© DIE PTA IN DER APOTHEKE

Berühmte Apotheker

GRÜNDER EINES IMPERIUMS

Seine Zutaten hat jeder schon verwendet und es gibt kaum einen, der seine Backwaren und Pizzen noch nicht verspeist hat. Kein anderer Apothekername ist zu so einem Markenbegriff geworden wie „Dr. Oetker“.

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Dass August Adolph Oetker – obwohl im Hauptberuf Apotheker – der Herstellung von Backpulver & Co. sein Hauptaugenmerk widmete, verdankte er sicherlich nicht zuletzt seiner Herkunft: Geboren wurde er am 6. Januar 1862 im niedersächsischen Obernkirchen nämlich als Sohn eines Bäckermeisters, August Adolph Oetker und dessen Frau Bertha, Tochter eines Kasseler Rechtsanwaltes.

Ausbildung zum ApothekerTrotz großer Familie, konnte der kleine August – aufgrund seiner überliefert raschen Auffassungsgabe und seines Fleißes – das Gymnasium Adolfinum in der sechs Kilometer entfernten Residenzstadt Bückeburg besuchen. Nach dem Abitur 1878 begann er eine pharmazeutische Ausbildung in der Ratsapotheke bei Dr. Ernst Brackebusch (1851 bis 1912) in Stadthagen, die er drei Jahre später abschloss. Es folgten einige Wanderjahre, die ihn auch in die Goldschmiedestadt Hanau zur 1851 gegründeten Technologie-Firma des Apothekers und Chemikers Wilhelm Heraeus (1827 bis 1904) führte, da diese auch Einrichtungsgegenstände für Apotheken und chemische Fabriken produzierte. In Hanau lernte er auch seine spätere Frau, Caroline, kennen.

1885 ging Oetker zum Studium der Pharmazie nach Berlin, legte 1887 das pharmazeutische Staatsexamen mit „sehr gut“ ab und promovierte 1888 an der Universität Freiburg zu einem botanischen Thema. Am 20. März 1889 heiratete er und wurde Teilhaber eines Unternehmens, das Einrichtungsgegenstände für chemische Fabriken und Apotheken vertrieb – allerdings wirtschaftlich wenig erfolgreich war. Sohn Rudolf wurde im November 1889 geboren. „Hab‘ ich erst mein Ziel, den Erwerb einer Apotheke, erreicht, werde ich versuchen, noch etwas ganz Besonderes zu schaffen!“ war Oetkers berufliches Motto. Und so übernahm er 1891 mit finanzieller Unterstützung seiner Schwiegermutter die traditionsreiche Aschoffsche Apotheke in Bielefeld.

Aufbau eines zweiten Standbeins Im reich ausgestatteten Apothekenlaboratorium experimentierte er, um mit dem Nebensortiment eine weitere Einnahmequelle zu schaffen – und entwickelte neue, selbst enwickelte Produkte, so beispielsweise eine Warzentinktur, Fußcreme, Sanitätskakao, medizinische Weine und Schönheitsmittelchen. Als besonders erfolgreich erwies sich aber sein Treibmittel zur Kuchenherstellung. Als Bäckersohn kannte er die Schwierigkeiten des Backens mit bis dahin verwendeten Backhilfen wie Natron oder gereinigtem Weinstein. Von seinem Vetter Louis Dohme (1837 bis 1910), der erfolgreicher Pharmaunternehmer in den USA war, bekam er erste Hinweise auf das „Professor Horsford´s Phosphatic Baking Powder“, ein Backpulver, dass sich dort erfolgreich verkaufte.

Im Hinterzimmer seiner Apotheke experimentierte Oetker so lange, bis er das richtige Mischungsverhältnis der Zutaten fand, damit das Backen garantiert zum Gelingen führte. Die innovative Rezeptur, die haltbar, geschmacklos einen lockeren, aufgegangenen Kuchen produzierte und dabei das Backverfahren noch deutlich verkürzte, nannte er „Backin“ (1893), verpackte sie in praktische Tütchen für jeweils die übliche Kuchenmenge von 500 Gramm Mehl und verkaufte sie – auch in Kolonialwarenläden in und um Bielefeld. Innerhalb kürzester Zeit musste er sogar eine Ganztagskraft nur zum Abfüllen der Tütchen beschäftigen. 1894 kam das von Oetker entwickelte „Vanillin“, ein Ersatz- Vanillezucker zum Würzen von Desserts und Gebäck und kurz darauf auch das Oetker-Puddingpulver in verschiedenen Geschmacksrichtungen auf den Markt. Zu verlässlicher Qualität gehörte jedoch auch Werbung.

