© yodiyim / iStock / Thinkstock

Krebs

HÄUFIG ZU SPÄT ERKANNT

Er wächst aggressiv, metastasiert sehr früh und ist selten operabel – Bauchspeicheldrüsenkrebs ist eine der gefährlichsten Krebsformen. Pro Jahr trifft das Pankreaskarzinom in Deutschland etwa 16 000 Menschen.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) liegt im Oberbauch unterhalb des Magens, wo sie in eine Schleife des Zwölffingerdarms hineinragt. Der Pankreas ist in Kopf, Körper und Schwanz gegliedert und enthält exokrine und endokrine Gewebe. Während die exokrinen Anteile Verdauungsenzyme produzieren, die die Nahrung aufspalten, gibt der endokrine Teil lebenswichtige Hormone wie zum Beispiel Insulin und Glukagon ins Blut ab. Über 70 Prozent der Pankreastumoren entwickeln sich im Kopf der Bauchspeicheldrüse und im exokrinen Gewebe. In rund 90 Prozent der Fälle handelt es sich um Adenokarzinome, also Tumoren, die aus Drüsengewebe hervorgehen.

Krebs des Alters An Bauchspeicheldrüsenkrebs erkranken eher ältere Menschen. Das statistische Mittel liegt zwischen 71 und 75 Jahren, wobei Männer und Frauen fast gleich häufig betroffen sind. 2012 erkrankten 8250 Männer und 8480 Frauen am Pankreaskarzinom; man erwartet einen weiteren Anstieg der Fallzahlen. Mit einer Fünf-Jahres-Überlebensrate von acht bis neun Prozent gehört diese Tumorform zu den Krebsarten mit der schlechtesten Prognose. Ein hohes Risiko für die Erkrankung besteht, wenn sich zuvor eine chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) entwickelt hat, was bei jedem zweiten Betroffenen der Fall ist. Risikofaktoren für eine Pankreatitis sind zu fettes Essen, Übergewicht, Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum.

Zu späte Diagnose In den meisten Fällen wird das Karzinom zu spät erkannt, sodass eine Heilung nicht mehr möglich ist. Erste leichte Oberbauchschmerzen und Verdauungsstörungen, die schon früh auftreten können, werden aber fast immer als unspezifische Magen-Darm-Probleme abgetan. So gehen die meisten Betroffenen erst dann zum Arzt, wenn die typischen Symptome wie Fettstühle, Durchfall, Gelbsucht und starke Gewichtsabnahme bereits vorliegen. Die Beschwerden entstehen meist, wenn der Gallengang im Pankreaskopf in Mitleidenschaft gezogen wird, der Leber und Zwölffingerdarm verbindet. Engt der Tumor diesen Gang ein oder verstopft ihn, staut sich die Galle und kann nicht mehr in den Darm fließen. Hierdurch können Fette nicht mehr richtig aufgespalten werden, was sich auch an der Beschaffenheit des Stuhls zeigt, der hell, schmierig-glänzend und übelriechend wird.

Staut sich die Gallenflüssigkeit in der Leber, führt das nach einiger Zeit zu einer Gelbsucht (Ikterus). Ebenfalls häufig sind starke Bauchschmerzen, die in den Rücken ausstrahlen. Sie entstehen, wenn das Karzinom bereits andere Gewebestrukturen verdrängt. Ist das der Fall, ist der Tumor fast immer inoperabel, da er dann meist auch schon Metastasen gebildet hat. Gegenwärtig kann bei Diagnosestellung nur einer von fünf Tumoren operiert werden. Um ein Pankreaskarzinom und mögliche Metastasen nachzuweisen, werden in erster Linie bildgebende Verfahren eingesetzt. Dabei kommen Ultraschall, CT und MRT sowie eine spezielle MRT-Form, die MRCP (Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie) zur Anwendung.

Bei der MRCP wird die Bauchspeicheldrüsen- und Gallensaftproduktion medikamentös angeregt, sodass auf den Bildern die gefüllten Gallen- und Pankreaskanäle abgebildet und besser interpretiert werden können. Weist das Blut noch einen erhöhten CA 19-9-Wert auf, kann dieser Tumormarker den Verdacht erhärten. Besteht dennoch weiterhin Zweifel, ob ein Tumor vorliegt, muss eine Biopsie Klarheit bringen.

