Lächelnde Frau © AntonioGuillem / iStock / Getty Images Plus
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Kariesfrei

DREI TIPPS FÜR JEDEN TAG

Wie schützt man seine Zähne vor Karies? Die erste deutsche Leitlinie zur Kariesprophylaxe sorgt mit sieben Tipps für Klarheit. Drei davon kann jeder täglich selbst umsetzen.

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Karies ist in Deutschland Volkskrankheit Nummer eins: Sie trifft fast jeden Erwachsenen und viele Jugendliche. Dabei ist Karies durch konsequente Vorbeugung vermeidbar. Nur kursierten lange Zeit zu viele unterschiedliche Empfehlungen und es fiel schwer zu beurteilen, welche stimmen und wissenschaftlich gesichert sind.

Wie entsteht Karies? Nach jeder Mahlzeit bauen Bakterien in der Mundhöhle Kohlenhydrate ab, vor allem Zucker. Dabei entstehen im Zahnbelag Plaque-Säuren, die der Zahnoberfläche Mineralstoffe entziehen – vor allem Calcium, das den Zahn hart und widerstandsfähig macht. Diesen Prozess nennt man Entkalkung. Schreitet sie ungehindert fort, kommt es zur Auflösung von Zahnschmelz und Zahnbein (Dentin). Das Ergebnis ist Karies, also Löcher in den Zähnen.

Weitersagen: Drei plus Vier gegen Karies So weit muss es aber nicht kommen. Wie sich Karies wirkungsvoll verhindern lässt und die gesunden Zähne dauerhaft gesund bleiben, formulierten Experten aus 15 deutschen Fachgesellschaften im Jahr 2016 erstmals in einer Leitlinie. Unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) einigten sie sich nach Sichtung und Auswertung der internationalen Forschungsergebnisse auf sieben Kernempfehlungen. Drei davon kann jeder täglich selbst umsetzen, die anderen vier werden in der Zahnarztpraxis abgestimmt und erfolgen je nach Bedarf (s. Abb. nächste Seite). Seit 2017 gibt es die Leitlinie auch als kurzes Faltblatt, das alle Fakten kompakt erklärt. Zahnärzte und alle Mediziner, zahnärztliches, medizinisches und pharmazeutisches Fachpersonal sowie Erzieher, Lehrer und Eltern sind aufgerufen, die Empfehlungen zu verbreiten.

Zähne putzen: Zweimal täglich zwei Minuten Basismaßnahme Nummer eins ist: Zähne mindestens zweimal täglich mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta putzen. Dabei soll neben den Speiseresten der bakterielle Biofilm möglichst vollständig entfernt werden. Der Biofilm ist der Zahnbelag (Plaque) und bildet den Nährboden für die Entstehung von Karies und Zahnfleischentzündung. Aus den Studien, die für die Leitlinie ausgewertet wurden, lässt sich allerdings nicht ableiten, zu welchem Anteil das Fluorid und zu welchem die mechanische Entfernung des Biofilms für den Kariesschutz verantwortlich ist.

Wie sauber die Zähne werden, bestimmt vor allem die Zahnputzdauer. Nach zwei Minuten sind 41 Prozent der Plaque entfernt, während eine Minute nur 27 Prozent der Plaque reduziert. Daher sollte man die Zähne mindestens zwei Minuten putzen, und zwar nach den Mahlzeiten. Ob man den bakteriellen Biofilm mit einer Hand- oder einer elektrischen Zahnbürste entfernt, spielt keine Rolle. Da Fluorid wichtig für die Gesunderhaltung der bleibenden Zähne ist, empfehlen die Experten der Leitlinie, neben fluroidhaltiger Zahncreme auch im Haushalt grundsätzlich fluoridhaltiges Speisesalz zu verwenden.

Zahnseide & Co. wenn nötig Zahnseide und Zahnzwischenraumbürsten werden oft empfohlen, weil sie die Zahnzwischenräume gut erreichen und die Plaque dort angeblich effektiver entfernen als die Zahnbürste allein. Klinische Studien besagen jedoch nicht eindeutig, ob diese Hilfsmittel allein das Risiko für Zahnzwischenraumkaries (Approximalkaries) vermindern können. Wissenschaftler vermuten, dass eine gute Biofilmentfernung mit Zahnbürste und Fluoridanwendung den karieshemmenden Effekt der Zahnseide möglicherweise überdeckt.

