Ginseng © bong hyunjung / iStock / Getty Images Plus
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Botanicals

GESUNDHEIT & LANGES LEBEN

In der asiatischen Medizin wird Ginseng seit Jahrtausenden als Allheilmittel zur Erhaltung der körperlichen und geistigen Gesundheit eingesetzt. Auch bei uns wird er als Tonikum vertrieben. Was kann er wirklich?

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Der Echte Ginseng (Syn. Koreanischer Ginseng, Panax ginseng C.A. MEYER) gehört zur Familie der Araliengewächse (Araliaceae) und ist damit mit unserem Efeu verwandt. Die eher unscheinbare Pflanze bildet etwa 30 bis 80 Zentimeter (cm) hohe dünne Stängel, an denen vier- bis fünfzählige, handförmig geteilte, langgestielte Blätter stehen. Nach drei bis vier Jahren blüht der Ginseng zum ersten Mal. Jeweils 15 bis 30 kleine weiße bis grünliche Blüten erscheinen in Dolden, aus denen sich hellrote, glänzende Beeren mit jeweils zwei Samen entwickeln. Von heilkundlichem Interesse ist ihre spindelförmige, bräunlich-gelbe Wurzel mit geteilter Spitze, die etwa 12 bis 20 cm lang und bis zu 2 cm dick wird. Man findet die im Schatten gedeihende Pflanze wildwachsend an den Nordhängen der tiefen Bergtäler Ostasiens in den Urwäldern von Nordkorea und der Mandschurei.

Kulturginseng Heute sind wilde Ginsengpflanzen eher selten. Da sie in freier Natur nur äußerst langsam wachsen, werden sie inzwischen aufgrund der großen Nachfrage kultiviert. Große Kulturen befinden sich vor allem in Korea, China, Japan, der Ukraine und der Umgebung von Moskau. Dort wächst die mehrjährige Staude in schattigen Wäldern als Unterwuchs oder mit Strohmatten abgedeckt auf Plantagen. Der Ginsenganbau erfolgt noch heute oft ausschließlich in aufwendiger Handarbeit und erfordert einen großen Arbeitsaufwand sowie viel Geduld. Erst nach etwa sieben Jahren haben die Wurzeln ein Gewicht von 60 bis 100 Gramm erreicht und können geerntet werden.

Wildwachsende Wurzeln würden erst in einem Alter von 150 bis 200 Jahren derart kräftig sein und ein derartiges Gewicht aufweisen, allerdings mit einem höheren Wirkstoffgehalt als die kultivierte Variante. Für den Handel werden die Wurzeln einzeln geprüft und nach Größe und Aussehen und damit nach Qualitätsklassen sortiert. Je größer und kräftiger die Wurzel und je ausgeprägter und unverletzter ihre feinen Haarwurzeln sind, um so höher ist ihr Wirkstoffgehalt.

Roter und weißer Ginseng Es wird zwischen roter und weißer Ginsengwurzel unterschieden. Dabei handelt es sich nicht um verschiedene Sorten, sondern um unterschiedliche Handelsformen. Prinzipiell unterscheiden sich diese beiden nicht in ihrer Wirksamkeit, sie wurden lediglich nach der Ernte anders behandelt. Werden die leicht verderblichen, weißen Wurzeln zur Sterilisierung und Konservierung vor dem Trocknen mit heißem Wasserdampf behandelt, wird die Maillard-Reaktion in Gang gesetzt, durch die die Wurzeln eine rotbraune Farbe und eine hornartige Beschaffenheit annehmen. Da für die Zubereitung des roten Ginseng Wurzeln von hoher Qualität ausgewählt werden, lassen sich meist auch gewisse qualitative Unterschiede feststellen. Roter Ginseng wird in der Regel zwei Jahre später als weißer Ginseng geerntet. Damit sind seine Wurzeln älter und tragen mehr feine Haarwurzeln, sodass sie häufig einen höheren Wirkstoffgehalt verzeichnen.

Wundersame Wurzel Im chinesischen Sprachraum heißen die Wurzeln „schen-schen“ oder „schin-schen“, was so viel wie „Menschenwurzeln“ bedeutet. Der Name ist auf ihre menschenähnliche Gestalt zurückzuführen und wurde dann bei uns zu „Ginseng“ eingedeutscht. Das ungewöhnliche Äußere hat seit jeher die Fantasie der ostasiatischen Völker angeregt. Unzählige Geschichten und Legenden ranken um die Wurzel, in denen ihr wahre Wunderwirkungen nachgesagt werden. Bereits alte chinesische Bücher berichten, dass sie die Lebensgeister wecken, die Seele harmonisieren und die Gedanken klären soll. Bei langer Einnahme wurde eine den Körper kräftigende und das Leben verlängernde Wirkung versprochen.

