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Drogen

HARTES ABFEIERN

Kiffen, Kokain und Pillen werfen gehört selbst für Teens längst zum Wochenend-Feierprogramm. Mit Ketamin und Liquid Ecstasy sind Drogen dazu gekommen, die Ärzte alarmieren.

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Dieses Frühjahr warnten Mediziner der Jugendsuchtstation des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vor der neuen Modedroge der Luxus-Kids: Ketamin. Sie beziehen die Clubdroge über dunkle Kanäle, das Gramm zu 35 Euro und sniefen es meist wie Kokain. Seltener wird Ketamin als Pille geworfen oder gespritzt. Es wirkt halluzinogen und stimulierend; als größten Kick bezeichnen die Konsumenten aber die Nahtoderfahrungen, die sich damit einstellen können.

Konsumenten werden immer jünger „Keta“ oder „Vitamin K“, wie die Jugendlichen das Ketamin nennen, ist ein Narkosemittel, das eigentlich in der Notfall- und Tiermedizin zum Einsatz kommt. Es ist das einzige Narkotikum, das nicht nur schmerzlindernd und sedierend wirkt, sondern zudem den Kreislauf stabilisiert. Dies macht es zum idealen Notfallnarkosemittel, das vom medizinischen Markt nicht mehr wegzudenken ist.

Ketamin ist zwar verschreibungspflichtig, fällt aber nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Als Rauschdroge eignet es sich, weil es ein dissoziatives Anästhetikum ist, das heißt, es führt zu tranceähnlichen Zuständen, ohne Atmung und Schutzreflexe zu beeinflussen. Dadurch entstehen unwirkliche, außerkörperliche Erfahrungen. Am schnellsten wirkt die Droge, wenn sie gespritzt wird, die meisten sniefen sie jedoch.

Vergewaltigungsdroge
In hohen Dosen wird Liquid Ecstasy auch in krimineller Absicht als „K.o.-Tropfen“ angewendet. Dabei schütten die Täter ahnungslosen Menschen GHB in ein Getränk. Die Betroffenen werden bewusstlos und zum Opfer von Raub oder Vergewaltigung. Meist wachen sie am nächsten Morgen auf und erinnern sich an nichts, da Amnesien im Liquid-Ecstasy-Rausch sehr häufig vorkommen. Die Opfer können die Täter also nicht identifizieren. Dazu kommt, dass es sehr schwierig ist, eine Anwendung von K.o.-Tropfen nachzuweisen, da der Wirkstoff im Körper meist schon wieder abgebaut ist, bevor die Betroffenen vollständig zu sich kommen.

Dabei setzt die Wirkung nach etwa fünf Minuten ein, woraufhin es zu einem etwa halbstündigen „K-hole“ kommen kann, in dem der Konsument die außerkörperlichen Erfahrungen macht. Die Rauschwirkung kann aber auch mehrere Stunden anhalten. Während des gesamten Rausches können Lähmungserscheinungen, Sprachstörungen, Muskelkrämpfe und -zittern auftreten. Viele Konsumenten beschreiben den Trip als Auflösung der eigenen Existenz.

Diese „Ich-Auflösung“, verbunden mit der eingeschränkten Kontrolle über die Bewegungen, führt häufig zu Unfällen. Situationen, in denen Menschen unter Ketamin-Einfluss von einem Balkon gesprungen sind, weil sie glaubten, fliegen zu können, sind nicht selten. Je nach körperlicher und mentaler Verfassung können die extremen Halluzinationen aber auch als Höllentrips wahrgenommen werden, auf denen man auch hängen bleiben kann.

Der Langzeitkonsum kann außerdem Gedächtnis- und neurologische Störungen auslösen. Fakt ist, dass die Wirkung des Narkosemittels absolut unberechenbar ist, besonders, wenn weitere Drogen im Spiel sind. Gerade durch den im Partyleben doch sehr normalen Mischkonsum mit Alkohol kommt es schnell zu einer verlangsamten Atmung und die Gefahr ist hoch, dann in ein Koma zu fallen. Ärzte sind besonders darüber beunruhigt, dass die Konsumenten oft sehr jung sind, denn Ketaminabusus ist schon bei 14- bis 15jährigen keine Seltenheit. Es sind meist Jugendliche aus gutem Haus, die das nötige Kleingeld für die Luxusdroge haben.

Liquid Ecstasy Dabei handelt es sich um Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB). Sie ist chemisch verwandt mit der Gamma-Aminobuttersäure (GABA), einem körpereigenen, beruhigend wirkenden Neurotransmitter. Er hemmt die Freisetzung bestimmter Hormone, sodass Schmerzen gelindert und Angst- und Spannungszustände gelöst werden. Die chemische Verwandtschaft von GHB zu GABA machte man sich in der Medizin zunutze, denn im Gegensatz zu GABA ist GHB in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und wird daher als Narkotikum eingesetzt.

Karriere als Partydroge Die Technobewegung der 1990er-Jahre entdeckte GHB als Stimulanz, denn in niedrigen Dosen überwiegt der aufputschende Effekt. Etwa zehn bis dreißig Minuten nach der Einnahme kommt es zu gesteigerter sexueller Erregung. Die Droge wirkt euphorisierend; man fühlt sich wach, klar und überlebensgroß. Gleichzeitig bewirkt GHB, dass man sich sozial öffnet – ein wichtiger Effekt für die Technoszene, die ihre Philosophie in „Love, Peace and Unity“ sieht.

GHB ist zudem im Urin nur zwölf und im Blut sogar nur sechs Stunden nachweisbar – ein wichtiges „Verkaufsargument“ für eine illegale Droge, die seit 2002 unter das Betäubungsmittelgesetz fällt. Liquid Ecstasy ist zwar als Feststoff erhältlich, wird jedoch meist, passend zum Namen, als Flüssigkeit in kleinen Fläschchen verkauft. In geringer Dosierung hält die Wirkung etwa drei bis vier Stunden an. Mit Ecstasy (MDMA) und dessen Wirkweise hat Liquid Ecstasy dabei aber nichts zu tun. Man nannte die Droge wohl vor allem so, um von der Beliebtheit von Ecstasy, die immerhin Partydroge Nummer eins war, zu profitieren.

Risikopotenzial durch Mischkonsum Liquid Ecstasy kann abhängig machen, was sich beim Entzug durch Schweißausbrüche, Zittern und depressive Verstimmungen äußern kann. Diese Symptome verschwinden jedoch relativ schnell, in der Regel bereits nach einigen Tagen. Schwerer wiegt der psychische Entzug, denn wie bei allen Feierdrogen ist der soziale Druck innerhalb der Gruppe sehr stark. Dabei besteht die größte Gefahr im Mischkonsum. Selten wird an einem Clubabend nur eine Droge konsumiert.

Die meisten User starten mit Aufputschmitteln wie Speed, Ecstasy oder Kokain, nehmen dann noch Alkohol zu sich, um frühmorgens mit Cannabis wieder runterzukommen. Vor allen Dingen die gleichzeitige Einnahme von Alkohol, Schmerzmitteln oder Opiaten kann bei Liquid Ecstasy jedoch zu lebensgefährlichen Nebenwirkungen führen. Meist sterben die Konsumenten an Atemstillstand.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/13 auf Seite 86.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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