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Drei Pflanzen

DREI ZUM SCHLAFEN

Baldrian, Hopfen und Melisse gehören zu den bekanntesten und am häufigsten verwendeten Arzneipflanzen. Sie erfreuen sich bei Unruhezuständen und Einschlafstörungen großer Beliebtheit.

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Nervosität und Probleme beim Schlafen können die Lebensqualität und Gesundheit stark einschränken. Bevor zu chemischen Arzneimitteln gegriffen wird, lohnt es sich, phytotherapeutische Alternativen auszuprobieren.

BaldrianValeriana officinalis L. aus der Familie der Baldriangewächse (Valerianaceae) ist als Wildpflanze in Europa sowie in den gemäßigten klimatischen Zonen Asiens beheimatet. Es handelt sich um eine Sammelart, die sich durch eine Vielfalt an Formen, Varietäten und Unterarten auszeichnet. Die gefiederten Blätter der aufrechten bis zu 1,5 Meter (m) hohen Pflanze stehen gegenständig. Der Blütenstand besteht aus Trugdolden, die aus kleinen hellrosa bis weißen Blüten zusammengesetzt sind. Arzneilich kommt nur die Baldrianwurzel zur Anwendung. Seit altersher wird Baldrian bei Schlafstörungen und nervöser Unruhe eingesetzt. Heute sind seine beruhigenden und schlaffördernden Eigenschaften gut belegt und seine Zubereitungen gelten als Klassiker unter den pflanzlichen Sedativa.

Zu den Inhaltsstoffen zählen ätherisches Öl mit Mono- und Sesquiterpenen wie Valerensäure, Valepotriate, Lignane (Olivilderivate) und Aminosäuren wie Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Der typische Geruch entsteht durch die Zersetzung der Valepotriate. Sie galten früher als Hauptwirkstoff des Baldrians. Heute geht man davon aus, dass die Valerensäure und Lignane einen entscheidenden Wirkbeitrag leisten und die Wirksamkeit von Baldrian auf dem Zusammenwirken verschiedener Inhaltsstoffe beruht. Der Wirkmechanismus ist nicht abschließend geklärt. Zum einen gibt es Hinweise auf eine Interaktion des Baldrianwurzelextrakts mit dem GABA-ergen Rezeptorsystem, wodurch er dämpfend auf das zentrale Nervensystem wirkt.

Andere Untersuchungen erklären die sedierende Wirkung über eine Bindung an den Adenosin-1-Rezeptor, der an zentralen Nervenzellen im Gehirn lokalisiert ist und den Schlaf-Wachrhythmus steuert. Bei nervösen Einschlafstörungen sollte die Baldrianzubereitung rechtzeitig vor dem Zubettgehen eingenommen werden (circa eine Stunde vorher). Die volle Wirkung des Sedativums wird nach etwa zwei Wochen regelmäßiger Einnahme erreicht.

HopfenAuch Humulus lupulus L. ist ein traditionelles Sedativum. Es kommt aufgrund seiner beruhigenden und schlaffördernden Eigenschaften sowohl bei Unruhe und Schlafstörungen als auch bei Angstzuständen zum Einsatz. Die getrockneten Fruchtstände werden selten allein verwendet, indessen häufig mit anderen sedierenden Drogen kombiniert. Vor allem sind Baldrianwurzel, Passionsblume und Melissenblätter gängige Kombinationspartner. Darüber hinaus sind Hopfenzapfen ein geschätztes Stomachikum zur Appetitanregung und zur Steigerung der Magensaftsekretion. Hopfen ist eine mehrjährige zweihäusige Kletterpflanze aus der Familie der Hanfgewächse (Cannabaceae). Sie windet sich im Uhrzeigersinn an Bäumen und Büschen in Höhen von bis zu sechs Meter hinauf.

Auf die rankende und damit pflanzenwürgende Eigenschaft des Hopfens soll der Artname lupulus (Verkleinerungsform für lat. lupus = der Wolf) zurückzuführen sein. An den einjährigen Trieben sitzen gegenständig rundliche, drei- bis fünfspaltige Blätter, die stark dem Weinlaub ähneln. Ursprünglich ist Hopfen in Mitteleuropa in Auwäldern, Erlenbrüchen und an Ufern heimisch. Inzwischen wird er in vielen Ländern der gemäßigten Breiten kultiviert. Seit dem 18. Jahrhundert dient das Hanfgewächs als mildes Beruhigungs- und Einschlafmittel. Zuvor wurde es schon mehrere Jahrhunderte lang für die Bierherstellung angebaut. Kultiviert werden lediglich die weiblichen Pflanzen, denn nur ihre Blütenstände sind für die Bierwürze nutzbar. Sie sind bis zu vier Zentimeter lang und gelblichgrün.

