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Fortbildung Wissen intensiv - Teil 3

EINWAAGEKORREKTUR BEI MINDERGEHALT

Entscheidend ist nicht nur, dass der Wägevorgang an sich korrekt abläuft, sondern auch, dass die ausgewählte Menge geeignet für die herzustellende Rezeptur ist.

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Bei manchen Zubereitungen reicht es hierbei nicht aus, einfach die auf der ärztlichen Verordnung angegebene Wirkstoffmenge einzusetzen. Denn einige in der Rezeptur verwendete Wirk- und Konservierungsstoffe können chargenabhängig aufgrund eines niedrigen Ausgangsgehaltes oder/und zusätzlich hohem Wasseranteil/Trocknungsverlust einen Mindergehalt aufweisen. Betroffen sind beispielsweise viele Antibiotika, Vitamine und mitunter auch die Glukokortikoide.

Ein besonders drastisches Beispiel ist der Wirkstoff Erythromycin. Die Anforderungen an dieses Antibiotikum sind in der Monografie im Europäischen Arzneibuch festgelegt. Zugelassen ist eine Gehaltsspanne für die Ausgangssubstanz von 93,0 bis 102,0 Prozent und ein Wassergehalt von bis zu 6,5 Prozent. Im Extremfall kann also eine Charge auf dem Markt erhältlich sein, die einen Gehalt von nur 93,0 Prozent und einen Wasseranteil von 6,5 Prozent aufweist. Dies bedeutet, dass ohne eine Einwaagekorrektur in der fertigen Rezeptur bereits durch den Mindergehalt des Ausgangsstoffes ein um mehr als 13 Prozent zu niedriger Wirkstoffgehalt vorliegen würde!

Eine unkritische Verwendung solcher Rezeptursubstanzen führt damit zu einer starken Unterdosierung von Rezepturen. Um dies zu verhindern und die vom verschreibenden Arzt verordnete Dosierung in der Zubereitung einzuhalten, ist es notwendig, solche Mindergehalte bei der Anfertigung der Rezeptur zu berücksichtigen und auszugleichen. Während früher pauschale Zuschläge für bestimmte Stoffe gelistet waren, wird mittlerweile für jede neue Charge einer Rezeptursubstanz ein individueller Einwaagekorrekturfaktor berechnet. Das NRF empfiehlt eine Korrektur ab einem Mindergehalt von mehr als zwei Prozent bei Ausgangsstoffen. Kleinere Abweichungen können vernachlässigt werden.

Eine negative Einwaagekorrektur wird nicht empfohlen – einzige Ausnahme ist ein Gehalt der Ausgangssubstanz von mehr als 110 Prozent laut Prüfzertifikat. Die Berechnung der Einwaagekorrekturfaktoren ist im NRF unter den „Allgemeinen Hinweisen” im Kapitel I.2.1.1 beschrieben. Laut NRF ist schätzungsweise ein Viertel aller Substanzen von der Notwendigkeit einer Einwaagekorrektur betroffen. Je nach Art der Substanz und den auf dem Prüfzertifikat vorhandenen Angaben sind die Wirkstoffe in acht Gruppen eingeteilt. Für jede dieser Gruppen ist eine spezielle Formel zur Berechnung der Einwaagekorrektur anzuwenden.

Zu welcher der acht Gruppen ein Wirkstoff gehört, lässt sich anhand der Beschreibung und Beispielmonografien beziehungsweise am einfachsten anhand der alphabetischen Liste auf der aktuellen CD des NRF erkennen. Innerhalb der Gruppen werden die Korrekturfaktoren jeweils in analoger Weise errechnet. Eine zusammenfassende Darstellung der Wirkstoffgruppen zeigt die Tabelle auf Seite 106 (online: s. Grafik weiter unten). Zur genauen Berechnung ist das NRF bzw. die CD zum NRF zu verwenden.

Empfohlene Vorgehensweise zur Berechnung des Einwaagekorrekturfaktors: Sinnvoll ist es, diesen Faktor direkt bei der Eingangsprüfung des Ausgangsstoffes zu berechnen. Zuerst sollten die Angaben des Wirkstoff- und des Wassergehaltes (Achtung: Nicht bei Kristallwasser! – z. B. bei Aluminiumchlorid-Hexahydrat) beziehungsweise Trocknungsverlustes auf dem Prüfzertifikat kontrolliert werden.