Noch heute zählt Ginseng in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) zu den bedeutendsten Heilmitteln, und wird als Mittel zur Stärkung der Lebenskraft Qi eingesetzt wird. Auf diese quasi allheilende Wirkung geht der Gattungsname Panax zurück, der „allheilend“ bedeutet (von griech. pan = alles und akos = Heilmittel). Wegen dieser sagenhaften Heilkräfte waren die Wurzeln im alten China hochbegehrt und nur den Kaisern vorbehalten. Ginseng galt als so wertvoll, dass er neben Gold und Silber als Zahlungsmittel gebräuchlich war. Nach Europa gelangte die Wurzel bereits im neunten Jahrhundert. Arabische Seefahrer sollen sie nach Spanien gebracht haben. Aber erst im 17. Jahrhundert interessierte man sich für ihre Heilkraft, vor allem lag das Augenmerk auf der potenzsteigernden Wirkung, für die die Wurzel damals in den ostasiatischen Ländern auch gerühmt wurde.

Adaptogen und Tonikum Inzwischen werden Zubereitungen der Ginsengwurzel adaptogene Eigenschaften zugeschrieben. Das heißt, sie sollen dem Körper dazu verhelfen, sich nach großer Anstrengung schneller zu regenerieren. Die Kommission E erkennt in ihrer positiven Monographie den Einsatz von Ginseng radix als Tonikum zur Stärkung und Kräftigung bei Müdigkeits- und Schwächegefühl, nachlassender Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit sowie zur Rekonvaleszenz an. Die ESCOP bewertet die Ginsengwurzel in gleicher Weise. Zudem wurde sie vom HPMC (Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA - Herbal Medicinal Products Committee) als traditionelles Arzneimittel eingestuft. Die Wirkungen gehen auf Triterpensaponine vom Dammaran-Typ zurück, die auch als Ginsenoside (früher Panaxoide) bezeichnet werden.

Weitere wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe sind Polysaccharide und Polyacetylene (Panaxynol). Als Tagesdosis gelten ein bis zwei Gramm Droge mit mindestens 1,5 Prozent Ginsenosiden. Die Wurzel ist allerdings als Droge nicht üblich. Geeignete Darreichungsformen sind Extraktpulver zum Auflösen oder standardisierte Extrakte in Kapseln. Aber Achtung, viele Ginsengpräparate - sowohl traditionelle Arzneimittel als auch Nahrungsergänzungsmittel (NEM) - sind unterdosiert. Vor allem in Kombinationspräparaten ist der Ginsenganteil oftmals gering. Bei den NEM lassen sich unter Umständen gar keine Aussagen zur Qualität machen, da Angaben zur Menge der verwendeten Ginsengwurzel nicht selten fehlen.

Verschiedene Ginseng-Arten Neben dem Echten Ginseng, der auch koreanischer Ginseng genannt wird, sind noch weitere Ginseng-Arten im Handel. Vor allem sind der Sibirische Ginseng (Eleutherococcus senticosus), der Chinesische Ginseng oder Notoginseng (Panax pseudoginseng) und der Amerikanische Ginseng (Panax quinquefolius, Syn. Panax americanus) bekannt. Sie stammen zwar auch aus der Familie der Araliaceae und ihr Inhaltsspektrum ähnelt dem des Echten Ginseng.

Es ist aber nicht identisch, Wirkstoffmuster und Wirkgehalt der Inhaltsstoffe unterscheiden sich. Von den verschiedenen Panax-Arten hat bei uns der Sibirische Ginseng, der auch Taigawurzel genannt wird, besondere Bedeutung erlangt. Auch für ihn haben die Kommission E und ESCOP eine positive Monographie verabschiedet und er wurde vom HPMC als traditionelles Arzneimittel eingestuft. Die anderen beiden Arten sind in Deutschland nicht handelsüblich.

Achtung Die Verträglichkeit der Ginsengwurzel gilt im Allgemeinen als gut. Dennoch sind Schlaflosigkeit und gastrointestinale Beschwerden vor allem nach Langzeitanwendung höherer Dosen möglich. Zudem kann es zur Blutdrucksteigerung kommen. Da Ginsengwurzeln auch über blutzuckersenkende Eigenschaften verfügen, sind sie nicht für Diabetiker geeignet. Auch sollten Patienten, die gerinnungshemmende Medikamente bekommen, keine Ginsengpräparate einnehmen, da Wechselwirkungen nicht ausgeschlossen werden können.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/2021 ab Seite 66.

Gode Chlond, Apothekerin

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