© Die PTA in der Apotheke
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Repetitorium

GICHT – TEIL 2

Geht es um die Ernährung bei Gicht beziehungsweise Hyperurikämie, so geistern immer wieder Schlagworte wie Diät, Alkohol, Kaffee, Fleisch durch die Laienpresse. Was schadet wirklich und was ist günstig?

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Die Ernährung hat entscheidenden Einfluss auf die Harnsäurekonzentration im Blut. Täglich scheidet der Körper über die Niere etwa 800 Milligramm Harnsäure aus. Davon stammen etwa 300 bis 400 mg aus dem körpereigenen Stoffwechsel, der Rest, also etwa 400 bis 500 mg, sind Abbauprodukte aus den Nahrungsmitteln. Daraus kann gefolgert werden, dass mit bewusstem Essen, also möglichst purinarmer Ernährung, die Stoffwechselbelastung zumindest gemindert werden kann. Heute ist konsequente Ernährungsumstellung neben Medikamenten die Basis der Therapie.

Prinzipien der „Diät“ Tatsächlich sind Harnsäureprobleme meist Folge jahrelanger Fehlernährung. Eine streng purinarme Diät, die nur 100 mg Purine pro Tag erlaubt, wird heutzutage aber höchstens noch vorübergehend, etwa zur Auflösung von Harnsäuresteinen angewandt. Meist genügt eine purinarme Diät, welche die Harnsäurebildung auf etwa 500 mg pro Tag reduziert. Das bedeutet nur geringe Einschränkungen gegenüber gesunder Normalkost.

Den Großteil an Purinen, die ja Teil der Zellkerne und des Zellplasmas sind, nehmen die Menschen in Deutschland mit Fleisch auf. Bier, Gemüse und Fisch sind mit je rund zehn Prozent weitere wichtige Purinquellen. Milchprodukte sind günstig zu bewerten, denn sie enthalten kaum Purine, und Proteine fördern sogar die Harnsäureausscheidung. Am besten geeignet ist somit eine ovo-lacto-vegetabile Kost, wie sie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt.

Diese enthält viel Milch, fettarme Molkereiprodukte wie Käse, Quark, Buttermilch, Jogurt, aber auch Eier, Kartoffeln, Teigwaren, Mehl und Brot sowie purinarme Gemüse wie Karotten, Tomaten, Paprika, Rote Bete, Zucchini, Salate und Obst (außer Aprikosen, Feigen, Trockenpflaumen). Ansonsten gilt: Nur kleinere Portionen Fleisch, Wurst, Geflügel oder Fisch, selten Krustentiere wie Hummer, Krabben, Shrimps, ganz wenig Innereien oder Haut von Geflügel zu sich nehmen und Fleischextrakte sowie Hülsenfrüchte, Rosenkohl und Schwarzwurzeln weitgehend meiden.

Auch hemmen besonders fettreiche Mahlzeiten die Harnsäureausscheidung über die Nieren. Günstiger ist es, Nahrungsmittel zu kochen als zu braten, da hierdurch viele Purinanteile ins Kochwasser übergehen, das verworfen werden sollte.

Das A und O der Getränke Der Konsum von Alkohol sollte drastisch eingeschränkt werden. Abgesehen davon, das manche Alkoholika wie Bier nicht unerhebliche Mengen Purine enthalten, wird beim Abbau des Alkohols im Körper Laktat gebildet, das die Ausscheidung der Harnsäure über die Niere hemmt. Zudem wird die körpereigene Harnsäuresynthese in der Leber angeregt.

Eine Langzeitstudie konnte nachweisen, dass beim Konsum von mehr als 50 Gramm (g) Alkohol in Form von Bier sich im Vergleich zu abstinent lebenden Männern das Risiko für einen Gichtanfall um das 2,5-fache steigerte. Hingegen war selbst bei mehr als zwei Gläsern Wein pro Tag, da dieser in der Regel purinfrei ist, keine Riskoerhöhung feststellbar. Empfehlenswert ist, täglich mindestens zwei Liter Mineralwasser, Obstsäfte oder Tee zu trinken. Die Ausscheidungsleistung der Niere wird dadurch unterstützt, denn je mehr Flüssigkeit die Niere durchläuft, umso mehr Harnsäure kann in der Flüssigkeit gelöst und schließlich ausgeschwemmt werden.

Der Genuss von Kaffee, Schwarztee oder Kakao ist unbedenklich, da deren Purine, etwa das Xanthin Koffein, im Organismus zu Di- und Monomethylxanthin und entsprechenden Harnsäurederivaten, aber eben nicht zu Harnsäure, abgebaut werden. Eine Studie der Harvard Universität wies sogar nach, dass Koffein den Harnsäurewert leicht senken kann.

Gewarnt werden sollten Patienten jedoch unbedingt vor fruchtzuckerhaltigen Diätdrinks. Beim Fruktoseabbau wird Adenosintriphosphat (ATP) verbraucht und zu Adenosinmonophosphat (AMP) umgewandelt, einem Vorläufer der Harnsäure. Der Zucker Fruktose kann bei seinem Abbau den Harnsäurespiegel demzufolge steigern. Das Risiko, eine Gicht zu bekommen, wird durch fruktosehaltige Süßgetränke um 45 Prozent erhöht, so die aktuelle Studienlage. Selbst das Vertilgen sehr großer Früchtemengen kann wegen der enthaltenen Fruktose und deren geschilderten Metabolisierung den Harnsäurespiegel kurzfristig steigen lassen.