Andererseits ermöglicht die Zahnzwischenraumreinigung die Entfernung von Speiseresten und kariesfördernden Mikroorganismen. Die Empfehlung der Leinlinie lautet daher: Gelingt es nicht, Speisereste (und Biofilm) mit alleinigem Zähneputzen ausreichend zu entfernen, sollen zusätzlich Hilfsmittel zur Zahnzwischenraumpflege (Zahnseide, Interdentalbürsten) verwendet werden. In vielen Fällen ist die Zahnzwischenraumbürste der Zahnseide vorzuziehen, weil sie einfacher anwendbar ist. In besonders engen Zahnzwischenräumen funktioniert die Zahnseide jedoch besser.

Zuckerkonsum bremsen Nach einer zuckerhaltigen Mahlzeit sinkt der pH-Wert in der Plaque und das Kariesrisiko steigt. Denn Bakterien im Biofilm wandeln Zucker in Säuren um, die den Zahnschmelz angreifen. Studien bestätigen den Zusammenhang zwischen Karies und dem häufigen Konsum von zuckerhaltigen Mahlzeiten oder Getränken zwischen den Hauptmahlzeiten. Zur Kariesvorbeugung ist es nötig, Zucker, zuckerhaltige Mahlzeiten (Haupt- und Zwischenmahlzeiten) und Getränke grundsätzlich in Maßen zu konsumieren. Speisen und Getränke ohne freie Zucker sind zu bevorzugen.

Als freie Zucker gelten alle Zucker, die Nahrungsmitteln zugesetzt werden, sowie die Zucker, die natürlich in Honig, Fruchtsäften, Sirup und ähnlichem vorhanden sind. Die Empfehlung laute daher, sowohl die tägliche Gesamt-Zuckeraufnahme als auch die Anzahl zuckerhaltiger Mahlzeiten einschließlich zuckerhaltiger Getränke möglichst gering zu halten. Das dient auch der Allgemeingesundheit: Zucker kann dick machen, denn er liefert reichlich Kalorien. Verbrennt der Körper sie nicht durch körperliche Bewegung, verwandelt er sie in Fett als Vorrat für schlechte Zeiten. Auf Dauer führt das zu Übergewicht, das wiederum Krankheiten wie Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislaufkrankheiten nach sich zieht.

Zuckeraustauschstoffe und Süßstoffe statt ZuckerDas Kariesrisiko sinkt, wenn Zucker in Nahrungsmitteln durch Zuckeraustauschstoffe oder Süßstoffe ersetzt wird. Dies ist zwar nicht eindeutig durch wissenschaftliche Studien belegt, aber biologisch plausibel. Zuckeraustauschstoffe (z. B. Polyole wie Xylit) und Süßstoffe (z. B. Cyclamat und Aspartam) wirken nicht kariogen: Orale Mikroorganismen können sie nicht oder kaum zu Säuren verstoffwechseln. Für einen darüber hinaus gehenden kariespräventiven Effekt von Zuckeraustauschstoffen finden sich allerdings insgesamt keine ausreichenden Beweise.

Zuckerfreier Kaugummi stimuliert den Speichelfluss und schützt so vor Karies Speichel schützt in mehrfacher Hinsicht vor Karies. Die Stimulierung von Speichelfluss nach den Mahlzeiten verstärkt die Spülfunktion, unterstützt die Reinigung der Mundhöhle von Nahrungsbestandteilen, fördert die Pufferung von Säuren und die Remineralisierung des Zahnschmelzes. Diese Effekte sind umso ausgeprägter, je mehr Speichel produziert wird. Eine ausreichende Speichelproduktion von 0,5 bis 1 Liter pro Tag gilt als Grundpfeiler der Mundgesundheit. Deshalb ist es plausibel, dass allein das Kauen und der dadurch gesteigerte Speichelfluss die Entstehung und das Fortschreiten von Karies hemmen kann.

Wissenschaftlich getestet Klinisch- experimentelle Studien haben nachgewiesen, dass das Kauen von zuckerfreiem Kaugummi den Speichelfluss und den pH-Wert des Speichels erhöhen kann. Im Gegenzug reduziert es die Plaquebildung und Konzentrationen an Karies fördernden Bakterien im Speichel (Mutans-Streptokokken und Laktobazillen). Studien kommen zu dem Schluss, dass das Kauen von zuckerfreiem Kaugummi vor Karies schützt. Bei acht- bis dreizehnjährigen Kindern, die zwei Jahre lang mindestens dreimal täglich zuckerfreie Kaugummis kauten, war Karies deutlich weniger fortgeschritten als bei der Kontrollgruppe, die keine Kaugummis kaute.

