Mann am Telefon © fizkes / iStock / Getty Images
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Krebserkrankungen

EIN KREBS, DER KAUM HOFFNUNG LÄSST

Bauchspeicheldrüsenkrebs ist gefürchtet, denn er wird fast immer zu spät erkannt und streut schon früh und aggressiv. Die meisten Betroffenen versterben bereits einige Monate nach der Diagnosestellung.

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Krebs der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) steht bei Frauen nur an sechster und bei Männern an zehnter Stelle der jährlichen neuen Tumorerkrankungen – ist aber die vierthäufigste krebsbedingte Todesursache. So erkrankten 2014 daran 17 120 Menschen, 16 619 davon verstarben. Meist leben die Patienten nach Diagnosestellung nur noch etwa drei bis vier Monate, lediglich neun bis zehn Prozent überleben fünf Jahre. Pankreaskrebs betrifft meist ältere Menschen: Das durchschnittliche Erkrankungsalter bei Männern beträgt 72, bei Frauen 75 Jahre.

Kleine Drüse mit großer Aufgabe Die Bauchspeicheldrüse liegt im Oberbauch unterhalb des Magens und in der Nähe von Galle und Milz. Das bis zu 120 Gramm (g) schwere Organ ist für die Verdauung der Nahrung und die Regulation des Blutzuckers unabdingbar. Während die Drüsenzellen des Pankreas eiweiß- und fettspaltende Enzyme herstellen (exokrines Gewebe) und in den Zwölffingerdarm abgeben, sezernieren die Zellen der Langerhans’schen Inseln unter anderem die Hormone Insulin und Glukagon ins Blut (endokrines Gewebe). Rund drei Viertel aller Tumoren der Bauchspeicheldrüse entwickeln sich im direkt mit dem Darm verbundenen Kopfteil des Organs. In mehr als 95 Prozent der Fälle handelt es sich dabei um Geschwulste, die in den Drüsengängen des exokrinen Teils entstehen (duktale Adenokarzinome).

Klare Risikofaktoren Neben erblich bedingter Veranlagung und häufigem Kontakt mit toxischen Stoffen wie Chromverbindungen, Herbiziden und Pestiziden liegen die größten Risikofaktoren für Bauchspeicheldrüsenkrebs in der Lebensführung. Rauchen, Alkohol und Übergewicht sind dabei die wichtigsten Ursachen, aber auch der häufige Verzehr von Zucker, Gegrilltem und Geräuchertem kann eine Rolle spielen. Vorangegangene Entzündungen oder ein Diabetes mellitus steigern das Krebsrisiko ebenfalls.

Tückischer Verlauf Da die Symptome zunächst oft nur schwach ausgeprägt sind oder man sie mit harmlosen Magen-Darm-Problemen verwechselt, bleibt die Erkrankung oft lange Zeit unbemerkt. Erst, wenn der Tumor so groß geworden ist, dass er auf benachbarte Strukturen drückt, kommt es zu anhaltenden Oberbauchschmerzen, die im Liegen noch schlimmer werden. Verlegt der Tumor den durch den Pankreas führenden Gallengang, äußert sich dies in einer Gelbsucht. Ist das exokrine Gewebe durch den Tumor nicht mehr in der Lage, genug Verdauungsenzyme zu produzieren, führt das zu Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen und starker Gewichtsabnahme.

Ein weiteres typisches Symptom ist der Fettstuhl: Durch unverdaut ausgeschiedenes Fett ist der Stuhl schmierig-glänzend, heller als normal und extrem übelriechend. Der Tumor kann außerdem vermehrt Gastrin produzieren, das die Magensäureproduktion anregt und Gastritis oder Magengeschwüre verursachen kann. Auch ein Diabetes mellitus kann sich verschlechtern oder neu entwickeln. Durch Druck auf kleinere Blutgefäße erhöht sich außerdem die Thrombosegefahr, gleichzeitig steigt das Risiko für innere Blutungen, wenn die normalerweise hohe Konzentration des Blutgerinnungsfaktors Thrombokinase durch die Krebserkrankung absinkt. Hat der Krebs sich auf das Bauchfell ausgebreitet, füllt sich der Bauchraum mit Wasser und es entsteht eine sogenannte Bauchwassersucht (Aszites).

