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Politik

EIN JAHR DANACH

Vor einem Jahr erblickte die neue ApBetrO das Licht der Welt. In der Apothekenpraxis warfen die Neuregelungen seither Fragen auf. Deshalb wurde sich auf eine harmonisierte Auslegung verständigt.

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Die vierte Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung wurde am 11. Juni 2012 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat einen Tag später in Kraft. Neu sind unter anderem Regelungen zum Qualitätsmanagementsystem (QMS) und zum Hygieneplan. Andere Vorschriften, etwa zur Herstellung von Rezepturen und Defekturen, wurden strenger gefasst.

Auch wurde die Verordnung ein bisschen entrümpelt; so gibt es nun keine verbindliche Listen mehr, welche Laborgeräte, Reagenzien und Literatur – das Arzneibuch und apothekenrelevante Gesetzestexte ausgenommen – vorhanden sein müssen. Die nachstehenden Erläuterungen sollen bei der praktischen Umsetzung helfen. Besonderheiten für die Verblisterung und die Herstellung von Arzneimitteln zur parenteralen Anwendung, die nur für spezialisierte Apotheken von Interesse sind, bleiben nachfolgend unberücksichtigt.

Qualitätsmanagementsystem Viele Apotheken hatten bereits in der Vergangenheit auf freiwilliger Basis ein QMS etabliert. Nun ist es Pflicht für alle Apotheken (§ 2a ApBetrO). Was muss es umfassen? Insbesondere sind betriebliche Abläufe festzulegen und ihre Einhaltung zu dokumentieren. Zentraler Baustein des QMS sind Regelungen zur Arzneimittelherstellung, -prüfung, -lagerung, Hygiene und Beratung. Auch die Schulung und Qualifikation der Mitarbeiter gehört dazu.

Ferner müssen angebotene pharmazeutische Dienstleistungen, Botendienst, Krankenhaus- und Heimversorgung sowie der Versandhandel einbezogen werden; kaufmännische Abläufe müssen hingegen nicht zwingend geregelt werden. Zwar ist eine externe Zertifizierung des QMS nicht erforderlich, jedoch sollten in der Regel jährliche Selbstinspektionen durchgeführt und dokumentiert werden.

Hygienemaßnahmen Apothekenbetriebsräume mussten seit jeher in einem einwandfreien hygienischen Zustand gehalten werden. Nun konkretisiert ein eigener Paragraf in der neuen Verordnung die Hygienemaßnahmen (§4a ApBetrO). Sie sind in einem Hygieneplan, der Räume, Material und Personal umfasst, schriftlich festzulegen und zu dokumentieren. Insbesondere sind die Bereiche Ausgangsstoffprüfung und Arzneimittelherstellung sowie sanitäre Anlagen zu regeln. Gegebenenfalls muss der Hygieneplan auch die Untersuchung von Körperflüssigkeiten einschließen.

Festzulegen ist die Art der Arbeitskleidung des herstellenden Personals (Bereichskleidung, sofern erforderlich Mundschutz und Haube) und die Häufigkeit des Wechsels. Auch erwartet die Apothekenüberwachung Anweisungen zur Händereinigung und -desinfektion vor Herstellungsbeginn. Schließlich sind die Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen unter Angabe der eingesetzten Mittel, die Häufigkeit und die Herstellung aus eventuell Konzentraten wie auch die entsprechende Dokumentation zu regeln.

Arzneimittelherstellung Die alte ApBetrO enthielt lediglich allgemeine Anforderungen dazu. Sie wurden nun für Rezeptur- und Defekturarzneimittel konkretisiert und verschärft (§§ 7, 8 ApBetrO). Auch Filialapotheken müssen Rezepturen selbst herstellen und die Prüfung von Ausgangsstoffen grundsätzlich selbst durchführen können. Für den Rezepturarbeitsplatz ist eine mindestens an drei Seiten bis zur Decke reichende Abtrennung zu anderen Bereichen der Apotheke erforderlich.

Beratung
In der Vergangenheit war sie, „soweit dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist“, vorgeschrieben. Nun ist in der ApBetrO die Verpflichtung verankert, den Beratungsbedarf durch Nachfrage (!) festzustellen und eine Beratung insbesondere zur sachgerechten Anwendung des Arzneimittels anzubieten (§ 20 ApBetrO). Zudem soll die Vertraulichkeit gewährleistet werden, zum Beispiel durch Bodenmarkierungen, entsprechende Hinweisschilder oder mittels Einzelbedienerplätzen mit ausreichendem Abstand. Ergänzend kommen auch eine Beratungsecke oder ein durch die Offizin zugänglicher Beratungsraum in Betracht.

Grundsätzlich sollen Rezeptur-anfertigungen nach standardisierten Vorschriften hergestellt, mindestens organoleptisch geprüft und Herstellung und Freigabe dokumentiert werden. In der Regel ist für jede Darreichungsform (nicht jedoch für jede Rezepturanfertigung) eine Herstellungsanweisung erforderlich.

Plausibilitätsprüfungen sind grundsätzlich notwendig und – wie die Herstellungsprotokolle – grundsätzlich von einem Apotheker abzuzeichnen; bei wiederholt vorkommenden Rezepturen kann jedoch auf vorausgegangene Prüfergebnise Bezug genommen werde. Für Defekturen werden weitgehend die gleichen hohen Standards wie in der industriellen Arzneimittelherstellung gefordert.

Eine alleinige organoleptische Prüfung ist in der Regel nicht ausreichend. Vor allem sollten qualitätsbestimmende Parameter wie pH-Wert und Teilchengröße, bei innerlich anzuwendenden Arzneimitteln, Art und Menge der Wirkstoffe überprüft werden. Plausibilitätsprüfungen für Defekturen sind in der ApBetrO nicht vorgeschrieben.

Prüfgeräte und -mittel Apotheken können seit der Novellierung der ApBetrO selbst entscheiden, welche sie anschaffen und vorhalten. Diese Freiheit wirft in der Praxis immer wieder Fragen auf. In jedem Fall muss die Apotheke so ausgestattet sein, dass die „gängigen“ Arzneiformen ordnungsgemäß hergestellt und (einschließlich der Ausgangsstoffe) geprüft werden können (§ 4 ApBetrO).

Insoweit sollten zumindest Kapselfüllmaschinen, Zäpfchen- und Ovulaformen, Wasserbad, Fantaschalen und Pistill, Dreiwalzenstuhl und Augentropfenset vorhanden sein. Ferner sind Fein- und Präzisionswaage sicherlich genauso erforderlich wie beispielsweise Pygnometer, Refraktometer, Schmelzpunktapparatur, DC-Ausrüstung und UV-Lampe, Exiccator, Tüpfelplatte, Messzylinder und Reagenzgläser.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/13 ab Seite 50.

Dr. Michael Binger, Hessisches Sozialministerium

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