Sie sitzen an einer verholzten spindelförmigen Fruchtstandsachse und setzten sich aus dachziegelartig übereinanderliegenden, trockenhäutigen und schuppenartigen Vorblättern mit kleinen Deckblättern zusammen. Wegen ihres zapfenähnlichen Aussehens spricht man auch von Hopfenzapfen oder Hopfendolden (Lupuli strobulus). Die nach der Ernte aus den Hopfenzapfen abgeschüttelten Drüsenhaare (Lupuli glandulae) ergeben das gelbliche bis orangefarbene Hopfenmehl, das auch als Lupulin bezeichnet wird. Das klebrige Pulver riecht aromatisch würzig und schmeckt leicht bitter.

Es enthält Hopfenharz (vor allem die Bitterstoffe Humulon und Lupulon) und ätherisches Öl (vorwiegend Mono- und Sesquiterpene), das auch Hopfenöl genannt wird. Aus den Bitterstoffen entsteht nach längerer Lagerung durch Autoxidation das Abbauprodukt 2-Methyl-3-buten-2-ol, das hauptsächlich für die sedierende Wirkung des Hopfens verantwortlich gemacht wird. Aber auch das ätherische Öl und die enthaltenen Flavonoide und Gerbstoffe sind an der schlaffördernden Wirkung beteiligt. Als Wirkmechanismus wird eine Aktivierung des Melatonin-Rezeptors angenommen.

Lieber einen beruhigenden Tee am Abend als ein Gläschen Alkohol, denn Alkohol stört den gesunden Schlaf.

Melisse Von Melissa officinalis L. werden neben den sedativen auch die leicht spasmolytischen Wirkungen geschätzt. Die bis zu einem Meter hoch wachsende, zumeist stark verästelte Staude aus der Familie der Lippenblütengewächse (Lamiaceae) wird in Mittel- und Osteuropa angebaut und kommt auch gelegentlich verwildert vor. Die Pflanze weist den kennzeichnenden Labiatenbau auf. Aus einem überdauernden Wurzelstock treiben im Frühjahr zahlreiche vierkantige Stängel mit kreuzgegenständig angeordneten eiförmigen, stumpf gesägten Blättern. Diese sind kurz gestielt und haben an der Unterseite deutlich hervortretende Nerven. Die Oberseite ist mit Drüsenschuppen versehen, schwach behaart und deutlich dunkler als die Unterseite.

An den Blattachseln entspringen in Scheinquirlen weiße oder bläulich-​weiße typische Lippenblüten mit einer flachen Ober- und einer dreilappigen Unterlippe. Die Blütezeit er- streckt sich von Juni bis September. Die Pflanze ähnelt auf den ersten Blick der Taubnessel (Lamium al- bum) oder Pfefferminze (Mentha x piperita), die beide auch zu den Lippenblütlern gehören. Ein charakteristisches Erkennungsmerkmal für die Melisse ist aber der besonders beim Zerreiben der Blätter entweichende zitronenartige Geruch, der der Pflanze auch das gängige Synonym Zitronenmelisse eingebracht hat. Da die nektarreiche Pflanze zahlreich von Bienen aufgesucht wird, wird sie auch als Bienenkraut bezeichnet.

Auch ihr Gattungsname leitet sich von griech. melissa = Biene ab. Melissenblätter kommen bei nervös bedingten Einschlafbeschwerden und bei funktionellen Magen-Darm-Beschwerden zur Anwendung. Verantwortlich für die sedativen, spasmolytischen und karminativen Wirkungen ist das sich in den Blättern befindende ätherische Öl. Es ist vor allem aus Citral, Citronellal und beta-​Caryophyllen zusammengesetzt, auf die auch der zitronenartige Geruch der Blätter zurückzuführen ist. Daneben sind Lamiaceengerbstoffe wie Rosmarin- und Kaffeesäure enthalten. Zusätzliche antivirale und antimikrobielle Effekte begründen den äußerlichen Einsatz von Melissenzubereitungen bei Lippenherpes. Sie werden auf Lamiaceen-Gerbstoffe (vor allem Rosmarinsäure und -derivate) zurückgeführt.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/19 ab Seite 70.

Gode Chlond, Apothekerin

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