© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Fetale Alkoholspektrumstörungen

GEZEICHNET FÜRS LEBEN …

… schon vor der Geburt. Alkoholgeschädigte Babys weisen schwere körperliche und geistige Beeinträchtigungen auf. Schäden, die zu 100 Prozent vermeidbar wären: durch völligen Alkoholverzicht in der Schwangerschaft.

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Anders als die anderen Typischerweise sind Kinder mit FAS bei der Geburt kleiner und leichter als gesunde Gleichaltrige. Zudem weisen sie krankheitstypische Gesichtsfehlbildungen auf: Kurze Lidspalten, Verkürzung und Abflachung des Mittelgesichts, verkürzter Nasenrücken, verstrichenes Philtrum, das ist das Grübchen zwischen Nase und Oberlippe, schmale Oberlippe und fliehendes Kinn gehören dazu. Je nach Entwicklungsphase des Ungeborenen hat Alkohol unterschiedliche schädigende Wirkungen: So leiden Betroffene oft unter Fehlbildungen von Organen und Skelett, häufig sind Herzfehler und deformierte Extremitäten.

Irreversible Schäden Besonders dramatisch sind die mannigfaltigen Schäden des zentralen Nervensystems, die der Alkohol auslöst. Fehlentwicklungen des Gehirns führen bei einer Vielzahl alkoholgeschädigter Kinder zu geistiger Entwicklungsverzögerung und verminderter Intelligenz. Gestörte Sprachentwicklung, geringe Merk- und Konzentrationsfähigkeit, unzureichende Impulskontrolle, Hyperaktivität und, und, und – die Liste der möglichen Beeinträchtigungen ist lang und lässt erahnen, wie schwer es Betroffene im Leben haben. Im Kindesalter bereitet es jungen FASD-Patienten häufig Probleme, sich an Regeln zu halten und Freunde zu finden, als Jugendliche geraten sie mitunter mit dem Gesetz in Konflikt oder machen selbst Erfahrungen mit Alkohol und anderen Drogen.

Und damit nicht genug: Untersuchungen erwachsener Patienten zeigen, dass die vorgeburtliche Alkoholschädigung lebenslang andauernde Störungen nach sich zieht. Sehr viele FASD-Betroffene sind nie in der Lage, ein eigenständiges Leben zu führen. Fetale Alkoholspektrum-Störungen lassen sich nicht rückgängig machen oder gar heilen. Eine möglichst frühzeitige Diagnose ermöglicht es jedoch, geeignete Behandlungs- und Fördermaßnahmen zu ergreifen. Eine spezielle FASD-Therapie gibt es zwar nicht, doch können Maßnahmen wie Frühförderung, Krankengymnastik, Logopädie, Ergotherapie, Verhaltenstherapie und Co. entscheidend dazu beitragen, die Lebensqualität Betroffener zu verbessern. Feste, klare Alltagsstrukturen und konkrete, einfache Anleitungen können Kindern, aber auch Erwachsenen dabei helfen, ihr Leben besser zu meistern.

Kein Tropfen Der völlige Alkoholverzicht in der Schwangerschaft ist die einzige Möglichkeit, Fetale Alkoholspektrum-Störungen zu 100 Prozent zu vermeiden. Zur Erinnerung: Alkohol ist ein Zellgift, das das ungeborene Kind in allen Entwicklungsstadien unmittelbar schädigt. Da Hochprozentiges ungehindert die Plazentaschranke passiert, ist das Baby den gleichen Alkoholpegeln ausgesetzt wie die Mutter. Während Alkohol in der Leber der Schwangeren enzymatisch abgebaut wird, ist dies in der unreifen Leber des Ungeborenen nicht oder nur in geringem Umfang möglich. Erst wenn sich der Alkoholspiegel der Mutter senkt, geschieht dies – allerdings zeitverzögert – auch beim Kind, wodurch es länger der toxischen Wirkung des Alkohols ausgeliefert ist.

Im Gegensatz zu einem Irrglauben hat übrigens nicht nur chronischer Alkoholmissbrauch der werdenden Mutter dramatische Folgen. Auch geringe Mengen können das ungeborene Kind schwer und dauerhaft schädigen. Inwiefern Wein, Bier und Co. irreversible Schäden anrichten, hängt nämlich nicht nur von der getrunkenen Menge ab, sondern auch davon, welche Bereich, beispielsweise im Gehirn des Kindes, sich gerade entwickeln. Auch die individuelle Alkoholtoleranz der Schwangeren spielt eine Rolle. Experten sind sich einig: Es gibt nach heutigem Kenntnisstand keine Menge an Alkohol, die in der Schwangerschaft als unbedenklich eingestuft werden kann. Deshalb sollten werdende Mütter neun Monate lang keinen Tropfen trinken. Alkoholabstinenz sollte natürlich auch in der Stillzeit selbstverständlich sein, denn auch hier trinkt das Baby mit.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 09/2020 ab Seite 80.

Andrea Neuen, freie Journalistin

Am 9. September wird alljährlich der „Tag des alkoholgeschädigten Kindes“ begangen. Ein wichtiger Aktionstag, der uns nachdenklich macht. Aber auch ein sehr einprägsames Datum – denn neun Monate dauert eine Schwangerschaft. Und so lange lebt das Ungeborene mit dem Risiko, eine Fetale Alkoholspektrum-Störung zu entwickeln, wenn seine Mutter zum Glas greift. Hinter dem sperrigen Begriff Fetale Alkoholspektrum-Störungen, kurz (FASD = Fetal Alcohol Spectrum Disorders), verbergen sich unterschiedlich stark ausgeprägte vorgeburtliche Schädigungen mit einer gemeinsamen Ursache: Alkoholkonsum in der Schwangerschaft.

Alkohol und dicker BauchDiese verhängnisvolle Kombination gehört zu den häufigsten, nicht genetisch bedingten Ursachen für angeborene Fehlbildungen, geistige Behinderungen, hirnorganische Beeinträchtigungen, Entwicklungsstörungen und extreme Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern. Erschreckend: Kinder mit FASD kommen nicht nur geschädigt zur Welt, sondern müssen lebenslang mit massiven Handicaps leben. Den eigenen Platz in der Gesellschaft finden? Eine glückliche Partnerschaft führen? Freundschaften pflegen? Das Leben eigenverantwortlich meistern? Vorgeburtlich alkoholgeschädigten Menschen bleiben die Chancen auf Normalität und ein bisschen Lebensglück oft verwehrt.

Nach aktuellen Schätzungen werden in Deutschland jährlich mehr als 10 000 Kinder mit Fetalen Alkoholspektrum-Störungen geboren, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Rund 3000 Kinder weisen das Vollbild des Fetalen Alkohlsyndroms (FAS) auf – und sind in der Regel ein Leben lang auf Hilfe angewiesen. Aber auch weniger ausgeprägte vorgeburtliche Alkoholschäden, wie beispielsweise das partielle Fetale Alkoholsyndrom (pFAS), haben schwerwiegende körperliche, kognitive und soziale Einschränkungen zur Folge.

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