© serezniy / iStock / Getty Images

Tiere in der Apotheke

HARNINKONTINENZ BEI DER HÜNDIN

Etwa 20 Prozent aller kastrierten Hündinnen können ihren Harn nicht willkürlich zurückhalten und es kommt – meist beim Schlafen oder Liegen – zum unfreiwilligen Abgang von Urin.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Die Harninkontinenz wird relativ oft in der tierärztlichen Praxis beobachtet. Sie ist sowohl für die Hündin als auch für den Hundehalter ein unangenehmes Leiden, das auch weitere gesundheitliche Folgen für das Tier, wie beispielsweise Infektionen des Urogenitaltrakts sowie Hautirritationen nach sich ziehen kann. Die Harninkontinenz ist oft eine Folge eines nicht ausreichenden Verschlussmechanismus der Harnröhre, was auch als urethrale Sphinkterinkompetenz (USMI) bezeichnet wird. Ebenso kann eine gestörte Speicherfunktion der Blase zugrunde liegen.

Eine weitere mögliche Ursache ist eine angeborene Missbildung der Harnleiter, die sogenannten ektopischen Ureteren. Darüber hinaus spielen weitere Faktoren wie Rasse, Zeitpunkt der Kastration (prä- oder postpubertär), Größe und Körpergewicht des Tieres eine Rolle: So sind mittelgroße bis große Hunde mit über 15 bis 20 Kilogramm Körpergewicht und übergewichtige Hunde häufiger betroffen. Laut Studien sind 30 Prozent der Hündinnen mit einem Körpergewicht über 20 Kilogramm und nur 10 Prozent der Hündinnen mit einem Körpergewicht von unter 20 Kilogramm betroffen. Bei Rüden wird Harninkontinenz seltener beobachtet.

Sphinkterinkompetenz Sphinkterinkompetenz bedeutet, dass der Schließmuskel der Harnröhre nicht mehr ausreichend funktioniert. In der Regel ist bei einer Harninkontinenz kein anderes Symptom als der unbewusste Urinverlust ersichtlich, und die betroffenen Hündinnen können auch ganz normal Urin absetzen. Die Sphinkterinkompetenz wird vor allem bei kastrierten Hündinnen beobachtet. Die Harninkontinenz kann innerhalb weniger Wochen oder auch erst mehrere Jahre nach der Kastration in Erscheinung treten. Der Abstand zwischen der Kastration des Tieres und dem ersten Auftreten der Harninkontinenz ist dabei sehr unterschiedlich. Der Zeitpunkt der Kastration kann jedoch hinsichtlich einer Harninkontinenz von Bedeutung sein.

Hunde können bereits vor dem Erreichen der Geschlechtsreife (präpubertär) oder danach (postpubertär) kastriert werden. Einige Studien haben darauf hingewiesen, dass eine Kastration vor der ersten Läufigkeit das Risiko einer Harninkontinenz erhöht. Auch die Symptome sind bei der Frühkastration wesentlich stärker ausgeprägt. So sind etwa 90 Prozent der vor der ersten Läufigkeit kastrierten Hündinnen täglich inkontinent, während Hündinnen, die nach der ersten Läufigkeit kastriert wurden, seltener oder meist ausschließlich während der Schlafphase inkontinent sind.

Andere Untersuchungen zeigten keinen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Harninkontinenz und der Früh- oder Spätkastration, sodass bezüglich des Alters bei der Kastration letztlich keine eindeutige Aussage getroffen werden kann. Die kastrationsbedingte Harninkontinenz tritt vor allem im Schlaf und/oder im Liegen auf, was darauf zurückzuführen sein kann, dass durch eine liegende Position der Blasendruck signifikant erhöht wird, wodurch der urethrale Verschlussdruck überstiegen werden kann. Die Ursachen der kastrationsbedingten Harninkontinenz der Hündin sind nicht vollständig geklärt. Unter anderem wird ein Estrogenmangel als Ursache diskutiert.

Therapie Bei der kastrationsbedingten Inkontinenz kommt der Wirkstoff Ephedrin (Ephedrinhydrochlorid) zum Einsatz, wobei Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Hypertonie, Hyperthyreose, Diabetes mellitus und Niereninsuffizienz ausgeschlossen werden müssen. Es kann auch eine Hormonbehandlung mit kurzwirksamen Estrogenen begonnen werden. Ist die medikamentöse Behandlung nicht erfolgreich, kann es sinnvoll sein, einen operativen Eingriff durchzuführen. Hier bietet sich die Kollageninjektion an. Bei diesem Eingriff wird der Hündin unter endoskopischer Kontrolle Kollagen in die Schleimhaut der Harnröhre injiziert.

Erkrankungen der Blase Wenn die Harninkontinenz trotz Behandlung bestehen bleibt, sollten weitere mögliche Ursachen für die Inkontinenz überprüft werden, wie zum Beispiel Tumoren des Urogenitaltrakts. Tiere mit einem Blasentumor zeigen häufiger Symptome wie eine erschwerte Harnentleerung und Harnträufeln. Die Tiere sind meistens älter als acht Jahre, und eine Behandlung auf eine bakterielle Infektion verläuft nicht erfolgreich. Die Diagnose wird anhand von Röntgen, Ultraschall und einer Biopsie gestellt. Tumoren der Blase machen eine Operation und Chemotherapie erforderlich, die Prognose ist allerdings insgesamt ungünstig. Ähnliches gilt für Tumoren der Harnröhre. Auch bei einer Blasenentzündung wird in vielen Fällen die Symptomatik des Harnträufelns beobachtet.

Angeborene Anomalien Ektopische Ureteren, das heißt falsch mündende Harnleiter, zeigen sich bei weiblichen Hunden bereits im Welpenalter. Der Harnleiter mündet zu weit hinten direkt in die Harnröhre oder in die Scheide, was mit konstantem Harnträufeln - meistens schon von Geburt an - einhergeht. Besonders betroffen sind Labrador und Golden Retriever, Pudel, Collie, Spaniel und verschiedene Terrierrassen. Diese Anomalie wird oft von einer Infektion des Harnapparates begleitet. Die Behandlung besteht in der operativen Positionierung der Harnleiteröffnung an der normalen anatomischen Stelle. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Überprüfung der Nierenfunktion.

Weitere Faktoren Daneben kann eine Lähmung beziehungsweise eine Instabilität der Blasenmuskulatur Auslöser für Harnträufeln sein. Bei einer Lähmung kann die Muskulatur, die für die Entleerung der Harnblase zuständig ist, ihre eigentliche Funktion nicht aufrecht erhalten; es sammelt sich ein großes Harnvolumen in der Blase an und die Inkontinenz beruht dann auf der Überfüllung. Inkontinenz kann auch durch Senilität oder reduzierte Mobilität bei älteren Hunden ausgelöst werden. Auch die chronische Niereninsuffizienz oder Diabetes mellitus können eine Inkontinenz oft verschlimmern. Grundsätzlich sollten inkontinente Tiere keine Diuretika oder Corticosteroide erhalten, da diese die Urinkonzentrationsfähigkeit negativ beeinflussen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/2020 ab Seite 104.

Dr. Astrid Heinl, Tierärztin

×