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Kaum ein Trend, schon verboten

E-ZIGARETTE

Erst seit kurzem boomt die elektronische Zigarette, doch schon bald könnte sie wieder vom Markt verschwunden sein.

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Sie hat eine steile Karriere hinter sich: Vor etwa zehn Jahren wurde die E-Zigarette in China entwickelt und kam einige Jahre später auch nach Europa. Zu einem richtigen Trend wurde sie aber erst im vergangenen Jahr. Mittlerweile ist sie in ihrem Herkunftsland bereits wieder verboten – und auch in Deutschland sprechen sich immer mehr Bundesländer gegen die elektronische Zigarette aus.

Wie funktioniert sie? Die E-Zigarette raucht nicht, sie dampft. Ihre Benutzer bezeichnen sich denn auch als „Nichtraucher” – sie sind schließlich „Dampfer”. In einem Gehäuse aus Plastik oder Metall stecken eine Kartusche, ein Verdampfer und ein Akku. Die Kartusche wird mit einer Flüssigkeit (Liquid) gefüllt, die in vielen unterschiedlichen Aromen angeboten wird – sogar mit Tabakgeschmack. Die meisten enthalten Nikotin in unterschiedlichen Konzentrationen.

Nikotinfreie Liquids gibt es zwar auch, sie werden aber kaum nachgefragt. Zieht man an der elektronischen Zigarette, aktiviert der Akku den Atomizer, der die Flüssigkeit in der Kartusche erhitzt und verdampft. Manche E-Zigaretten verfügen noch über ein LED-Licht, das bei jedem Zug leuchtet. So wird daraus – zumindest optisch – ein „Glimmstängel”.

Die E-Zigarette boomt 2011 schien sie plötzlich wortwörtlich in aller Munde zu sein. Immer mehr Menschen ersetzten die herkömmliche Zigarette durch den Nikotininhalator – alleine hier zu Lande sind es mittlerweile etwa 1,2 Millionen. Die Medienberichte häuften sich, aber mit ihnen wurden auch die kritischen Stimmen immer lauter, allen voran Behörden und Ärzte.

Sie sehen in der E-Zigarette ein gesundheitsgefährdendes Produkt, das sich in einer rechtlichen Grauzone bewegt. Denn in den meisten Fällen wird mit ihr Nikotin inhaliert und zwar in solchen Mengen, dass das Produkt eigentlich dem Arzneimittelgesetz unterliegen müsste. Außerdem wird die E-Zigarette indirekt als Mittel zur Rauchentwöhnung beworben. Als solches müsste sie dann aber als Medizinprodukt zugelassen sein und dürfte nur noch in Apotheken vertrieben werden.

Insgesamt ist die Rechtslage in Deutschland uneinheitlich. So hat etwa Bayern die E-Zigarette von Anfang an verboten, was seit Dezember 2011 auch für Nordrhein-Westfalen und seit Januar für Bremen gilt. So lange aber nicht alle Bundesländer an einem Strang ziehen, ist es für die Verbraucher ein Leichtes, sich elektronische Zigaretten und Liquids legal in einem anderen Bundesland zu besorgen oder über das Internet zu bestellen. Die EU-Kommission diskutiert gerade, die E-Zigarette in die überarbeitete Fassung der Tabakproduktrichtlinie einfließen zu lassen. Alternativ will man sie als Medizinprodukt einstufen.

Beides hätte strenge Produktprüfungen und Auflagen zur Folge, vielleicht bedeutet es sogar das Aus für das Produkt. Bisher müssen die Hersteller nämlich keine gesicherten Qualitätskontrollen erfüllen – ein unwägbares Risiko. Nach Meinung des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg muss der Verbraucher sich darauf verlassen können, dass ein Konsumprodukt nicht gesundheitsschädlich ist. Dies wäre jedoch bei der E-Zigarette nicht gegeben, denn noch fehle eine aussagekräftige Studienlage. Viele Kritiker der E-Zigarette sehen in dem Trendgerät lediglich ein neues Suchtmittel, dessen Gefahrenpotenzial von den Herstellern heruntergespielt würde.

E-Zigarette vs. herkömmliche Zigarette Raucher, die auf die elektronische Zigarette umsteigen, fassen ihre Beweggründe oft so zusammen: Sie sei gesünder, würde auf Dauer weniger kosten und auch Kleidung und Finger würden nicht mehr unangenehm riechen. Zudem würde das brennende Gefühl in Hals und Rachen reduziert, der Raucherhusten käme gar nicht mehr vor und man könne die E-Zigarette auch in Nichtraucherbereichen „dampfen”.

