krankenkassen anzuerkennen ist und für jeweils fünf Jahre gilt. Um an der Hilfsmittelversorgung teilnehmen zu können, muss die Apotheke neben dieser Präqualifizierungsbestätigung allerdings noch zusätzlich über einen Liefervertrag mit der jeweiligen Krankenkasse verfügen.

Überblick behalten Da laufend Verträge – häufig seitens der jeweiligen Krankenkasse, manchmal auch seitens des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) oder eines zu- Kein Tabu! ständigen Landesverbandes (LAV) – gekündigt werden und laufend Neuerungen in der Versorgung eintreten, ist es für die Apotheke zunächst einmal schwierig, hier den Überblick zu behalten. Da die Krux mit der Hilfsmittelbelieferung bekannt ist, haben sich verschiedene Anbieter (Rechenzentren, Softwarehäuser, Deutscher Apothekerverband etc.) mittlerweile der Thematik angenommen und bieten Hilfestellung durch eigens entwickelte Hilfsmitteldatenbanken.

Ziel dieser Datenbanken ist es, dass die jeweilige Apotheke alle möglichen Verträge direkt einsehen kann, per einfachem Mausklick dokumentiert, welchen Verträgen sie selbst beigetreten ist und zudem sofort sieht, zu welchen Konditionen hierbei mit der jeweiligen GKV abgerechnet werden kann. So wird auch unmittelbar angezeigt, ob ein Kostenvoranschlag erforderlich ist oder eine spezielle Präqualifzierungsqualifikation vorzuliegen hat. Ebenso wird dargestellt, ob eine Abrechnungsposition oder die Hilfsmittelnummer aufs Rezept gedruckt werden muss.

Vereinfachte Genehmigungspflicht Viele GKV verlangen speziell für höherpreisige Hilfsmittel ab einer bestimmten Summe eine Einzelgenehmigung. Auch dies wird sofort, wenn eine Hilfsmittelvertragsdatenbank genutzt wird, angezeigt. Ansonsten muss es in den einzelnen Verträgen nachgeschlagen werden. Statt per Brief oder Fax Kostenvoranschläge für genehmigungspflichtige Hilfsmittel an die jeweilige GKV zu stellen, bietet sich das elektronische Kostenvoranschlagsverfahren an.

Vorteil – neben der Reduzierung von Verwaltungs-, Papier- und Portokosten – ist, dass Leistungsentscheidungen dabei oftmals innerhalb weniger Minuten durch die Krankenkasse erfolgen, sodass der Versicherte ohne zeitliche Verzögerung schneller mit den erforderlichen Hilfsmitteln versorgt werden kann. Auch reichen bei der Abrechnung auf der Verordnung die Empfangsbestätigung mit Angabe der Genehmigungsnummer und des -datums aus. Die Vorlage des genehmigten Kostenvoranschlages entfällt.

Mittlerweile nutzt ein Großteil aller Krankenkassen für das elektronische Kostenvoranschlagsverfahren die Internetplattform www.mip-evk.de (MIP Hilfsmittel Management). Die Übermittlung erfolgt hier entweder über die Online-Plattform im MIP-Hilfsmittel Management oder direkt aus der lokalen Branchensoftware über die MIP-Hilfsmittel-Management-Schnittstelle. Letzteres bietet den weiteren Vorteil, dass die Information über Genehmigung, Ablehnung oder Änderung des Kostenvoranschlages direkt in die genutzte Branchensoftware übertragen wird.

ABRECHNUNG
Der Versicherte oder seine Angehörigen, die zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel nach § 40 SGB XI holen, haben deren Erhalt auf dem Lieferschein mit genauer Bezeichnung, Anzahl und Preis (am einfachsten wird Anlage 2 des Vertrages genutzt) zu bestätigen. Dieser Lieferschein plus eine Kopie der Kostenübernahmezusage sind von der Apotheke dann zur Rechnungslegung – in der Regel erfolgt dies wie bei den übrigen Rezeptformblättern über ein Abrechnungszentrum – einzureichen. Über den Betrag von 31 Euro hinausgehende Kosten hat der Versicherte selbst zu tragen. Ambulante Pflegedienste dürfen diese Regelung nicht nutzen, sie ist allein für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen bestimmt.

Die MIP-eKV-Schnittstelle erspart so die doppelte Erfassung der Daten und der Datenbestand wird automatisch um die notwendigen Daten für die Abrechnung, etwa die Genehmigungsnummer ergänzt. All dies zusammen führt zu einer deutlichen betriebswirtschaftlichen Optimierung der Verwaltungsabläufe – und erspart die „Angst“ vorm Hilfsmittel.

Das Hilfsmittelverzeichnis Ansonsten gilt: Hilfsmittel sind auch im ABDATA-Sondermodul Artikelstamm Plus V hinterlegt, allerdings ohne die Selektivverträge, an denen die Landesapothekerverbände nicht beteiligt sind. Und eine gute praktische Unterstützung im Apothekenalltag bietet die kostenfreie Datenbank REHADAT, zu finden im Internet unter „www.rehadat.de/gkv3/Gkv.KHS“.

Die Suche in REHADAT kann vergleichsweise einfach über die Hilfsmittelpositionsnummer, die Produktbezeichnung, aber auch über den Hersteller erfolgen. Denn zur Qualitätssicherung und als Voraussetzung für die Erstattung, müssen Hilfsmittel nach §139 SGB V (Anforderungen an das Hilfsmittel) in ein Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen und mit einer zehnstelligen Hilfsmittelpositionsnummer (Hi-Mi-Nr.) versehen sein. Die ersten sieben Ziffern sind relevant für die Verordnung. Sie bezeichnen die Produktgruppe, etwa Inkontinenzhilfen, den Anwendungsort, beispielsweise Harn-/Verdauungsorgane, die Untergruppe, zum Beispiel saugende Inkontinenzhosen, sowie die Produktart, etwa Inkontinenzhosen, Größe 2. Die letzten drei Ziffern stehen jeweils für die Firma, letztlich bezeichnen sie damit einen ganz bestimmten Artikel.

