No-Gos in der Apotheke

EIN HOCH AUF DIE KUNDENBINDUNG

Der Kunde, das unbekannte Wesen? So schlimm ist es gar nicht. Mit ein paar Grundkenntnissen über die menschliche Natur erreichen Sie, liebe PTA, dass Ihr Kunde sich wohlfühlt und immer wiederkommt.

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Ein Stammkunde ist laut Duden der „langjährige, ständige Kunde eines Geschäftes“. Betriebswirtschaftlich gesehen bedeuten mehr als 50 Prozent Stammkundschaft eine Umsatzstabilität, die natürlich auch den Angestellten zugutekommt: Wer hat nicht gern einen sicheren Arbeitsplatz? Von den fachlichen Kompetenzen einmal abgesehen bedeutet das aber auch, dass die Arbeitnehmer über soziale Fertigkeiten verfügen müssen. Und die kann man sogar lernen.

Was Menschen mögen Dazu bedienen wir uns aus den neuronalen Wissenschaften. Denn bekanntlich funktioniert ja unser Gehirn immer noch wie zu Zeiten der Neandertaler und das kann man am besten aus den Synapsenfeuern schließen, sprich: was wir gern haben und was nicht. Zum einen mag (fast) jeder Mensch verlässliche Bindungen. Bezugspersonen, die Nähe, Sicherheit und vielleicht auch Schutz bieten, sind hochwillkommen – vor allem in einer Situation, in der es um eigene Krankheiten geht. Die Frage: „Frau Müller, haben Sie den neuen Blutdrucksenker gut vertragen?“ könnte da hilfreich sein und ein Plätzchen auf der Ruhebank bei etwaigem Schwindel würde gut angenommen. Unter „verlässliche Bindung“ gehört übrigens auch, dass Sie den Namen von Frau Müller überhaupt kennen.

Alles wie immer Ein zweites Bedürfnis des Kunden wird dabei eher unbewusst angenommen: Alles ist so wie immer. Die PTA hat das Gleiche an (im Idealfall den sauberen weißen Kittel mit Namen und Apothekenlogo), die Apotheke riecht immer gleich (es gibt wunderbare Beduftungssysteme, aber es geht auch so) und die Freiwahl ist nach immer den gleichen Themen sortiert (Zahnpflege, Sonnenschutz, Gesichtscremes). All dies erfüllt das menschliche Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle.

Lob und Anerkennung Und wenn dann die PTA auch noch etwas Anerkennung ausspricht („Gut schau’n Sie aus!“), umso besser. Ein Lob für die treue Compliance der neuen Tablette ist auch nicht schlecht: „Super, dass Sie durchgehalten haben“. Jeder Mensch mag es, wenn er gelobt wird, denn das erhöht das Selbstwertgefühl. Dabei versteht es sich von selbst, dass man dem Kunden auf gar keinen Fall den Eindruck vermitteln sollte, man nehme ihn nicht ernst („Nun kommt er ja schon wieder wegen seiner Arthrose …“) Selbst wenn Sie Letzteres nur denken ohne dass Sie sichtbar mit den Augen rollen, geschieht etwas Geheimnisvolles: Der Kunde merkt es. Also: Apothekenpersonal, das grundsätzlich keine Menschen mag, sollte lieber nicht nach vorn. Vielleicht ist die Kollegin/der Kollege ja ein Super-Organisator im Backoffice …

Lustgewinn, Unlustvermeidung Moderne Kundencoaches formulieren es gern so: „Der Kunde muss zufriedener wieder aus der Apotheke herauskommen als er hineingegangen ist“. Dem zugrunde liegt das Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung. Kein Mensch geht schließlich in einen Laden, um sich hinterher mies zu fühlen. Frau Müller passiert also mit ihrem Rezept die Schiebetür und denkt: Super, da ist ja wieder die PTA vom letzten Mal. Die kennt mich genau. Und die ist immer so nett zu mir. Das letzte Mal hat sie mich nach meinem Enkel gefragt.

Und wenn ich ihr jetzt erzähle, dass ich das neue Blutdruckmittel nicht vertrage, hat sie bestimmt eine Idee. Und dann ist ja noch dieser Husten, seit ich das Zeug nehme … Natürlich kennt die PTA Frau Müllers Namen und im Idealfall auch den des Enkels. Und sie weiß, was zu tun ist: Schnell zum Arzt, damit der die Medikation überprüft. Gibt ja schließlich auch Blutdrucksenker, die keinen Schwindel und Reizhusten verursachen. Die Kundin geht nach Hause und unter ihrem Arm klemmt dabei gleich die neue Apothekenzeitung samt Fernsehprogramm.

Soft factors, hard factors Die oben aufgeführten Grundbedürfnisse nennt der Betriebswirtschaftler gern die „soft factors“, also psychologischen Tatsachen, die so schlecht in Zahlen auszudrücken sind und die deshalb die faktenorientierten Manager manchmal in Verzweiflung stürzen. Sie kommen dann lieber mit dem Instrument der Kundenkarte, einem „hard factor“: Auch eine Möglichkeit, einen Kunden zum Stammkunden zu machen. Manche gewähren pro Einkauf auf OTC-​Produkte etwas Rabatt, manche Apotheken geben einmal im Monat ein kleines Präsent aus – die Möglichkeiten sind hier vielfältig. Doch letztlich nützt auch die schönste bunte Plastikkarte nichts, wenn der Kunde nicht mit Wertschätzung, Anerkennung und Empathie behandelt wird. Und es hat danach schon solche gegeben, die sich dafür beim Personal mit kleinen Geschenken bedanken.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/19 ab Seite 52.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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