PRO UND KONTRA E-ZIGARETTE
Pro
+ sauberer
+ keine Brandgefahr
+ keine Giftstoffe, die durch Verbrennung entstehen
+ auf Dauer kostengünstiger
+ kein Passivrauchen
Kontra
+ noch nicht hinlänglich untersucht
+ Inhaltsstoffe der Liquids teilweise schlecht deklariert
+ Liquids können Kindern gefährlich werden

Diese Argumente stimmen jedoch nur teilweise. Zuerst einmal dürfen Gaststättenbetreiber immer noch entscheiden, ob sie in ihren Räumlichkeiten die E-Zigarette dulden. Doch viele tun das nicht, denn auch bei ihr gibt es eine Dampfentwicklung. Die sieht zwar nur aus wie Rauch, könnte Nichtraucher aber dennoch stören. Dass die elektronische Zigarette auf Dauer kostengünstiger ist, stimmt allerdings. In der Anschaffung kostet sie zwischen 10 und 80 Euro, wonach man nur noch die Liquids benötigt, die mit etwa 10 Euro pro Fläschchen zu Buche schlagen. Je nach Rauchverhalten reichen sie ungefähr einen Monat.

Das schlagkräftigste Argument der E-Dampfer, die Gesundheit, ist jedoch nicht eindeutig zu fassen. Richtig ist, dass die elektronische Zigarette keinen Raucherhusten verursacht, denn dieser wird bei der herkömmlichen Zigarette durch den beim Verbrennen des Tabaks entstehenden Teer ausgelöst. Dieser setzt sich auf die Flimmerhärchen der Lunge und verklebt sie. Durch Husten versucht der Körper daher, einen Reinigungsprozess in Gang zu bringen und die Flimmerhärchen vom Teer zu befreien. Ein Raucherhusten ist also nichts anderes als eine chronische Bronchitis. Die elektronische Zigarette enthält keinen Teer, somit kann sie keinen Raucherhusten auslösen.

Doch die Begründung, elektronische Zigaretten hätten außer dem Nikotin keinerlei gesundheitsschädigende Inhaltsstoffe und seien damit wesentlich gesünder als herkömmliche Zigaretten, kann nicht bewiesen werden. Klar ist nur: Die vielen toxischen und karzinogenen Stoffe, die beim Verbrennen von Tabak in einer herkömmlichen Zigarette entstehen, finden sich in der E-Zigarette zumeist nicht wieder. Allerdings hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA einige Liquids auf ihre Inhaltsstoffe untersucht und in manchen ebenfalls krebserregende Nitrosamine gefunden.

Das Angebot an Liquids ist extrem groß. So wurden in den USA zum Beispiel auch Flüssigkeitsdepots vertrieben, die Medikamente enthielten, wie etwa das gefährliche Rimonabant, ein Wirkstoff gegen Übergewicht, der zwischenzeitlich verboten wurde. Einige Kartuschen enthielten Tadalafil, einen Wirkstoff gegen Erektionsstörungen. Durch den fast nicht kontrollierbaren Internetversand steigt dabei das Risiko, Liquids mit gefährlichen Inhaltsstoffen zu erwerben.

Prüfsiegel bieten nur bedingt Schutz Ein Grundstoff ist jedoch in allen Liquids enthalten, selbst in denen mit Prüfsiegel: Propylenglycol (Propandiol). Er sorgt dafür, dass es ordentlich dampft. Die Substanz ist als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen, wobei man ihn beispielsweise in Kosmetika, aber auch in Kaugummis findet. Studien zeigen, dass er oral aufgenommen unbedenklich ist.

In der E-Zigarette wird er jedoch als Nebel inhaliert und das kann gefährlich werden, denn in dieser Form kann Propylenglycol Schleimhautreizungen auslösen. Darüber hinaus finden sich im Liquid Aromastoffe, die als natürliche und naturidentische Aromastoffe angegeben werden. „Natürlich” bedeutet dabei allerdings chemisch hergestellt. Welcher chemische Cocktail also genau im Aroma „Tiramisu” oder „Banane” steckt, weiß nur der Hersteller.

Zudem stimmen die Nikotinangaben auf den Fläschchen keineswegs immer mit der tatsächlich enthaltenen Menge überein: So fand die FDA Nikotin selbst in Kartuschen, die als nikotinfrei etikettiert waren. Kleine Kinder sind besonders gefährdet, denn die Liquids duften angenehm nach Früchten oder Schokolade, sodass das Risiko besteht, dass sie ein Fläschchen austrinken. Da darin aber bis zu 150 Milligramm Nikotin enthalten sein können, könnte solch ein Unfall tödlich sein. Außerdem: Wie viel Nikotin man genau durch die E-Zigarette aufnimmt, wurde bisher ebenfalls noch nicht durch Studien abgesichert.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/12 ab Seite 86.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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