Hanf-Pflanze
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Cannabis

HANF-PRÄPARATE IN DER MEDIZIN

Cannabis ist der Oberbegriff für verschiedene Produkte aus der Hanfpflanze. Wirkstoffe sind Cannabinoide, insbesondere das Tetrahydrocannabinol (THC). Es wird auch zu medizinischen Zwecken verwendet.

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Pflanzliche Cannabisprodukte zeigen positive Wirkungen bei Spastizität (im Zusammenhang mit Multipler Sklerose), bei spastischen Lähmungen, beim Tourette-Syndrom, bei Übelkeit und Erbrechen während einer Chemo- oder Strahlentherapie, bei Krebserkrankungen oder durch die Medikation von HIV, bei chronischen neuropathischen Schmerzen oder in der palliativen Behandlung von Krebs und Aids. Der Effekt kommt durch die Inhaltsstoffe Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol (CBD) zustande. Zusammengefasst kann man Cannabis antiemetische, appetitanregende, antiataktische, antispastische Effekte zuschreiben.

Eine Studie zeigte, dass medizinisches Cannabis durch Inhalation oder die orale Aufnahme heilsamer wirkt, da die komplexe Wirkstoffkombination besser aufgenommen wird und karzinogene Verbrennungsprodukte nicht entstehen (Grotenhermen, 2001). Dass das Vaporisieren eine sinnvolle Methode zur Verabreichung von THC ist, bestätigte ebenfalls die Studie „Effect of intrapulmonary tetrahydrocannabinol administration in humans“ (2008). Zu den Nebenwirkungen der Therapie gehören allerdings Symptome wie Müdigkeit, Übelkeit, Schwindel, Tachykardie, Mundtrockenheit, Kopfschmerzen, gerötete Augen oder psychische Störungen. Diese hängen unter anderem von der Dosis, der Art der Verabreichung sowie von der Therapiedauer ab.

In Deutschland ist Cannabis (Pflanzen und Pflanzenteile, die zur Gattung Cannabis gehören) ein verkehrsund verschreibungsfähiges Arzneimittel, vorausgesetzt es kommt in Zubereitungen, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind, zur Anwendung. Dies gilt seit 2011 (aufgrund der 25. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften). In anderen Formen ist Cannabis lediglich für die Arzneimittelherstellung, allerdings nicht für den Einsatz zu therapeutischen Zwecken verkehrsfähig. Jedoch ist es möglich, dass Patienten bei der Bundesopiumstelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 Absatz 2 BtMG zum Erwerb von Cannabisblüten aus der Apotheke zur Anwendung im Rahmen einer ärztlich begleiteten Selbsttherapie beantragen. Darin muss der Patient aufzeigen, dass andere Maßnahmen keinen wirksamen Erfolg brachten und eine Behandlung mit weiteren THC-haltigen Medikamenten nicht durchführbar ist, weil beispielsweise die Kosten der verschreibungsfähigen THC-haltigen Arzneimittel (wie Dronabinol oder Marinol) nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Auch die ärztliche Stellungnahme darf in dem Antrag nicht fehlen.

Im Jahre 2007 wurde ein solcher Antrag erstmals für eine an Multipler Sklerose erkrankten Patientin genehmigt – diese war „nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken“ erteilt worden. Im April diesen Jahres verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht zum ersten Mal das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, einem Patienten mit multipler Sklerose und erheblichen Gleichgewichtsstörungen eine Ausnahmegenehmigung zum Eigenanbau von Cannabis zu erteilen, weil das Mittel für die medizinische Versorgung notwendig sei und keine gleich wirksame und erschwingliche Therapiealternative existiere. Davon unberührt bleibt die Befugnis des BfArM, die Erlaubnis mit Nebenbestimmungen zu versehen. Am 4. Mai beschloss die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf, welcher die Versorgung der Patienten mit natürlichem Cannabis und die Erstattungsfähigkeit durch die Krankenkassen ermöglichen soll.

