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Heilpflanzen

ENGELWURZ

Die imposante, mannshohe Staude war vor allem im Mittelalter eine Heilpflanze mit hoher Reputation, die in keinem Kräutergarten fehlte. Noch heute wird die Engelwurz zu Arzneizwecken angebaut.

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Angelica archangelica L. ist eine aromatische, stattliche krautige Pflanze aus der Familie der Doldenblütler , die als Standort feuchte Stellen mit einem humösen, nährstoffreichen Boden bevorzugt. Man findet die Engelwurz daher vor allem in Flachmooren, an Flussufern, in Gräben oder Weidegebüschen sowie auf feuchten Wiesen.

Ursprünglich stammt die Pflanze aus den gemäßigten Zonen der nördlichen Regionen Europas (Skandinavien, Island, Grönland). Heute begegnet man ihr im Osten bis hin zum Altaigebirge und dem Baikalsee und im Süden wächst sie auf den Nordhängen der höher gelegenen Alpentäler.

Mächtige Erscheinung Im ersten Jahr entwickelt das Doldengewächs eine rübenartige Wurzel, aus der im Folgejahr ein kräftiger etwa fünf Zentimeter großer braungrauer bis rötlicher Wurzelstock mit einem gelblichen, bitter schmeckenden Milchsaft entsteht. Aus ihm entspringen aufrechte, markig-hohle, fein gerillte und nach oben hin meist rot überlaufene und verästelnde Stängel, die bis zu zwei Meter hoch werden können. Am Grund der Stängel werden die ein- bis dreiteilig gefiederten Blätter bis zu 90 Zentimeter groß. Aufsteigend sind sie zunehmend kleiner.

Während die Grundblätter auf langen röhrigen Stängeln sitzen, wachsen die oberen Blätter aus großen bauchigen Blattscheiden heraus. Die großen ballförmigen, grünen Doldenblüten, die aus zahlreichen Einzelblüten zusammengesetzt sind, stehen auf bis zu 15 Zentimeter langen Stielen und blühen von Juli bis August des zweiten Vegetationsjahres. Danach stirbt die Engelwurz in der Regel ab.

Genießbar Als Pflanze des Nordens war sie nicht den antiken Autoren bekannt. Die ältesten Schriften stammen vielmehr aus den nördlichen Heimatländern. Noch heute verleihen die zerkleinerten Blätter und Blattstiele Suppen, Salaten und Saucen einen fein würzigen Geschmack. Blätter und Wurzeln kann man auch als Gemüse zubereiten. Die Stängel schmecken fruchtig und eignen sich zum Rohessen. Kandiert werden sie als Konfekt verzehrt, ebenso die Wurzel. Zudem ist Angelika geschätzter Bestandteil zahlreicher Magenliköre und Bitterschnäpse.

Heilig und engelhaft Im 10. Jahrhundert kam die Engelwurz mit den Wikingern nach Mitteleuropa. Die Mönche würdigten sie nicht nur als schmackhaftes und bekömmliches Nahrungsund Genussmittel. Sie erkannten zudem ihr medizinisches Potenzial und kultivierten sie in ihren Klostergärten als Heilpflanze. Die Kräuterbücher des Mittelalters rühmen vor allem ihre Wirkung gegen die Pest. So sollte beispielsweise allein das Riechen an einer mit Essig getränkten Wurzel vor dem schwarzen Tod bewahren. Ärzte kauten auf der Wurzel herum, um sich vor der Ansteckung zu schützen.

Ihr deutscher Name Engelwurz stammt aus dieser Zeit. Ein Engel soll einem Einsiedler die Wirkung gegen die Pest offenbart haben. Ebenso rühren sowohl der Gattungsname Angelika von lat. angelicus = Engel als auch der Artname Archangelica, was Erzengel bedeutet, von dieser Sage. Ferner verweisen das gängige Synonym Angelika (= engelhaft) sowie die in manchen Regionen übliche Bezeichnung Heiligengeistwurz darauf.

ACHTUNG!
Trotz der imposanten Größe des Doldenblütlers besteht bei Wildsammlungen Verwechslungsgefahr mit dem kleineren, aber sehr giftigen Gefleckten Wasserschierling.

Seit dem Mittelalter war die Angelikawurzel zudem Bestandteil des damaligen Universalmittels Theriak, was in der volkstümlichen Bezeichnung Theriakwurzel zum Ausdruck kommt. Darüber hinaus wurde die Pflanze früher als Abwehrzauber gegen Dämonen und Hexen am Körper getragen.

Bewährte Heilpflanze Heute findet vor allem die Wurzel (Angelicae radix) mindestens zweijähriger Pflanzen medizinische Verwendung, deren Qualität im Europäischen Arzneibuch beschrieben ist. Ihre Wirkung geht insbesondere auf das ätherische Öl mit seinen Hauptkomponenten alpha-Pinen, alpha- und beta-Phellandren und Limonen sowie auf die Bitterstoffe zurück.

Die Droge kommt bei Appetitlosigkeit sowie bei leichten Magen- und Darmkrämpfen, Völlegefühl und Blähungen zur Anwendung (Indikationen der Monografie der Kommission E), was auf ihrer appetitanregenden und verdauungsfördernden (Förderung des Gallensäureflusses und der Magensäuresekretion) sowie krampflösenden Eigenschaften beruht. Die Spasmolyse rührt wahrscheinlich von den enthaltenen Furanocumarinen her. Diese sind auch für die photosensibilisierenden Effekte verantwortlich, welche die Haut lichtempfindlich macht und Hautentzündungen auslösen kann.

Die Volksmedizin macht sich ihre hautreizende Wirkung äußerlich als mildes Hautreizmittel bei Neuralgien und rheumatischen Beschwerden zunutze. Darüber hinaus wird Angelikawurzel volksmedizinisch als schleimlösendes Hustenmittel, als Diuretikum und bei nervöser Schlaflosigkeit eingesetzt.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/15 ab Seite 32.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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