Hab‘ ich erst mein Ziel, den Erwerb einer Apotheke, erreicht, werde ich versuchen, noch etwas ganz Besonderes zu schaffen!

Mit geschicktem Marketing zum Imperium Und auch dies beherrschte Dr. August Oetker – und wurde so zum Vorreiter von Markenartikeln. „Wie kann die Welt wissen, dass du etwas Gutes tust, wenn du es ihr nicht anzeigst?“, war sich Oetker bewusst. Zu seinen „Backin“- Tütchen gab es Rezepte dazu, in Aktionen wurden die Backpulvertütchen sehr preisgünstig oder gar kostenlos verteilt, als Beigabe gab es gelegentlich sogar Kochbücher. Äußerlich versah Oetker die Packung mit seinem Namen – unter geschickter Ausnutzung des Doktortitels: So entstand der Markenartikel „Dr. Oetker“. Begleitet wurde der Vertrieb mit selbstbewussten Werbesprüchen wie „Ein heller Kopf verwendet nur Dr. Oetkers Fabrikate“. 1899 ließ er das Oetker-Warenzeichen, die weiße Silhouette eines Frauenkopfes, die noch heute die Dr. Oetker-Produktpackungen ziert, beim Berliner Reichspatentamt eintragen. Der Zusatz „Institut für Küchenchemie“ verlieh seinen Produkten zusätzlich eine wissenschaftliche Note. Sechs Prozent seines Umsatzes – so heißt es – soll Oetker für Marketing und Werbung ausgegeben haben. Das hat sich gelohnt!

Für die Produktion musste Oetker zunächst seine über der Offizin befindliche Privatwohnung aufgeben, Kellerräume in benachbarten Gebäuden wurden benutzt. Im Mai 1900 verlegte der erfolgreiche Jungunternehmer Produktion und Verwaltung jedoch in einen neuen Fabrikbau am Stadtrand Bielefelds (Lutterstraße). Dort befindet sich noch heute die Firmenzentrale. Schon 1902 wurde ein zweiter Neubau erforderlich und die laut August Oetker „größte Fabrik des Continents in dieser Branche“ wuchs und wuchs, eine eigene Produktionsstätte für Backpulver wurde 1912 gebaut, 1914 folgte ein Puddingpulvergebäude.

Weltspitze bis heute Während des Ersten Weltkrieges konnte der „selfmade-man“ Oetker, der sein Unternehmen mit Energie, Tatkraft und Durchsetzungsvermögen, zugleich aber menschlichem Verständnis und sozialem Impetus führte, seine Umsätze sogar noch steigern. Geschickte Appelle an die „deutsche Hausfrau“ machten es möglich, dass die ausländische Konkurrenz aus England oder Amerika kaum Chancen hatte. Ansonsten kaufte er Mitanbieter auf.

1913 verstarb jedoch sein jüngerer Bruder Eduard, dem er die technische Leitung des Bielefelder Betriebes anvertraut hatte, 1916 fiel sein einziger Sohn Dr. Rudolf Oetker (1889 bis 1916) in Verdun. Der Tod des avisierten Nachfolgers war für den Firmengründer ein schwerer Schicksalsschlag, er verlor an Lebenslust, erkrankte 1917 schwer. Erst 56-jährig verstarb August Oetker am 10. Januar 1918. Die Firma führte zunächst seine Witwe Caroline gemeinsam mit seinem älteren Bruder Louis Oetker (1866 bis 1933), der seit 1906 den Vertrieb geleitet hatte, und ab 1919 mit dem Fabrikantensohn Dr. Richard Kaselowsky, zweiter Ehemann der Schwiegertochter Ida, weiter.

Oetkers Nachfahren bauten das Imperium weiter aus. Heute gehören zur Dr. Oetker-Gruppe etwa 31 000 Mitarbeiter, die einerseits Pizza und Puddingpulver sowie Bier und Wein produzieren, andererseits im Rahmen einer breiten Diversifikation in unterschiedlichste Geschäftsfelder mit rund 400 Firmen weltweit unter anderem aber auch zur See fahren, eine Bank betreiben und eine Reihe von Luxushotels führen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/17 ab Seite 28.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

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