Ist erkennbar, dass ein Mindergehalt vorliegt, wird die Gruppenzugehörigkeit des betreffenden Wirkstoffs bestimmt und die entsprechende Formel zur Berechnung des Einwaagekorrekturfaktors herausgesucht. Nun werden die benötigten Angaben aus dem Prüfzertifikat des Herstellers in die Formel eingesetzt und der Faktor berechnet. Der Faktor sollte auf drei Nachkommastellen gerundet und auf dem Gefäß vermerkt werden, sodass jeder Mitarbeiter, der den Stoff verwendet, den Faktor direkt zur Hand hat und keine erneute Berechnung erforderlich ist.

Zur Bestimmung der einzuwiegenden Masse wird bei der Herstellung die auf dem Rezept verordnete Menge mit dem Faktor multipliziert, wodurch man die tatsächlich notwendige, erhöhte Einwaage erhält. Auf dem Rezepturetikett sollte jedoch nicht die erhöhte Einwaagemenge sondern die ursprünglich verordnete Dosis des Wirkstoffs deklariert werden, um Verunsicherung beim Patienten oder Arzt zu vermeiden.

Ausnahmen, bei denen kein Faktor berechnet wird, stellen die Vitamine A und D3 sowie manche Antibiotika mit ihrer in Internationalen Einheiten (I.E.) angegebenen Aktivität dar. Hier ist es zum Teil sinnvoller, anstelle eines Einwaagekorrekturfaktors für jede Charge den individuellen Umrechnungsfaktor von Aktivität in Solleinwaage zu bestimmen. Einwaagekorrekturfaktoren für eine vorgegebene Masse können bei diesen Antibiotika nur unter der Annahme spezieller Referenzwerte errechnet werden.

Rechenbeispiel Verordnet werden 75,0 g der Hydrophilen Erythromycin- Creme 2,0 % (NRF 11.77.). Bei der Identitätskontrolle und beim Erstellen des Prüfprotokolls für das Erythromycin wird der Einwaagekorrekturfaktor für die neu gelieferte Charge berechnet. Auf dem Prüfzertifikat finden sich die folgenden Angaben: Gehalt (Summe Erythromycin A, B, C, getrocknet): 97,1 Prozent – dies entspricht cs*. Außerdem hat die Charge einen Wassergehalt von 4,5 Prozent (= w). Laut NRF Kapitel I.2.1.1 und der NRF CD fällt Erythromycin in die Gruppe 4, sodass die Formel fEinwaagekorrektur = (100,0 % / cs*) / (1,000 – w) gilt.

tabell mit gruppen zur einwaagekorrektur nach nrf i.2.1.1Die herstellende Person setzt die beiden Angaben aus dem Prüfzertifikat ein und erhält einen Einwaagekorrekturfaktor von 1,078. Sie bringt ein Etikett mit diesem Faktor auf dem Gefäß auf, sodass er für weitere Verwendungen der Substanz zur Verfügung steht. Bevor sie mit der Rezepturherstellung beginnt, berechnet sie die nötige Wirkstoffeinwaage. Ohne Korrektur hätte die Einwaage 1,5 g betragen. Nach dem Multiplizieren mit dem Einwaagekorrekturfaktor erhöht sich die benötigte Substanzmenge auf 1,62 Gramm (gerundet). Durch die Mehreinwaage von circa 120 Milligramm werden der Mindergehalt des Ausgangsstoffes sowie der Wasseranteil ausgeglichen.

Mitmachen und punkten!
Lesen Sie alle drei Teile unserer Fortbildung WISSEN INTENSIV zum Thema Richtiges Wägen, die wir Ihnen in Zusammenarbeit mit dem Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) e.V. anbieten.
Heft 01/12 – Teil 1: Basiswissen – Justieren, Kalibrieren, Eichung
Heft 02/12 – Teil 2: Umgang mit der Waage – Kennzeichnung
Heft 03/12 – Teil 3: Spezialfall: Einwaagekorrektur bei Mindergehalt
Mit Teil 3 gibt es im Fortbildungsbereich auch den Fragebogen (und damit die Möglichkeit, einen Fortbildungspunkt zu bekommen.)

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/12 ab Seite 104.

Lisa Schlegel, Apothekerin, Dr. Holger Latsch, Apotheker, Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) e.V.

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