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Krebs

HERAUSFORDERUNG THERAPIE – TEIL 3

Damit die Lebensqualität unter der Behandlung nicht zu sehr leidet, kann einiges getan werden. Unterstützende Maßnahmen können die Compliance und damit den Therapieerfolg sichern.

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Zytostatika wirken über verschiedene Mechanismen hemmend auf die Zellteilung. Neben den Tumorzellen greifen sie besonders auch solche Zellen an, die sich schnell vermehren – dazu zählen zum Beispiel die der Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts, der Haut, des Knochenmarks sowie die der Haarwurzeln. Unter der Chemotherapie kann es daher zu einer Unterdrückung der Blutbildung im Knochenmark kommen, die Zahl der Erythrozyten und/oder Leukozyten sinkt. Problematisch ist vor allem die Abnahme der neutrophilen Granulozyten , da sie eine erhöhte Infektanfälligkeit mit sich bringt. Meist ist die kritische Situation nur von kurzer Dauer. Bei hohem Risiko wie beispielsweise unter Hochdosistherapien werden prophylaktisch Koloniestimulierende Faktoren wie G-CSF eingesetzt, welche die Proliferation und Reifung der Vorläuferzellen anregen.

Mukositis Diese oft sehr quälende (Mund)Schleimhautentzündung tritt unter der Gabe von 5-FU und Taxanen auf. Die Patienten haben manchmal erhebliche Schmerzen; die Nahrungsaufnahme wird zur Qual. Schlecht sitzende Prothesen sind ein Risikofaktor; manchmal ist eine Zahnsanierung vor Therapiebeginn sinnvoll.

MANCHMAL IST DIE CHEMOTHERAPIE UNNÖTIG
Molekularbiologische Tests werden zunehmend eingesetzt, um abzuschätzen, ob im Frühstadium des Mammakarzinoms eine systemische Behandlung überhaupt hilfreich oder ob sie unnötig ist: Erweist sich etwa die Konzentration bestimmter Marker-Proteine im uPA/PAI-1-Test als niedrig, ist das Rezidivrisiko so gering, dass man der Patientin die Chemotherapie ersparen kann. Ähnlich lässt sich heute mit Hilfe einer Genchip-Diagnostik, bei der die Aktivität einer Reihe von Tumor-assoziierten Genen bestimmt wird, das individuelle Rezidivrisiko beurteilen. Wird diese Möglichkeit genutzt, könnte nach neuesten Untersuchungen sogar bei einem nach klassischer Einschätzung mittleren Risiko (bei bis zu drei positiven Lymphknoten) auf die Chemo verzichtet und so der Frau mögliche Belastungen erspart werden.

An erster Stelle der vorbeugenden Maßnahmen stehen häufige Mundspülungen – womit, das ist sekundär. Allerdings sollte wegen des austrocknenden Effekts besser keine Kamillenlösung verwendet werden. Neben Zurückhaltung gegenüber Nikotin und Alkohol, scharfen und heißen Speisen sind gute Mundhygiene und die Verwendung weicher Zahnbürsten wichtig.

Das Lutschen von Eiswürfeln während und nach der Injektion kann die Durchblutung der Mundschleimhaut herabsetzen und diese so zum Zeitpunkt der höchsten Medikamentenkonzentration im Blut schützen. Zur Schleimhautpflege empfehlen sich befeuchtende, antiphlogistisch und lokalanästhetisch wirkende Spüllösungen oder Lutschtabletten.

Nausea und Emesis (CINE) Ob die Chemotherapie mit Übelkeit und Erbrechen einhergeht, ist neben anderen Faktoren substanzabhängig. Als hoch emetogen werden unter anderem hochdosiertes Cisplatin oder Cyclophosphamid eingeordnet. Junge und weibliche Patienten sowie Personen, die unter Reisekrankheit leiden, sind besonders anfällig. Hilfreich kann eine antiemetische Medikation mit Glukokortikoiden, meist Dexamethason, 5-HT3-Antagonisten (Setrone) oder Neurokininrezeptor (NK1)-Antagonisten sein. Sie muss prophylaktisch, mit ausreichendem zeitlichem Abstand vor dem emetogenen Reiz, gegeben werden. Ist mit hoher Wahrscheinlichkeit mit CINE zu rechnen, werden alle drei Wirkprinzipien kombiniert.

Nebenwirkungen Die neueren, zielgerichteten Therapien haben ein anderes Nebenwirkungsspektrum als die herkömmlichen Zytostatika. Hier stehen häufig Hautreaktionen im Vordergrund, vor allem bei Anti-EGFR-Therapien. Hierher gehören viele neuere Substanzen, die an der Reaktionskette angreifen, welche durch Aktivierung des Rezeptors des epidermalen Wachstumsfaktors (EGFR) initiiert wird, zum Beispiel Antikörper wie Cetuximab oder so genannte kleine Moleküle wie zum Beispiel Erlotinib oder Gefitinib.

Je ausgeprägter die Hauttoxizität ist, umso besser spricht der Tumor meist auf die Behandlung an, das heißt, der so genannte Rash ist mit einer besseren Prognose assoziiert. Die Veränderungen bilden sich nach Therapieende komplett zurück. Dennoch: die sichtbaren Zeichen können stigmatisierend wirken und beeinträchtigen die Patienten zum Teil erheblich. Bei circa 90 Prozent der Behandelten entwickelt sich in den ersten Wochen der Therapie ein „akneiformes Exanthem”, also verstreute akneähnliche (aber Mitesser-freie) Papeln und Pusteln. In Abhängigkeit vom Schweregrad erhalten die Patienten topisch oder systemisch Antibiotika, mitunter auch Kortikosteroide.

Im Verlauf der Therapie verändert sich das Bild: Später dominieren starke Hauttrockenheit und Ekzeme; die Haut wird extrem empfindlich. In diesem Stadium kommt es auch zu Nagelbettentzündungen, und manchmal entwickeln sich schmerzhafte Fissuren, speziell an den Fingerspitzen. Raten Sie betroffenen Kunden zu milden Waschlotionen und hypoallergenen Feuchtigkeitslotionen. Nicht günstig sind lipophile Pflegeprodukte. Die Patienten sollten alles, was die Haut reizen kann, meiden, auch direkte Sonnenbestrahlung, und beim Abtrocknen besser abtupfen statt zu rubbeln.

Personalisierte Therapie Immer mehr wird erkannt, dass viele der zielgerichteten Therapien, die mit Schlüsselmolekülen des Tumorwachstums interagieren, nur dann gut wirken, wenn Gene, die für den relevanten Signalweg wesentlich sind, entweder bestimmte Mutation aufweisen, oder dann, wenn sie nicht mutiert sind. B-RAF oder K-RAS sind solche therapierelevanten Marker, bei denen der Mutationsstatus entscheidend ist.

Ältestes Beispiel ist die Überexpression (vermehrte Produktion) des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors HER2 auf der Zelloberfläche beim Mammakarzinom: Tumore mit diesem Merkmal haben eine schlechte Prognose, sie sprechen aber auf die Gabe des monoklonalen Antikörpers Trastuzumab an. Auch beim Kolon- und Bronchialkarzinomsowie neuerdings auch beim malignen Melanom kann die molekulargenetische Analyse diejenigen Patienten herausfiltern, bei denen definierte Therapien einen Erfolg versprechen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/12 ab Seite 100.

Waltraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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