© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Interview

„FRAUEN DEFINIEREN GESUNDHEIT ANDERS ALS MÄNNER!“

Die Auseinandersetzung mit den Gesundheitsfragen der Kunden und Kundinnen gehört in der Apotheke zum Beratungsalltag. Apothekerin Astrid Janovsky beschreibt im Interview das unterschiedliche Verhalten von Männern und Frauen.

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Haben Frauen andere gesundheitliche Herausforderungen zu bewältigen als Männer?
Bereits die Biologie konfrontiert Frauen mit anderen gesundheitlichen Problemfeldern als Männer. Dabei sind nicht nur Themen wie Menstruation, Geburt und Wechseljahre zu nennen. Die besondere weibliche Anatomie erhöht auch die Anfälligkeit für zum Beispiel Blasenentzündungen und Inkontinenz.

In einer repräsentativen Umfrage zum Thema Female Health gaben 75 Prozent der Frauen an, ein umfassenderes Gesundheitsempfinden zu haben als Männer, da für sie seelische und soziale Aspekte eine größere Rolle spielen. Stimmt das mit Ihren Erfahrungen überein?
In der Apotheke erleben wir Frauen tatsächlich als an Gesundheitsthemen und vor allem der Gesunderhaltung interessierter. Viele Männer befassen sich mit Gesundheit erst, „wenn‘s brennt“ – und gehen dann meist direkt zum Arzt. Frauen beugen häufiger vor, bevorzugen alternative, pflanzliche Heilmethoden und schätzen die Beratung in der Apotheke. Außerdem spielen für das „weibliche Wohlbefinden“ neben rein körperlichen Parametern auch psychische und soziale Aspekte eine Rolle.

Fungieren Frauen Ihrer Erfahrung nach häufig als Gesundheitsmanager für die gesamte Familie?
Frauen sind es gewohnt, sich um familiäre Belange zu kümmern. Das betrifft nicht nur das leibliche Wohl, sondern auch die Gesundheit der Liebsten – und dazu zählen neben dem Partner und den Kindern häufig auch die eigenen Eltern. Ich habe den Eindruck, dass viele Frauen die treibende Kraft dafür sind, dass sich Männer überhaupt mit ihrer (schwächelnden) Gesundheit auseinandersetzen.

Wie hoch schätzen Sie den Frauenanteil unter Ihren Apothekenkunden? Und wie hoch ist in Ihrer Apotheke die Frauenquote hinter dem HV-Tisch? 
Wir in der Apotheke sind – bis auf den Chef – eine reine „Weiberwirtschaft“. Und das funktioniert ausgezeichnet und sehr harmonisch. Auf Kundenseite hält sich bei den Rezepteinlösern die Geschlechterverteilung ziemlich die Waage. Bei der Selbstmedikation stellen Frauen den wesentlich größeren Kundenanteil. Ausnahme ist nur der Samstag: Da überwiegt bei uns ganz klar der Männeranteil. Die gehen nämlich mit Begeisterung auf den nahegelegenen Wochenmarkt und kommen im Anschluss dann zu uns, um die Bestellung ihrer Partnerin abzuholen.

Wie unterscheiden sich Beratungsgespräche von Männern und Frauen in der Offizin.
Frauen sind eher daran interessiert, nicht nur die Symptome zu bekämpfen, sondern der Ursache auf den Grund zu gehen. Viele Kundinnen interessieren sich auch für die Wirkweise eines Präparats und sind für längere Gespräche offen. Männer zeigen oft nur das Handy mit der Einkaufsauftrag-Nachricht der Frau. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass sich Frauen in der Apotheke wohler fühlen als Männer.

Einer aktuellen Erhebung im Auftrag von Dr. Böhm, der Frauengesundheitsmarke von Apomedica zufolge bevorzugt die Mehrheit der Frauen natürliche, pflanzliche Gesundheitsprodukte – ist dieser Trend auch in Ihrem Beratungsalltag spürbar?
Ja, das gesteigerte weibliche Interesse an pflanzlichen oder nicht chemisch hergestellten Präparaten ist sehr groß. Gerade bei Themen, die eine langfristige Einnahme nötig machen, wie prämenstruelles Syndrom, Inkontinenz oder Hautalterung, greifen Frauen gerne zu natürlichen Gesundheitsprodukten.