Cannabis-basierte Arzneimittel Nabiximols ist eine Pflanzenextraktmischung aus den Blättern und Blüten der Hanfpflanze (Cannabis sativa L.) und wird als Arzneimittel eingesetzt. Der Wirkstoff enthält Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol und unterliegt den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften. Das Medikament dient der Behandlung von spastischen Symptomen bei Patienten mit Multipler Sklerose und wird in Form eines Mundsprays in die Innenseite der Wange appliziert. Voraussetzung ist, dass Betroffene nicht ausreichend auf eine andere antispastische Therapie ansprechen und sich die Beschwerden durch die Behandlung mit Nabiximols deutlich verbessern.

THERAPEUTISCHES SPEKTRUM VON CANNABIS:
+ Reduktion der Spastik bei MS
+ Harnblasendysfunktion bei MS
+ Appetitlosigkeit bei HIV
+ Chronische neuropathische Schmerzen
+ Reservemedikament bei Übelkeit und Erbrechen durch Zytostatika
+ Tics beim Tourette-Syndrom
+ Medikamentös bedingte Dyskinesien bei Parkinson

Das Fertigarzneimittel ist in Deutschland seit Juli 2011 erhältlich, im Mai 2011 wurde es von den nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln in die Gruppe der verschreibungsfähigen Betäubungsmittel eingestuft.

Dronabinol ist ein teilsynthetisch hergestelltes Tetrahydrocannabinol, in Deutschland ist der Wirkstoff als Fertigarzneimittel bislang allerdings nicht zugelassen. In den Vereinigten Staaten und in Kanada sind Kapseln verfügbar, die gemäß § 73 Absatz 3 AMG importiert werden können. In der Regel verschreiben Ärzte jedoch Dronabiol als Rezeptursubstanz für Dronabinol-Kapseln oder ölige Dronabinol-Tropfen.

Nabilon ist ein vollsynthetisches Derivat des Tetrahydrocannabinols. Es wurde bereits 1975 als Tranquilizer und Antiemetikum patentiert. Der Wirkstoff ist als Betäubungsmittel in der Anlage III des deutschen Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt, sodass es in Deutschland verkehrsfähig ist und auf einem Betäubungsmittelrezept verschrieben werden kann. Nabilon ist als Antiemetikum bei Übelkeit und Erbrechen aufgrund von Zytostatika- oder Bestrahlungstherapie sowie bei Anorexie und Kachexie bei Aids-Patienten zugelassen.

Reform in SichtAm 1. Januar 2017 soll ein Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften in Kraft treten. Die Bundesregierung will damit eine Versorgung von Patienten mit Cannabis- Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ermöglichen. Betroffene sollen dann in eng begrenzten Ausnahmefällen einen Anspruch auf Versorgung mit Cannabisblüten, -extrakten oder den Analoga des THCs erhalten. Laut Dr. Peter Cremer-Schaeffer, Leiter der Bundesopiumstelle am BfArM, soll zukünftig auch der Off-Label-Einsatz des Mundsprays leichter möglich sein.

Zu den „eng begrenzte Ausnahmefällen“ zählen Situationen, in denen Betroffene austherapiert sind, das heißt, es darf keine Therapiealternative existieren. Darüber hinaus muss es „eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht“ auf einen positiven Effekt des Medikamentes geben, zusätzlich sollte sich der Konsument verpflichten, an einer 60-monatigen Begleiterhebung teilzunehmen – diese Forderung ist allerdings strittig. Die durch die Untersuchung zu erwartenden Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabis wären dringend erforderlich, da bislang nur wenige Fakten über den Verlauf der Therapie bekannt sind, obwohl bereits 779 mal eine Ausnahmeerlaubnis zur Anwendung von Cannabis als Medizin erteilt wurde (Stand: Sommer 2016).

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/16 ab Seite 26.

Martina Görz, PTA, B. Sc. und Fachjournalistin

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