© monkeybusinessimages / iStock / Getty Images
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Bücher, von denen man spricht

HAPPY FAT

Fettleibige Menschen haben einfach keine Lobby. Doch das könnte sich jetzt ändern. Die dänische Comedian Sofie Hagen hat ein Buch geschrieben, in dem sie dickenfeindlichen Einflüssen den Kampf angesagt hat.

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Es fängt schon mal gut an: „Hallo, ich bin dick. Ich bin auch dreißig, Dänin und Skorpion.“ Klar, als Kind mit Bauch und später als moppeliger Teenager hat sie alles durch. Da gehörte es am Sonntagabend fast zum Ritual, dass sie sich mit ihrer Mutter hinsetzte und eine neue Diät für die Woche austüftelte. Die natürlich nie funktionierte.

SelbstakzeptanzHeute weiß sie nicht nur warum, sondern hat auch einen Weg gefunden, mit ihrem Dicksein umzugehen. Zur Selbstakzeptanz war es ein langer und schmerzvoller Weg. Denn unsere Gesellschaft ist auf Selbstoptimierung eingestellt – dazu gehört auch Schlanksein – und das Dicksein wird immer noch mit Scheitern gleichgestellt. Zum ersten Mal aufmerksam wurde sie, als eine Kommilitonin ihr nahelegte, einmal nachzudenken, woher denn jene fettfeindlichen Gedanken kämen: „Überleg doch mal“, sagte sie zu ihr, „Von der Werbung, einer Figur aus einer Fernsehserie, Modezeitschriften, Diätprodukten – solche Gedanken werden einem von Individuen oder einem System eingepflanzt.“ Hagen, die bereits in Therapie war, horchte auf und begann sich umzuschauen.

Alltag voller Hindernisse Offen und trotz ihres herzerfrischenden Humors ernsthaft erzählt sie, wie hindernisreich ein Leben ist, in dem sich alltägliche Probleme häufen, wenn man in Kleidergröße 54/56 passt: beim Sex, im Flugzeug, beim Kleiderkauf oder beim Essen in der Öffentlichkeit (hier geht es unter anderem um Restaurantstühle ohne Armlehnen). Medizinisch interessierte Leser werden sich jetzt fragen: Und wo bleibt er, der gesundheitliche Aspekt?

Fettleibige Menschen haben alle Zivilisationskrankheiten dieser Welt und sterben früher! Kapitel 4 widmet sich diesem Thema lange und gründlich. Die Autorin scheint jede Studie gelesen zu haben, eine davon bilanziert den Tenor des Kapitels ganz gut: „Matheson, King und Everett“ – amerikanische Wissenschaftler – „haben festgestellt, dass ein gesunder Lebensstil mit einer signifikanten Senkung des Sterberisikos assoziiert wird, und zwar völlig unabhängig vom BMI“. Also: Dicksein allein macht noch nicht krank, sondern schlechte Ernährung und fehlende Bewegung.

LesenswertWitzig, unerschrocken und leidenschaftlich blickt hier eine Stand-up-Comedian auf eine Kultur, die dicke Frauen verurteilt. Und sie bringt andere dazu, mal darüber nachzudenken, ob es denn so richtig ist, was in unseren Köpfen zum Thema „Fett“ so schwelt.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 07/2020 ab Seite 115.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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