Comicfigur © Epifantsev / iStock / Getty Images
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No-Gos in der Apotheke

EIN HOCH AUF DIE FREUNDLICHKEIT

Eine junge Mutter betritt die Apotheke und legt ein Grünes Rezept vor. Die PTA tippt etwas in den Computer. Ohne den Blick zu heben sagt sie: „Haben wir nicht da“.

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Puh. Besonders freundlich ist der Empfang nicht, oder? Vielleicht wird die Kundin sagen: „Ach, lassen Sie mal, ist auch nicht so wichtig.“ Vielleicht quengeln ihre beiden Kinder auch – eins hält sie an der Hand, das andere schaut im Kinderwagen mit großen Augen auf die ausgestellten Waren. Dann hat sie es besonders eilig, hier wieder rauszukommen. Sie möchte nämlich, dass alles möglichst schnell geht – bevor der eine die leckeren Bonbons vom Ständer haben will und das andere mit seinen Patschehändchen die Pyramide mit den Handcremes einreißt.

Kundschaft behalten Die Apotheke, in der Sie arbeiten, ist darauf angewiesen, dass ihre Kunden immer wiederkommen und/oder dass möglichst viele neue Kunden die Offizin betreten. Dann kann sie nämlich weiterhin den Umsatz machen, der Ihnen Ihr Gehalt garantiert. Schon deshalb lohnt es sich, sich ein paar Gedanken darüber zu machen, wie das vonstatten gehen soll. Ein Tipp, den Verkaufscoaches immer wieder geben, ist: Versetzen Sie sich mal in die Perspektive des Kunden. Die Frau im weißen Kittel guckt nicht mal hoch, wenn er den Laden betritt? Geschweige denn, dass sie „Guten Tag“ sagt? Und davon, dass ein Lächeln jedes Gesicht verschönert und eine automatische Reaktion beim Gegenüber erzeugt, hat sie auch noch nie was gehört? Bloß raus hier. Wenn der Kunde doch das Nasenspray / den Autohaler / die Hämorrhoidensalbe bloß nicht so dringend bräuchte!

Fachlich okay, aber das Menschliche … Es stimmt schon: Allein die Tatsache, dass Sie als PTA einen weißen Kittel anhaben, zeugt für Ihre fachliche Glaubwürdigkeit. Das ist nun einmal eine Tatsache: Die Berufsbekleidung sorgt für eine Einordnung, die unbewusst passiert. In diesem Fall erzeugt es Assoziationen in diesem ungefähren Ausmaß: kompetent – irgendwas mit Medizin – die hilft mir. Aber die fachliche Qualität, die vorausgesetzt wird, spricht nie für sich allein! Es gibt viele andere Apotheken, in denen sich ebenfalls viele weißgekleidete Menschen aufhalten. Im Zweifelsfall geht der Kunde eben dahin. Hier ein kleines Szenario, wie die Begegnung anders hätte ablaufen können: PTA, schaut auf und lächelt: „Guten Tag!“ Kundin, etwas abgehetzt: „Der Arzt hat mir hier etwas aufgeschrieben, mir tut der Hals so weh, ich kann kaum noch schlucken.“

PTA: „Oh danke, wir schauen einfach mal nach.“ Die exotischen Lutschtabletten, die der Arzt auf das grüne Rezept geschrieben hat, sind nicht im Sortiment. Das Kind an der Hand quengelt; es will die roten Hustenbonbons mit dem Kindergesicht auf der Packung haben. Jetzt, sofort. Sein kleiner Bruder im Wagen fällt aus Solidarität in die Klagemelodie mit ein. Die PTA zur Mutter: „Dürfen sie?“ und blickt mit einem auffordernden Nicken zu einer bunten Plastikkuh im Sichtwahlbereich etwas unterhalb des Verkaufstisches. Nach einer erleichterten Zustimmung der Mutter weist sie das größere Kind darauf hin, dass sich in der Kuh Traubenzuckerbonbons befinden. Ob er mal nachschauen will? Begeistert stürzt sich der Bub auf das Teil, das laut „Muh!“ macht, wenn man den Kopf aufklappt. Das Brüderchen im Kinderwagen schaut fasziniert zu.

Derweil die PTA: „Wissen Sie, wenn Sie möchten, bestelle ich Ihnen gern die Lutschtabletten. Die wären dann heute Nachmittag da. Wir können aber auch auf ein baugleiches Präparat ausweichen.“ Die Mutter, irritiert: „Aber das ist doch ein Rezept!“ Die PTA lächelt schon wieder: „Grüne Rezepte kann man auch als eine Empfehlung des Arztes ansehen. Schauen Sie mal“ – sie weist auf das Sichtwahlregal hinter ihr – „dort, die Roten gegen Husten und Halsweh, die enthalten einen Stoff, ein Lokalanästhetikum, das den wehen Hals betäubt.“ „Dann nehm‘ ich die!“ sagt die Kundin. „Haben Sie auch noch andere Beschwerden, Schnupfen beispielsweise?“ „Oh ja, ein Nasenspray wäre auch nicht schlecht…“ Am Ende geht die Kundin mit Lutschtabletten, Nasenspray und einer Packung Ibuprofen hinaus. Und die Hustenbonbons für Kinder hat sie auch gekauft.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/19 ab Seite 72.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

Kennen Sie das?

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