© DIE PTA IN DER APOTHEKE
© DIE PTA IN DER APOTHEKE

Berühmte Apotheker

GESPÜR FÜRS GESCHÄFT

Er hat sich aus „kleinen“ Verhältnissen hochgearbeitet. Er war ein guter Apotheker, Fabrikant und Marketingunternehmer und sein Name ist noch heute bekannt: Ernst Christian Friedrich Schering.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Berlin und die Schering-Werke – wer kennt sie nicht? Auch wenn das seit 1871 bestehende Unternehmen seit 2006 nicht mehr eigenständig agiert, sondern durch Übernahme zur Bayer Pharma AG gehört. Und selbst der Firmenname „Schering“ 2011 aufgegeben wurde – zugunsten Bayer Pharma AG. Doch wie entstanden die Schering-Werke im 19. Jahrhundert überhaupt? Beziehungsweise: Welcher Mann stand als treibende Kraft hinter Gründung und Expansion dieses Unternehmens, gab ihm letztlich für mehr als 150 Jahre seinen Namen?

Apotheker wider Willen Ernst Christian Friedrich Schering wurde am 31. Mai 1824 in Prenzlau als jüngstes Geschwisterkind eines Gastwirtes geboren. Nach Besuch des Prenzlauer Gymnasiums sollte er auf elterlichen Wunsch unbedingt Apotheker werden. Er selbst bevorzugte als Berufswunsch Förster, da er die apothekerliche Arbeit als ungesund ansah und die Gründung einer Apotheke sehr viel Geld erforderte. Doch dem familiären Druck gab er nach, nachdem er freie Kost und Logis bei seinem älteren Bruder, der Justizrat in Berlin war, erhielt sowie 1940 tatsächlich einen Ausbildungsplatz in der Apuliusschen Apotheke (Apotheke zum Schwarzen Adler), einer der damals besten Apotheken Berlins.

Schon damals entwickelte er Ideen „schmutzige“ Chemikalien für pharmazeutische Zwecke möglichst „sauber“, chemisch rein herzustellen. Nach der Gehilfenprüfung 1844/45 arbeitete Ernst Schering als Apothekengehilfe auf Wanderschaft in Witten an der Ruhr, Köln, Aachen, Pasewalk sowie erneut in Berlin. Hier studierte er ab 1848 Pharmazie und bestand am 6. August 1850 sein Examen zum Apotheker Erster Klasse mit „sehr gut“.

Heirat und Apothekenkauf Nachdem Schering geheiratet hatte, war er auf der Suche nach einer eigenen Apotheke – und wurde 1851 fündig: Er kaufte die 1830 eröffnete Schmeißersche Apotheke (Apotheke zum Weißen Schwan) in der Chausseestraße in Berlin und benannte sie in „Scherings Grüne Apotheke“ um. Dieses bescheidene einstöckige Haus zwischen zwei größeren „Mietskasernen“ war die Keimzelle des späteren Groß-Unternehmens. Denn den nicht unerheblichen Kaufpreis konnte er nur durch Geldleihen und Hypothek stemmen – und die nicht unbeträchtlichen Schulden veranlassten ihn, nach einem Nebengewerbe zu suchen.

So stellte er in seinem kleinen Labor Chemikalien, die zu dieser Zeit häufig importiert werden mussten, selbst her – und zwar mit dem Ziel größter Reinheit. Seine Präparate besaßen im Vergleich zu den Importen tatächlich hervorragende Qualität! Auch auf die Herstellung von Fotochemikalien – ein Wachstumsmarkt, der sich als besonders lukrativ erwies – spezialisierte er sich. Beide Gebiete waren Marktlücken wie sich herausstellte!

Zum anderen konnte Ernst Schering durch die unmittelbare Nähe zu einem Fabrikkomplex, dessen Arbeiter die größte Kundengruppe der Apotheke waren, im Umgang mit diesen Erfahrungen und Einsichten sammeln, die wichtig für sein späteres Verständnis von Unternehmertum wurden. Seine Chemikalien präsentierte er auch 1855 auf der Pariser Weltausstellung und kehrte preisgekrönt heim. Die Nachfrage wuchs, er belieferte die Parfümerie-, Textil-, Leder-, Seifen- und Feuerwerksindustrie. Aus der „Grünen Apotheke“ entwickelte sich etappenweise eine Fabrik für chemische und pharmazeutische Präparate.