Und bei sechs- bis siebenjährigen Kindern, die zwei Jahre lang Mundhygiene- Instruktionen erhielten und zusätzlich Kaugummi kauten, trat nach zwei Jahren signifikant weniger Karies auf als in der Gruppe mit alleiniger Mundhygiene-Instruktion oder in der Kontrollgruppe ohne Instruktion und ohne Kaugummikauen. Auch systematische Übersichtsarbeiten ergaben, dass es gute bis sehr gute Nachweise für eine antikariogene Wirkung von zuckerfreien Kaugummis gibt. Zurückzuführen sei dies zum einen auf die Speichelstimulation, insbesondere nach den Mahlzeiten. Zum anderen können Bakterien im Mund die in zuckerfreien Kaugummis enthaltenen Zuckeraustauschstoffe nicht zu Säuren abbauen. Regelmäßiges Kauen zuckerfreier Kaugummis, insbesondere nach dem Essen oder Trinken, verringert also das Kariesrisiko und gehört deshalb zu den Basismaßnahmen zur Kariesprophylaxe.

Genussmittel UND Dentalprodukt„Für viele ist dies vielleicht überraschend, doch die Studienlage ist eindeutig“, erläutert Professor Joachim Klimek, Mitautor der Leitlinie: „Kaugummi hat sich in Deutschland zunächst als zuckerhaltiges Genussprodukt etabliert, bevor Studien in den 1970/80er Jahren die zahngesunden Effekte der zuckerfreien Variante untersucht und bestätigt haben“. Daher sei es nachvollziehbar, dass Kaugummi in zahnmedizinischen Kreisen anfangs nicht anerkannt war. „Die zuckerfreie Variante wurde nicht in erster Linie als Dentalprodukt gesehen, wie zum Beispiel die Zahnpasta oder Zahnseide, sondern als Genussmittel mit positiven Zusatzeigenschaften.

Bei Zahnpasta ist es einleuchtend, dass sie angenehm schmecken soll, damit Patienten sie oft und gründlich zum Zähneputzen verwenden. Beim Kaugummi führten sein guter Geschmack und seine zuckerhaltige Variante offenbar dazu, dass der zahnmedizinische Nutzen der zuckerfreien Variante lange Zeit tendenziell unterschätzt wurde. Dazu trug vielleicht auch das lässige, coole Image des Kaugummikauens bei.“ Übrigens gibt es keine ausreichenden Beweise, dass bestimmte Zuckeraustauschstoffe wie etwa Xylit in zuckerfreien Kaugummis zusätzlichen Kariesschutz bieten. Es gibt also keinen speziellen „Dentalkaugummi“, der einem herkömmlichen zuckerfreien Kaugummi in puncto Kariesprävention überlegen wäre. Fakt ist: Die Wirkung des Kaugummikauens basiert auf der Speichelstimulation. Diese funktioniert umso besser, je besser der zuckerfreie Kaugummi schmeckt und je länger er gekaut wird.

10 bis 20 Minuten lang Daher ist es wichtig zu empfehlen, besonders nach Mahlzeiten für 10 bis 20 Minuten einen zuckerfreien Kaugummi zu kauen. Das ist auch deshalb so praktikabel, da das Kaugummikauen technisch keine Anforderungen stellt. Außerdem ist ein Kaugummi immer schnell zur Hand, man kann ihn nebenbei und unterwegs kauen. Und zusätzlich erfrischt Kaugummi nach dem Essen den Geschmack im Mund und vertreibt Mundgeruch.

Bonbons und Drops Der Speichelfluss lässt sich auch durch andere Reize anregen. Beispiele sind das Lutschen zuckerfreier Bonbons oder Drops ohne säurehaltige Inhaltsstoffe. Zu diesen Methoden der Anregung des Speichelflusses gibt es laut Leitlinie aber keine Wirksamkeitsnachweise aus klinischen Studien.

Zum Zahnarzt gehen: Regelmäßig checken und individuell beraten lassen Die vier weiteren Empfehlungen – Prophylaxeprogramme, zusätzliche Fluoridierungsmaßnahmen, Anwendung von Chlorhexidin-Lack sowie Fissurenversiegelungen – werden in der Zahnarztpraxis abgestimmt und erfolgen individuell nach Bedarf. Ein Zahnarzt-Check ist mindestens zweimal pro Jahr empfehlenswert!

Patientenleitlinie: kostenlos bestellen, auslegen, erklären, verteilen Apotheken können die „Patienteninformation zur präventiven Zahnerhaltung: 7 grundlegende Empfehlungen zur Kariesprophylaxe bei bleibenden Zähnen“ der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) kostenlos per E-Mail an info@kommed-bethcke.de bestellen. Sie ist ideal, um sie Kundinnen und Kunden mit nach Hause zu geben – für gesunde Zähne ein Leben lang.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/19 ab Seite 68.

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