Kurativ oder palliativ Haben die Untersuchungen gezeigt, dass der Tumor noch auf den Pankreas beschränkt ist, versucht man, durch eine Operation eine Heilung zu erzielen. Je nachdem, wie groß der Tumor ist, wird dabei ein Teil der Bauchspeicheldrüse oder das ganze Organ entfernt, manchmal sogar zusätzlich Teile des Zwölffingerdarms und/oder des Magens. An die Operation schließt sich eine sechsmonatige Chemotherapie an, mit der man versucht, noch verbliebene Krebszellen abzutöten, denn gerade bei Pankreastumoren ist das Rückfallrisiko sehr hoch. Nach einer Resektion der Bauchspeicheldrüse müssen die Patienten ihr Leben lang die fehlenden Verdauungsenzyme einnehmen. Wird durch die OP auch die Insulinproduktion stark beeinträchtigt, muss dieses Hormon ebenfalls substituiert werden.

Manchmal zeigt sich erst während der Operation, dass der Krebs doch weiter fortgeschritten ist als ursprünglich gedacht. Dann wird man den Eingriff abbrechen, um den Patienten nicht noch weiter durch die Folgen der Organresektion zu belasten, sodass er eine möglichst beschwerdefreie restliche Lebenszeit hat. Dennoch können trotzdem weitere operative Eingriffe nötig sein, wie etwa das Einbringen eines Stents in einen blockierten Gallengang, um das Abfließen des Verdauungssekrets zu ermöglichen. Ist der Tumor nur lokal fortgeschritten, kann es möglich sein, ihn mit einer dreimonatigen Chemotherapie, gefolgt von einer Radio-Chemotherapie so zu verkleinern, dass er operabel wird. Diese neoadjuvante Therapie ist jedoch eine starke Belastung der Patienten und der Ausgang ist ungewiss.

Im Hinblick auf die kurze Überlebenszeit müssen Ärzte und Patient gemeinsam entscheiden, ob diese Therapieform sinnvoll ist. Die reine Palliativtherapie kann neben einer guten Schmerzmedikation auch Chemo- und Strahlentherapien beinhalten. Sie können nicht nur das Überleben etwas verlängern, sondern auch die Schmerzen lindern. Dabei muss jedoch immer darauf geachtet werden, dass der Nutzen den Schaden durch die Nebenwirkungen überwiegt und die Lebensqualität der Patienten möglichst erhalten bleibt.

Mit dem Krebs leben Die noch verbleibende Lebenszeit so gut wie möglich nutzen zu können, ist erklärtes Ziel bei allen Krebstherapien. Wenn die Zeit wie beim Pankreaskarzinom oft nur noch ein paar Wochen bis einige Monate beträgt, wird dieser Aspekt besonders wichtig. Wenn es sich dann noch um eine Krebsart handelt, die den Verdauungstrakt betrifft und damit vieles, was ein schönes Leben ausmacht, ist es ungleich schwieriger, das Dasein lebenswert zu gestalten. Vormals geliebte Genussmittel wie Tabak und Alkohol sind selbstverständlich tabu. Pankreaskrebspatienten haben häufig mit Übelkeit und Appetitlosigkeit zu kämpfen, der starke Gewichtsverlust schwächt. Nach Resektionen können die Patienten häufig nur noch kleine Portionen zu sich nehmen. Schwer verdauliche Lebensmittel sind kontraproduktiv und irgendwann ist vielleicht sogar die künstliche Ernährung nicht mehr abzuwenden. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es auch durch Metastasen im Bauchraum häufig zur Bauchwassersucht. All das ist – neben allem anderen – psychisch sehr belastend. Das Augenmerk der Palliativversorgung muss sich daher neben dem Schmerzmanagement auch auf Ernährung und Diurese, die Versorgung mit Antiemetika sowie die Psychoonkologie richten. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 07/17 ab Seite 124.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

×