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Lymphsystem

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Abfallentsorgung und Immunabwehr – das Lymphsystem besteht aus einer Vielzahl von Komponenten und ist hoch komplex. Auf diese Weise kombiniert es unterschiedliche lebenswichtige Funktionen.

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Spontane Assoziationen zum Lymphsystem umfassen die Lymphknoten, die bei Erkältungen anschwellen oder das Lymphödem, bei dem sich Flüssigkeit im Körper staut – und natürlich die Lymphe selbst, das „Allerfeinste, Intimste und Zarteste in dem ganzen Körperbetrieb“ . Doch wie hängen diese Dinge miteinander zusammen?

Anders als beim Blutgefäßsystem handelt es sich beim Lymphsystem nicht um ein geschlossenes System. Vielmehr beginnen die so genannten Lymphkapillaren „blind“ im Gewebe. Das Blut transportiert Sauerstoff, Nährstoffe sowie Hormone, weitere Wirkstoffe und sogar Zellen zum Zielgewebe. Dort treten sie, zum Teil zusammen mit etwas Flüssigkeit, aus den Blutkapillaren aus und gelangen von dem Interzellularraum sodann in die Zellen des Gewebes. Auf umgekehrtem Weg werden Stoffwechsel- und Abfallprodukte sowie Kohlendioxid vom Blut wieder abtransportiert – allerdings nicht vollständig.

Die zurückbleibenden Bestandteile, darunter Eiweiß- und Fettmoleküle, Zelltrümmer, aber auch Fremdkörper und Bakterien, werden in die Lymphgefäße aufgenommen. Auf diese Weise entstehen jeden Tag etwa zwei Liter klare Flüssigkeit, die Lymphe.

Die feinen Verästelungen der kleinen Gefäße vereinigen sich zu immer stärkeren Lymphbahnen, die schließlich in den Ductus thoracicus münden. Dieser beginnt im Lendenbereich, verläuft durch die Brusthöhle und mündet seinerseits schließlich in den linken Venenwinkel, sodass sich Lymph- und Blutgefäßsystem vereinigen.

Ebenfalls anders als beim Blutgefäßsystem gibt es beim Lymphsystem keine zentrale Pumpe. Stattdessen sorgen viele kleine Lymphangione (Lymphherzen) für den Transport der Lymphe. Dieses sind Gefäßabschnitte mit verdickter Außenwand, deren glatte Muskulatur die Lymphe mit ungeordneten Kontraktionen durch nur in eine Richtung öffnende Ventilklappen transportiert. Dabei „schlagen“ die Lymphherzen etwa zwei bis fünf Mal pro Minute.

Zudem sorgen die Bewegung der Gliedmaßen und das Zusammenpressen der Lymphgefäße für den passiven Transport der Lymphe. Auf ihrem Weg passiert sie zahlreiche Lymphknoten, die quasi als Sortierstationen dienen. In ihnen befinden sich B- und T-Lymphozyten: Hier werden Krankheitserreger und Zelltrümmer herausgefiltert. Große Ansammlungen von Lymphknoten befinden sich im Achsel- und Lendenbereich sowie im seitlichen Bereich von Kopf und Hals.

Lymphatische Organe Die Lymphknoten gehören zu den so genannten sekundären lymphatischen Organen, in denen die Lymphozyten einen Reifungs- und Differenzierungsprozess durchlaufen und ihre Arbeit verrichten: Dringen bei einer Infektion Krankheitserreger in den Körper ein, so werden sie mit der Lymphe zu dem/den nächstgelegenen Lymphknoten transportiert. Dort vermehren sich die Lymphozyten, die spezifisch auf diese Antigene reagieren, um die Erreger zu bekämpfen – geschwollene Lymphknoten sind somit ein Zeichen für die Aktivierung des Immunsystems.