Geben Sie auch Tipps, die über eine Produktempfehlung hinausgehen? Speziell für Frauen?
Ich bin der Überzeugung, dass sich eine gute Beratung in der Apotheke dadurch auszeichnet, dass nicht nur ein Produkt verkauft und dessen Anwendung erklärt wird, sondern dass man auch Tipps darüber hinaus gibt. Diesen Gratis-Mehrwert schätzen insbesondere weibliche Kunden sehr. Manchmal sind es Ernährungsempfehlungen, manchmal einfache Übungen und manchmal der Einsatz von Hausmittelchen, die in jedem Haushalt vorrätig sind. Wenn ich beispielsweise bei Harnwegsbeschwerden ein Cranberry-Präparat empfehle, rate ich zusätzlich zur guten alten Wärmflasche, da diese sehr gut krampflösend wirkt. Kauft eine Kundin gegen Wechseljahres-Beschwerden ein Präparat mit Traubensilberkerze, gebe ich ihr zur Abmilderung nächtlicher Hitzewallungen den Tipp, ein Kühlgelkissen unter das Kopfkissen zu legen und dieses dann immer wieder zu wenden.

Fast drei Viertel der Befragten finden es wichtig, dass Arzneimittelhersteller sich mit speziell weiblichen Gesundheitsbedürfnissen beschäftigen. Inwiefern ist dieser Wunsch heute schon Wirklichkeit?
Es gibt mittlerweile ein paar Produkte am Markt, die sich mit weiblichen Problemfeldern beschäftigen. Ein komplettes Sortiment, abgestimmt auf weibliche Gesundheitsbedürfnisse, in hochwertiger Qualität erleichtert den Apotheken die Beratung in Sachen Frauengesundheit und gibt der Kundin Vertrauen und Sicherheit in eine Marke, die speziell auf Ihre Bedürfnisse abgestimmt ist. Besonders bei pflanzlichen Präparaten ist es wichtig, nur hochwertige Qualität einzusetzen.

Die Qualität bestimmt, ob ein Präparat wirkt und auch, ob es Verunreinigungen enthält – was besonders bei Produkten aus dem Internet ein großes Thema ist! Gerade im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel, bei denen die gesetzlichen Vorgaben sehr schwach sind, ist es wichtig, auf gute Qualität vertrauen zu können. Wenn ein Hersteller Nahrungsergänzungsmittel freiwillig in GMP-​Qualität, also gemäß Arzneimittelstandard, produziert, ist die Qualitätssicherheit garantiert. Und das ist zumindest für unsere Kundinnen ein wichtiges Argument.

Inwieweit ist Ihre Apotheke auf Frauenthemen und -produkte spezialisiert? Gibt es einen speziellen Sichtwahlbereich in Sachen Female Health?
Wir legen in unserer Apotheke einen sehr großen Schwerpunkt auf pflanzliche Präparate und hochwertige natürliche Nahrungsergänzungsmittel wie etwa Mineralstoffe, Vitamine und Probiotika. In unserer Freiwahl bestücken wir drei Regalfächer nur zum Thema Frauengesundheit.

Kann eine gezielte Ausrichtung auf weibliche Gesundheitsthemen, -bedürfnisse und -wünsche für Apotheken auch aus wirtschaftlicher Sicht interessant sein?
Dass die wirtschaftlichen Bedingungen für Apotheken immer härter werden, spüren wir schon seit einigen Jahren. Deshalb versuchen wir in unserer Apotheke, nicht nur die Themen Beratung und Service hoch zu halten, sondern uns auch auf Indikationsfelder zu spezialisieren, die Dr. Google nicht so leicht lösen kann. Eines davon ist die kompetente und umfassende Beratung im Bereich Female Health. Gerade bei sehr intimen Beratungsfeldern kommt neben fundiertem Wissen als Spezialanforderung auch noch der Aspekt Einfühlungsvermögen mit ins Spiel. Und menschliches Zuhören und Zuwenden kann das Internet nicht ersetzen.

Welche Beratungstipps haben Sie, wenn es um sensible, weibliche Gesundheitsthemen geht?
Prinzipiell gilt es im Kundengespräch immer, seinem Gegenüber respektvoll zu begegnen und jedes Anliegen ernst zu nehmen. Als Frau am HV kann man sich manchmal vielleicht noch ein bisschen besser in weibliche Gesundheitsthemen hineinversetzen. Wichtig ist aber in jedem Fall, einen vertraulichen Rahmen zu schaffen.

Dieses Interview finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/20 ab Seite 108.

Hier finden Sie eine Infografik zum Weiblichen Gesundheitsempfinden.

VITA 

Mag. Pharm. Astrid Janovsky ist Apothekerin und seit 2017 Filialleiterin der Central Apotheke im Baden-Württembergischen Wernau. Schon seit Jahren engagiert sich die Österreicherin für die Pharmazie auch außerhalb der Apotheke. Sie war beispielsweise Radioapothekerin auf ORF Radio NÖ und ist seit 2012 Redakteurin der österreichischen Fachzeitschrift „Apotheker Krone“. Auch als Moderatorin und Referentin für Schulungen von Apothekern und Apothekenteams sowie in Publikumsvorträgen kann man Frau Janovsky erleben.

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