In der REHADAT-Datenbank sind alle Hilfsmittel, welche die Leistungspflicht der GKV umfassen aufgeführt, Detailinformationen zum Produkt (inklusive technischer Beschreibung), vielfach auch Bildmaterial zum Produkt sowie – falls der GKV-Spitzenverband oder einzelne Krankenkassen nur Festbeträge zahlen, und damit die Leistungspflicht preislich begrenzen – diese Festbeträge für Produkte und Produktgruppen enthalten. Wird bei der Versorgung eines Versicherten der Festbetrag überschritten, so hat dieser den Mehrbetrag selbst zu zahlen.

Festbeträge sind bei den Hilfsmitteln für Produktgruppen festgelegt. In einer Gruppe sind dabei „funktionsgleiche“ Produkte mit einer mehr oder weniger großen Auswahl unterschiedlicher Hersteller und Preiskategorien gelistet. Es bietet sich auch bei REHADAT die Möglichkeit, auf Kassenrezept belieferbare Produkte anzeigen zu lassen und bei Bedarf günstigere und unter Umständen mehrkostenfreie Alternativen für den Patienten heraus zu suchen. Eine genaue Anleitung zur Suche ist auf der REHADAT-Datenbankseite unter „Hilfe“ zu finden, am konkreten Beispiel „Die richtigen Inkontinenzhosen“ auch bei „pharma4u“ unter www.pharma4u.de/apotheker/berufspraxis/hilfsmittel/ .

Kritisch ist sicherlich zu sehen, dass gerade bei der häufig vorkommenden Inkontinenzversorgung die von den Kassen monatlich pro Patient gezahlten Pauschalen – je nach Liefervertrag regional etwas unterschiedlich – vielfach nur noch im Bereich von 20 Euro liegen. Eine wirtschaftliche Abgabe und Kontrolle ausreichender Versorgung des Versicherten durch den Leistungserbringer Apotheke ist bei einem solchen Dumping-Preis – der Lieferung frei Haus, auf Wunsch in neutraler Verpackung, sämtliche administrative Tätigkeiten, telefonische und persönliche Beratung auch in der Häuslichkeit des Versicherten umfassen soll – kaum noch möglich.

Nicht vergessen werden darf auf der Rückseite des Rezeptes die Empfangsbestätigung des Versicherten oder eines von diesem beauftragten Empfangsberechtigten. Und gemäß Hilfsmittelrichtlinie sind die Ärzte verpflichtet die Diagnose auf dem Rezept zu notieren. Fehlen diese Angaben verweigern die GKVen regelmäßig die Zahlung.

ZUSATZINFORMATIONEN
Pflegehilfsmittel
Eine Besonderheit in der Abrechnung bieten Pflegehilfsmittel. Produkte für die Altenpflege sind schon jetzt ein wichtiger Bestandteil in der Apotheke. Mit Zunahme der Pflegebedürftigen aufgrund des demographischen Faktors gewinnt dieses Feld jedoch weiter an Bedeutung. Unterschieden wird in allgemeine, technische und Pflegehilfsmittel zum Verbrauch. Die gesetzliche Pflegeversicherung übernimmt die Kosten für Hilfsmittel zur Pflege – auch aus der Apotheke.

Durch einen zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen geschlossenen „Vertrag über zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel“ können Produkte, die aufgrund ihrer Beschaffenheit und aus hygienischen Gründen im Regelfall nur einmal benutzt werden können bis zu einem Höchstbetrag von maximal 31 Euro monatlich zu Lasten der gesetzlichen Pflegeversicherung abgegeben werden.

Zu den Produkten gehören dabei saugende Bettschutzeinlagen (hier auch wieder verwendbare), Fingerlinge, Einmalhandschuhe, Mundschutz, Schutzschürzen (zum Einmalgebrauch oder wieder verwendbar), Hände- und Flächendesinfektionsmittel. Hierzu wird von der Apotheke als Vertragspartner der vom Versicherten beziehungsweise dessen Betreuern oder Angehörigen ausgefüllte und unterschriebene Antrag auf Kostenübernahme (ein Formblatt, Anlage 4 des Vertrages) im Original der Pflegekasse, die in der Regel bei der Krankenkasse des Versicherten angesiedelt ist, eingereicht. Nach leistungsrechtlicher Prüfung erhält die Apotheke dieses Exemplar abgestempelt zurück.

Der Versicherte oder seine Angehörigen, die zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel nach § 40 SGB XI holen, haben deren Erhalt auf dem Lieferschein mit genauer Bezeichnung, Anzahl und Preis (am einfachsten wird Anlage 2 des Vertrages genutzt) zu bestätigen. Dieser Lieferschein plus eine Kopie der Kostenübernahmezusage sind von der Apotheke dann zur Rechnungslegung – in der Regel erfolgt dies wie bei den übrigen Rezept-Formblättern über ein Abrechnungszentrum – einzureichen. Über den Betrag von 31 Euro hinausgehende Kosten hat der Versicherte selbst zu tragen. Ambulante Pflegedienste dürfen diese Regelung nicht nutzen, sie ist allein für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen bestimmt.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/14 ab Seite 64.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

×