Untersuchungsmarathon Zur Abklärung eines Verdachts auf Pankreaskrebs wird man zuerst nach Tumormarkern im Blut schauen. Weiteren Aufschluss gibt die Untersuchung der inneren Organe mit bildgebenden Verfahren wie Ultraschall, CT oder MRT, wobei bei unklarem Befund eine Biopsie Sicherheit bringt. Wird ein Tumor nachgewiesen, nutzt man die Bildgebung oder eine Bauchspiegelung, um anschließend zu evaluieren, ob und wie sich die Tumorzellen im Körper bereits ausgebreitet haben.

Therapie kaum möglich Pankreaskarzinome sind extrem aggressiv, wachsen schnell und streuen sehr früh über die Lymph- und Blutbahnen. Aufgrund der Lage des Organs und seiner lebenswichtigen Funktionen sind die Tumoren auch nur sehr schwer zu entfernen. Eine Operation ist nur bei etwa 10 bis 20 Prozent der Betroffenen möglich – und das auch nur dann, wenn der Tumor noch lokal begrenzt ist (Stadium 1). In diesem Fall werden der Pankreaskopf, die Galle inklusive Gallengang, der angrenzende Dünndarm und die umgebenden Lymphknoten entfernt.

Meist kann auch der Magenausgang nicht erhalten werden. Diese „Kausch-Whipple“-​Operation (nach ihren Entwicklern, den Chirurgen Walther Kausch und Allen Whipple) kann nur in spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Betroffene müssen lebenslang die fehlenden Verdauungsenzyme oral einnehmen. Schwer verdauliche Spei- sen sind tabu, Schonkost wird empfohlen. An die Operation schließt sich eine Chemotherapie an, die eventuell noch verbliebene Krebszellen abtöten soll. Eine Chemotherapie, unter Umständen auch als Kombitherapie von Strahlen- und Chemotherapie, kann auch eingesetzt werden, um einen noch lokal begrenzten, aber nicht operablen Tumor soweit zu verkleinern, dass er anschließend entfernt werden kann. Liegen bereits Fernmetastasen vor, ist eine Heilung nicht mehr möglich. Dann können Chemo- und Strahlentherapie dazu dienen, die Lebenszeit zu verlängern und Tumorschmerzen zu lindern.

Schmerzhafter Krebs Bauchspeicheldrüsenkrebs ist ein extrem schmerzhafter Krebs, da er viele Strukturen im empfindlichen Magen-Darm-Trakt betrifft. Umso wichtiger ist der individuelle Therapieplan, damit der Patient seine eventuell nur noch kurze verbleibende Lebenszeit bestmöglich erleben kann. Bei Chemo- und Strahlentherapien oder krebsbegleitenden Therapien wie Gallengang- oder Magenausgangserweiterungen muss immer abgewogen werden, ob die Nebenwirkungen den Nutzen rechtfertigen. Unerlässlich hingegen ist eine ausreichende Schmerz- therapie, die dem Patienten bis hin zu den Opioiden so viel Arzneimittel wie nötig ermöglicht. Helfen auch die Morphin-​Derivate nicht mehr, kann man ein Nervengeflecht im Bauch- raum ausschalten und so die Schmerzweiterleitung ans Gehirn unterbrechen.

Quo vadis, Therapie? Es ist schon viel passiert in der Forschung: Das Zytostatikum Gemcitabin verlängerte 1997 die Überlebenszeit der Patienten mit fortgeschrittenen Tumoren von 3,7 auf 6,6 Monate. Mittlerweile gibt es neue Zytostatika oder Kombinationstherapien, die noch wirksamer sind, wie das FOLFOXIRI-​Schema, das jedoch mit starken unerwünschten Wirkungen einhergeht. Bei Pankreas-Tumoren mit bestimmten Genmutationen (BRCA1/2-positiv) zeigte eine neue Studie, dass der Enzym-Inhibitor Olaparib das Fortschreiten der Krankheit im Mittel um bis zu 7,5 Monate aufhalten konnte, bei einigen Studienteilnehmern sogar bedeutend länger.

Könnte man Bauchspeicheldrüsenkrebs früher erkennen, stiegen die Heilungschancen enorm. Die Hoffnung liegt besonders auf Bluttests. Solche Tests sollen Marker nachweisen, die sich bereits in Frühstadien im Blut befinden. Seit einigen Jahren gibt es immer wieder Sensationsmeldungen über solche Bluttests – der letzte, der Bauchspeicheldrüsenkrebs betraf, sollte 2018 in Schweden entwickelt worden sein. Bisher haben sich diese Hoffnungen allerdings noch nicht bestätigt.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/19 ab Seite 26.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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