»Primäre Lymphödeme werden durch eine angeborene Fehlbildung des Lymphsystems verursacht und treten in der Regel an den Beinen und beidseitig auf.«

Zudem werden die Lymphozyten zur Erregerabwehr im ganzen Körper verteilt. Zu den sekundären lymphatischen Organen zählen neben den Lymphknoten die Milz sowie die Mukosa-assoziierten lymphatischen Gewebe und Organe, wie die Tonsillen und die Peyer’schen Plaques (Lymphfollikel im Darm und im Wurmfortsatz des Blinddarms). Gebildet werden die Lymphozyten im Thymus und im Knochenmark, den primären lymphatischen Organen, die ebenfalls zum Lymphsystem dazu gehören.

Erkrankungen des Lymphsystems Immer wieder werden Lymphknoten mit Krebserkrankungen in Verbindung gebracht. Zum einen können Tumorzellen, die sich vom Primärtumor gelöst haben, in die Lymphe übertreten und sich beim Passieren von Lymphknoten dort festsetzen. Deshalb werden bei Tumoroperationen die Lymphknoten in der Umgebung daraufhin untersucht und nötigenfalls entfernt. Unabhängig davon können auch Lymphozyten selbst Krebserkrankungen verursachen, wenn sie sich unkontrolliert teilen (Lymphome).

Die bekannteste Erkrankung des Lymphsystems aber ist das Lymphödem. Laut der Deutschen Gefäßliga sind etwa 80 000 Menschen hier zu Lande betroffen. Bei ihnen können die Flüssigkeit und die lymphpflichtigen Bestandteile in den Zellzwischenräumen nicht effektiv als Lymphe abtransportiert werden. Primäre Lymphödeme werden durch eine angeborene Fehlbildung des Lymphsystems verursacht und treten in der Regel an den Beinen und beidseitig auf. Sekundäre Lymphödemen dagegen entstehen als Folge von Verletzungen, Operationen (z. B. Krebsoperationen), Entzündungen oder bösartigen Erkrankungen, sie sind meist einseitig und können am Arm, Bein oder anderen Bereichen des Körpers vorkommen.

Es handelt sich bei einem Lymphödem nicht einfach um eine Ansammlung von Flüssigkeit, sondern um eine progrediente, chronische Erkrankung mit Vermehrung und Veränderung der interstitiellen Flüssigkeit. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer Zunahme der Binde- und Fettgewebe und Veränderungen der extrazellulären Matrix. Heilen lässt sich ein Lymphödem nicht. Ziel der Behandlung ist es daher, den Lymphtransport zu weit wie möglich zu normalisieren und die Beschwerden zu lindern.

Behandlung Die Basistherapie des Lymphödems besteht in der komplexen physikalischen Entstauungstherapie (KPE). Sie umfasst eine manuelle Lymphdrainage, eine Kompressionstherapie mit speziellen Wechselbandagen beziehungsweise medizinischen individuell angepassten Kompressionsstrümpfen, entstauende Bewegungsübungen sowie eine sorgfältige Hautpflege.

Die Therapie wird in drei Phasen durchgeführt: Ziel der ersten Phase, die mehrere Wochen dauert, ist die Mobilisierung der rückgestauten eiweißreichen Ödemflüssigkeit sowie die Reduktion der Bindegewebsvermehrung. Dabei kommen zunächst alle Behandlungskomponenten mehrmals täglich zum Einsatz. In den anschließenden Phasen II (mehrere Jahre) und III (auf Dauer) wird die Intensität der Anwendungen so weit wie möglich reduziert.

Bakterielle und mykotische Hautinfektionen kommen beim Lymphödem häufig vor und müssen vor Beginn einer KPE therapiert werden. Aber auch die Bandagen und Kompressionsmaterialen trocknen die Haut aus, sie juckt, wird rissig und ihre Barrierefunktion wird beeinträchtigt. Daher ist eine konsequente Hautpflege mit natürlichen hautverwandten Fetten und Ölen essenziell (Feuchthaltefaktoren: Urea und Ceramide). Hautfalten sollten mit Körperpuder trocken gehalten werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/13 ab Seite 54.

Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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