Langsam abnehmen Bei Adipositas ist die Harnsäurebildung erhöht und die Ausscheidung erniedrigt, was einen Gichtanfall begünstigt. Tatsächlich sind mehr als die Hälfte der Betroffenen, die an Hyperuikämie beziehungsweise Gicht leiden, übergewichtig. Hier sollte ein Body-Mass-Index (BMI) von unter 25 angestrebt werden. Übergewichtige sollten allerdings langsam ihr Körpergewicht normalisieren. Crashdiäten oder Fastenkuren sind tabu. Der Organismus bildet sonst Ketonkörper, die im proximalen Tubulus der Niere die gleichen Carrier (Transporter) benötigen wie die Harnsäure, um sezerniert und schließlich ausgeschieden zu werden.

Durch schnelles Abnehmen und gar Fasten würde die Harnsäureausscheidung über die Niere nur zusätzlich gehemmt. Der Säure-Basen-Haushalt geriete komplett durcheinander. Dies kann einen akuten Gichtanfall auslösen.

Wichtig: Die Ernährung muss dauerhaft umgestellt werden. Es darf nicht etwa unter der Woche Purindiät gehalten, am Wochenende oder bei Festivitäten aber ordentlich geschlemmt werden. Bei richtiger Umstellung ist eine Verringerung der Harnsäurewerte im Blut um etwa 20 Prozent erreichbar. Dies reicht vielfach, um keine Medikamente gegen Gicht nehmen zu müssen. Und: Purinarme Diät und Genuss stehen nicht im Widerspruch.

Sinnvolle Nahrungsergänzungmittel bei erhöhten Harnsäurewerten und Gicht sind zum einen hochwertige Mineralstoffmischungen, die im Organismus ein basisches Milieu fördern, der Übersäuerung des Stoffwechsels entgegenwirken und damit auch Harnsäure ausscheiden helfen. Auch Vitamin E (alpha-Tocopherol) und Vitamin C (Ascorbinsäure), beides Vitamine, die entzündliche Prozesse im Körper mit hemmen, können hilfreich sein.

Bewegung Zu einem gesunden Lebensstil gehört auch ausreichende körperliche Aktivität. Der Stoffwechsel wird hierdurch positiv beeinflusst. Für Gichtpatienten geeignet sind sanfte, gelenkschonende Sportarten wie Schwimmen, Rad fahren, Skilanglauf und (Nordic) Walking. Joggen und Ballsportarten sind für die Gelenke meist zu belastend.

Bis heute ist umstritten, ab wann eine Hyperuikämie medikamentös behandelt werden soll oder muss. Da Gewichtsreduktion und Ernährungsumstellung vielerlei Nutzen bringen, sollte der Patient zunächst hierzu motiviert werden. Bei manifesten Gichtbeschwerden, spätestens aber bei Harnsäurewerten im Blut über 9,0 Milligramm pro Deziliter (mg/dl) ergänzen jedoch meist Arzneimittel die Diät. Welche dies sind, erfahren Sie im dritten Repetitoriumsteil.

LINKS UND HINWEISE
www.gichtliga.de
Website der Deutschen Gichtliga e.V., inklusive weiterführenden Links, Gichttelegramm und Patientenforum
www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=994
Purin- und Harnsäurewerte der wichtigsten Nahrungsmittel (Angaben in mg/100g). Die Purine-Harnsäure-Umrechnung: 1 mg Harnsäure = 0,42 mg Purine; 1 mg Purine = 2,4 mg Harnsäure

Apotheken-Dienstleistungen

  • „Viel Trinken – möglichst zwei bis drei Liter pro Tag“, ist ein Tipp, der bei zahlreichen Erkrankungsgefahren vorbeugend oder lindernd hilft. Bei Gicht wird die Ausscheidung der Harnsäure beschleunigt, das Risiko für Harnsäurenierensteine sinkt.
  • Zahlreiche Apotheken bieten Blutuntersuchungen an. Durch Bestimmung des Laborparameters Harnsäure können sich diese Apotheker wunderbar in die Kontrolle der Gicht einschalten. Betroffene sollten dann Blutwerte von 5,5 mg/dl bis maximal 6,4 mg/dl anstreben. Aber auch Kunden, in deren Verwandtschaft Gichtanfälle schon auf getreten sind, sollten aufgrund des erblichen Faktors dazu animiert werden, vorsorglich ihren Harnsäurespiegel regelmäßig zu kontrollieren.
  • Bei Rezepten mit Gichtmedikamenten dran denken: Zwar erlaubt die Medikamenteneinnahme dem Betroffenen größere Freiheiten in Sachen Ernährung, sie fordert ihm aber auch mehr Selbstverantwortung ab. Ein wiederholter, freundlicher, leicht mahnender Hinweis des Apothekenpersonals „Meiden Sie bitte Lebensmittel mit hohem Puringehalt“ kann hier manchmal Wunder wirken.
  • Viele Apotheken halten Broschüren oder gute Patientenratgeber zur vertiefenden Lektüre für zu Hause vorrätig. Empfehlen beziehungsweise verkaufen Sie diese.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/11 ab Seite 48.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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