Fabrikgebäude und Fast-Konkurs 1858 kaufte Schering an der ehemaligen Stadtgrenze im damals noch kaum bebauten Berlin-Wedding ein Grundstück auf dem 1864 dann das Stammgebäude der Scheringschen Chemischen Fabrik errichtet wurde. Fotochemikalien, Chloroform und Chloral wurden im Großmaßstab hergestellt, im Apothekenlaboratorium weiterhin Feinchemikalien wie Jod- und Bromsalze, Gold-, Silber- und Platinsalze, Malzextrakt und Glycerin. Ein technisches Labor prüfte neue chemische Entdeckungen permanent auf ihre industrielle Verwertbarkeit.

Im Deutsch-Französischen-Krieg (1870/71) versorgte Schering mehrere Armeekorps mit Arzneimitteln, was ihm den „Roten Adler“-Orden IV. Klasse und den Titel eines „Königlichen Kommerzienrates“ bescherte. Vom Heereslieferanten zum Groß-Fabrikanten wurde er durch den erneuten Bau einer großen, modernen Fabrikanlage an der Müllerstraße in Wedding – wofür er zwecks Kapitalgenerierung die Firma am 23. Oktober 1871 in eine Aktiengesellschaft „Chemische Fabrik auf Actien (vormals E. Schering)“ umwandelte.

Übertriebene Spekulationen führten die zunächst prosperierenden Geschäfte jedoch 1873 in einen „Gründerkrach“ mit nachfolgender schwerer Wirtschaftskrise. Die zeitweise zahlungsunfähige „Chemische Fabrik“ wurde jedoch durch den Charlottenburger Hofapotheker Julius Friedrich Holtz (1836 bis 1911), der ab 1874 neben Schering die kommerzielle Leitung übernahm und sich als guter Kaufmann mit hervorragendem Organisationstalent erwies, vor dem Konkurs gerettet. Schon 1875 wurden sogar wieder Dividenden ausgeschüttet. Die Belegschaft wuchs bis 1879 auf 220 Personen und „Schering“ war ein weltweit anerkannter Markenname.

Soziales Engagement und Tod Schering selbst trug mit klugen Marketingentscheidungen, in Reisetagebüchern gut dokumentierten Reisen mit dem Zweck die Auslandsaktivitäten zu fördern, kluger Unternehmenskultur und sozialer Fürsorge für seine Mitarbeiter viel zur letztlichen Expansion bei. So konnten sich Scherings Mitarbeiter in der 1876 entstandenen „Freien Hilfskasse“ der Firma versichern, die damit zu den ersten Betriebskrankenkassen Deutschlands gehörte. Später kamen noch eine „Beamten- und Arbeiter-Pensionskasse“ und eine „Witwen- und Waisenkasse“ (Alterversorgungsfonds) hinzu.

In der 1868 von Schering mitgegründeten Deutschen Chemischen Gesellschaft wirkte Schering bis 1880 als Schatzmeister. Der Kontakt mit anderen führenden deutschen Chemikern formierte in ihm die Idee ab 1877 eine firmeneigene Forschungsabteilung aufzubauen, deren Innovationen die weitere Expansion letztlich sicherten. 1882 zog sich Schering aus gesundheitlichen Gründen aus dem Vorstand des Unternehmens zurück. Er verstarb am 27. Dezember 1889 mit 65 Jahren. Für Interessierte: Seine Grabstätte findet sich noch heute in Berlin-Kreuzberg, auf dem Friedhof III der Gemeinde Jerusalems- und Neue Kirche Abt. 4/3 G3 am Mehringsdamm.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/18 ab Seite 106.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

Ein Politikum!

Die Rolle des Apothekers: Vor 170 Jahren... und aktueller denn je... „Auch wir Apotheker haben, dem Gerüchte nach, eine Veränderung unserer Verhältnisse zu befürchten -, es soll nämlich die Gewerbefreiheit auch auf die Pharmacie ausgedehnt werden; ein erbärmliches Los steht dann dem Apotheker bevor. Er sinkt zum Krämer herab, muss die Wissenschaft, für die er schon so vieles getan, an der er mit Leib und Seele hängt, ganz unberücksichtigt lassen; es sähe schlimm mit der Menschheit, mit der kranken Menschheit aus, käme dies je zur Ausführung. – Welch ein Unsinn: der Apotheker wird Krämer, der Patient Ausbeutungsobjekt und die Wissenschaft geht vor die Hunde.“

Ernst Schering an seinen Bruder August, Brief vom 20.8.1848

×