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Extremsport

EISKALTE LEIDENSCHAFT

Es ist kalt, nass, spiegelglatt und gefährlich: Eisklettern. Mit Eispickeln, Steigeisen und griffigen Handschuhen hangelt man sich gefrorene Wasserfälle, Gletscherzungen oder zerklüftete Gletscherbrüche hinauf.

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Klettern bei angenehmen sommerlichen Temperaturen in T-Shirt und kurzer Hose sind bekannt und beliebt. Doch das kraxeln geht auch, wenn es kalt ist. Sinken die Temperaturen über einen längeren Zeitraum unter Null und es bildet sich eine stabile Eisdecke, ist es Zeit für die Extremsportart Eisklettern. In der Natur, umgeben von einer faszinierenden Eisumgebung, besteht dann die Herausforderung darin, viele Dinge alleine zu koordinieren. Da wären das Selbstabsichern, die Planung von Auf- und Abstieg, das Einschätzen der Witterungsverhältnisse und der Aufenthalt im erklommenen Gebirge – ein Gesamtpaket an Herausforderung und ein Adrenalinkick, den man so schnell nicht vergisst.

Dry-Tooling
Bei der Unterart des Eiskletterns handelt es sich um eine Mischung aus Eis- und Felsklettern. Um an einzigartige Eiswände zu gelangen, müssen die Extremsportler zuvor oft felsige Abschnitte passieren.

Temperatur im Blick behalten Wie stabil so ein gefrorener Wasserfall ist, hängt sehr stark mit den jeweiligen Temperaturen zusammen. Sowohl stark ansteigende als auch extrem niedrige Temperaturen sind den Eiskletterern ein Dorn im Auge. Wenn es zu warm ist, können Eiszapfen abbrechen und das gesamte Gebilde droht einzubrechen. Ein solches Szenario kommt im Laufe eines Winters öfter vor, da es in den Wintermonaten nie konstant kalt bleibt. Auch warme Föhnwinde sind kein Freund der Extremsportler. Ist es zu kalt, wird das Eis beim Abkühlen zwar dichter, aber wiederum auch spröder. Die Geräte, die man dabei hat, wie beispielsweise Schrauben, können dann das Eis zum Splittern bringen, große Schollen könnten sich dabei lösen.

Wenn man in einer Gruppe klettert, sollte man immer darauf achten, nicht direkt übereinander zu klettern, um Unfälle mit einer herabstürzenden Scholle zu vermeiden. Am besten kann man Eisklettern bei Temperaturen um den Gefrierpunkt ausüben. Aber warum? Wenn tagsüber leichte Plusgrade herrschen, dann kann die Eisoberfläche leicht antauen. Nachts wiederum leichte Minusgrade – und das Eis wird elastisch, nicht so spröde, die Sportler können sich besser absichern und die Gefahr sinkt. Es gibt auch Situationen, in denen sich Hohlräume gebildet haben und das sichere An- bringen der Geräte nicht mehr gewährleistet ist. Generell gilt: Bevor man zu klettern beginnt immer schauen, ob die Temperatur noch geeignet ist. Sollte man unsicher sein, lieber auf eine Klettertour verzichten und nicht Kopf und Kragen riskieren. Wichtig ist außerdem die Form des Eisfalls. Je weniger Kontakt mit einem Felsen besteht und je dünner er ist, desto fragiler. Stabiles und gute Eis finden Sportler an Steilstufen und in Rinnen.

Kletterparadies Tirol
Österreich ist ein Kletter- Paradies. Vor allem im Pitztal, Ötztal und in der Region Innsbruck gibt es einige eisige Wasserfälle, die man gesehen haben sollte. Alfredo liegt im Gebiet Paznaun und ist vor allem für Einsteiger geeignet. Der Blässefall im Tannheimer Tal ist ein Wasserfall, der auch für Fortgeschrittene so einiges zu bieten hat. In der Region Nauders/Tiroler Oberland/Kaunertal liegt ein freihängender Eiszapfen, der sich vor allem für routinierte Eiskletterer eignet.

Richtige Ausrüstung ist wichtig Eines ist schon einmal von vornherein klar: Kälteempfindlich sollte man nicht sein, wenn man diese Extremsportart einmal ausprobieren möchte. Warme, isolierende Kleidung ist ein Muss. Das gilt vor allem für Handschuhe und Stiefel, da die Finger beim Greifen in das Eis beim Tragen von schlechten Handschuhen Erfrierungen bekommen können. Ähnlich sieht es beim Schuhwerk aus. Hier ist noch zu beachten, dass sie steigeisenfest sein müssen, da das Klettern im Eis ausschließlich mit Steigeisen möglich ist. Natürlich gibt es auch spezielle Kletterschuhe mit Zacken an den Sohlen. Die Kleidung sollte atmungsaktiv und wasserdicht sein und warm halten. Zudem sollte man keine zu enge Kleidung kaufen, weil man dadurch in der Bewegung eingeschränkt werden kann. Unter der normalen Kleidung sollte man Funktionsunterwäsche tragen, die ebenfalls atmungsaktiv ist.

Steigeisen & Co. Ein Eiskletterer sollte immer zwei Eisgeräte, zwei Steigeisen sowie Eisschrauben, Gurte und Seile bei einer Tour mit dabei haben. Durch die Steigeisen mit ih- ren Zacken bekommt man genügend Halt im Eis. Beim Eisklettern verwendet man sogenannte Zwölfzacker, die idealerweise verstellbar sind, damit sie sich genau an den jeweiligen Schuh anpassen können. Die Eisgeräte werden ins Eis geschlagen, damit man sich anschließend daran festhalten und ein Stück höher ziehen kann. Diesen Vorgang wiederholt man ständig, um sich so allmählich nach oben zu bewegen. Hier wird zwischen der Parallel- und der Dreieckstechnik unterschieden.

Bei der Paralleltechnik werden die Eisgeräte auf gleicher Höhe eingeschlagen. Im Gegensatz dazu bei der Dreieckstechnik versetzt, sodass die Füße und das höher gesetzte Eisgerät ein Dreieck bilden. Die Eisschrauben dienen als Zwischensicherung. Dadurch wird gerade bei längeren Routen verhindert, dass beim Sturz eines Kletterers alle von der Eiswand gerissen werden. Eisschrauben bestehen aus Stahl und sind teilweise mit einer einklappbaren Kurbel ausgestattet. Bringt man die Schrauben an, muss vor allem auf die Qualität des Eises geachtet werden. Lufteinschlüsse und ein schlecht gewählter Winkel können für den Sportler sehr gefährlich werden.

Am besten beim Eindrehen auf einen 90-Grad-Winkel achten. Sollte das Eis dies nicht zulassen, ist auch noch ein Winkel von 75 Grad möglich. Ein Helm darf selbstverständlich nicht fehlen Außerdem wäre es sinnvoll, eine Skibrille zu tragen, die das UV-Licht abfiltert und mögliche Eissplitter von den Augen fernhält. Eisklettern ist etwas Außergewöhnliches. Wenn man das richtige Equipment, eine gute Ausbildung und die Witterungsverhältnisse beachtet, verliert es etwas von seiner Gefährlichkeit, nicht aber den Adrenalinkick. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHE 05/17 ab Seite 84.

Nadine Scheurer, Redaktion

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