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Seltene Erkrankungen von A bis Z

HAARZELL-LEUKÄMIE

Die abnormen B-Lymphozyten bei dieser Form des Blutkrebses sehen mit ihren feinen Zytoplasma-Ausläufern aus, als hätten sie Haare. Die Krankheit verläuft langsam chronisch progredient.

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Etwa drei von einer Million Personen erkranken jährlich an Haarzell-Leukämie. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei rund 50 bis 55 Jahren – grundsätzlich kann die Haarzell-Leukämie in jedem Lebensalter auftreten, nur bei Kindern nicht. Männer sind etwa vierbis fünfmal so häufig betroffen wie Frauen. Trotz ihres Namens wird die Haarzell-Leukämie heute nicht mehr zu den Leukämien, sondern zu den sogenannten indolenten Lymphomen gezählt. Es handelt sich also um eine maligne Erkrankung des lymphatischen Systems, die nicht aggressiv verläuft.

Typische Krankheitszeichen Betroffene zeigen einen Mangel an Blutzellen – häufig betrifft dieser die Leuko-, Erythro- und Thrombozyten. Je nachdem führt dieser Mangel zu einer Neigung zu Infektionen, Anämie mit Abgeschlagenheit und Blässe und/oder zu einer Blutungsneigung – selbst kleinere Wunden hören schlecht auf zu bluten, Patienten erleiden leicht Blutergüsse.

Außerdem ist typischerweise die Milz als lymphatisches Organ vergrößert, was zu einem Druckgefühl im linken Oberbauch führen kann. Etwa ein Fünftel zeigt zudem eine Volumenzunahme der Leber. Die Lymphknoten können ebenfalls vergrößert sein und es können Autoimmunkrankheiten auftreten. Auch sogenannte B-Symptome können vorkommen. Einhergehend mit einer zunehmenden Schwäche des Knochenmarks infiltrieren immer mehr Haarzellen das Knochenmark.

»Früher war Interferon die einzige Therapieoption, die heute nur noch in speziellen Fällen angewendet wird.«

Dieses kann seinen Aufgaben als blutbildendes Organ immer weniger nachkommen, wodurch die Zytopenie weiter zunimmt. Zusätzlich wird die Bildung von Bindegewebe im Knochenmark beobachtet, was die Blutproduktion ebenfalls stört. Die Ursache der Erkrankung ist unklar. Ein Zusammenhang mit einer Exposition gegenüber Herbi- und oder Insektiziden ist in der Diskussion. Bei der klassischen Form der Haarzell-Leukämie lässt sich die BRAFV600E-Mutation nachweisen, die auch in verschiedenen anderen Tumoren vorkommt.

Verlauf Dieser ist individuell unterschiedlich und typischerweise undulierend, das heißt, dass sich der Krankheitszustand auch ohne äußere Einwirkungen wie beispielsweise Medikamente von selbst verbessern und verschlechtern kann. Nicht selten wird die Haarzell-Leukämie bei einer Blutuntersuchung aus anderen Gründen zufällig festgestellt, da sie in den meisten Fällen langsam voranschreitet und lange Zeit keine Beschwerden verursacht.

Diagnose Festgestellt wird die Haarzell-Leukämie aufgrund der Ergebnisse der Blutuntersuchungen: Das Basislabor umfasst ein großes Blutbild. Zudem wird der Oberbauch per Ultraschall auf eine Spleno- und/ oder Hepatomegalie untersucht. Im Rahmen der Spezialuntersuchung erfolgt eine Immunophänotypisierung sowohl des peripheren Bluts als auch des Knochenmarks. Da auch eine ganze Reihe weiterer Erkrankungen eine Zytopenie und/ oder eine Splenomegalie verursachen können, müssen diese beim diagnostischen Vorgehen ebenfalls in Erwägung gezogen beziehungsweise ausgeschlossen werden.

Behandlung Die Therapie hängt von der Symptomatik ab: Bei Patienten, die keine Symptome zeigen und bei denen die Haarzell-Leukämie nur zufällig festgestellt wurde, reichen regelmäßige Kontrolluntersuchungen aus, um bei einer eventuellen Verschlechterung der Blutwerte sofort einschreiten zu können (wait and watch). Symptomatische Patienten werden mit einer Chemotherapie mit Cladribin oder Pentostatin als Erstlinientherapie behandelt, auf die mit über 90 Prozent die Mehrheit der Patienten gut anspricht; eine vollständige Remission lässt sich mit beiden Präparaten bei etwa 75 Prozent erreichen.

Allerdings erleidet ein Teil der Patienten einen Rückfall. Ist dies relativ früh (innerhalb von etwa drei Jahren) der Fall, so kann eine Zweitlinientherapie mit dem jeweils anderen Präparat erfolgen. Bei einem Spätrezidiv kann auch nochmals mit dem gleichen Präparat behandelt werden. Derzeit laufen Studien der genannten Präparate in Kombination mit Rituximab. Früher war Interferon die einzige Therapieoption, die heute nur noch in speziellen Fällen angewendet wird. Auch die vormals häufig durchgeführte Entfernung der Milz wird heute nur noch in Einzelfällen in Erwägung gezogen. Etwa 70 Prozent aller Patienten mit Haarzell-Leukämie erreichen eine normale Lebenserwartung.

Variante Knapp jeder zehnte Patient mit Haarzell-Leukämie leidet nicht an der klassischen Form, sondern an der sogenannten Variante. Sie tritt später auf und betrifft Männer kaum häufiger als Frauen. Statt zu wenige Leukozyten haben diese Patienten häufig zu viele (Leukozytose); Erythrozyten und Thrombozyten sind dagegen oftmals normal. Der Verlauf ist oftmals aggressiver als bei der klassischen Form und das Ansprechen auf die Chemotherapie nicht so gut.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/15 ab Seite 142.

Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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