© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Drei Pflanzen

DREI FÜR’S GEMÜT

Depressive Verstimmungen, Stimmungsschwankungen, mentale Erschöpfung – die Natur hält für die verschiedenen psychischen Probleme passende Pflanzen bereit, nämlich Johanniskraut, Pulsatilla und Rosenwurz.

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Während die einen zu den Klassikern in der Allopathie oder Homöopathie zählen, gehören andere noch zu den Neuentdeckungen in der Pflanzenwelt.

Sonne für die SeeleAltbewährt und wissenschaftlich belegt ist die Wirkung von Johanniskraut (Hypericum perforatum L.) bei depressiven Verstimmungen. Die bis zu einem Meter hoch werdende Staude aus der Familie der Hartheugewächse (Hypericaeae) wächst in Europa, Nordafrika und Westasien in sonnigen Lagen. Neben den goldgelben zu Trugdolden zusammengesetzten fünfstrahligen Blütenständen und ihrem rundlichen, zweikantigen Stängel sind die mit punktförmigen Drüsen überzogenen Laubblätter, die im Licht wie perforiert erscheinen, charakteristisch für die Pflanze. Letztere haben zur Artbezeichnung perforatum geführt.

Schon in der Antike wurde Johanniskraut geschätzt. In den goldgelben Blüten des Johanniskrauts sah man die eingefangene Kraft der Sonne, die alles Dunkle und Dämonische vertreiben und Licht ins verdunkelte Gemüt bringen konnte. Volkstümliche Namen wie Hexenkraut oder Teufelsflucht erinnern an ihren Einsatz zur Dämonenbekämpfung und Teufelsaustreibung im Mittelalter. Der blutrote Saft, der beim Zerreiben der Blüten austritt, führte zu Bezeichnungen wie Blutkraut oder Johannisblut. Letztere verweist zudem auf Johannis den Täufer, aus dessen Blut sich einer Legende nach die Pflanze bildete. Außerdem hat Johanniskraut um den 24. Juni herum, dem Johannistag, seine Hauptblütezeit.

Johanniskraut-Präparate sind mit derselben Einzeldosis als apotheken- und verschreibungspflichtige Varianten erhältlich. Präparate mit der Indikation „mittelschwere Depression“ benötigen eine Verordnung, während die zur Behandlung „leichter vorübergehender depressiver Störungen“ für die Selbstmedikation zugelassen sind. Die Wirkung ist vom Gesamtextrakt abhängig. Als wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe gelten Hypericin, Hyperforin und Flavonoide, wobei in der Regel aber nur der Hypericingehalt deklariert wird.

Als Wirkmechanismus wird eine Wiederaufnahmehemmung verschiedener Neurotransmitter (Noradrenalin, Serotonin und Dopamin) aus dem synaptischen Spalt angenommen. Damit wirkt Johanniskraut ähnlich wie synthetische trizyklische Antidepressiva und Serotonin-Wiederaufnahme-​Inhibitoren/SSRI. Vorsicht ist bei der gleichzeitigen Einnahme anderer Medikamente geboten, da Johanniskraut die Wirkung bestimmter CYP-​Enzyme steigert, was deren schnellere Metabolisierung bedingen kann (z. B. Kontrazeptiva). Zudem ist eine erhöhte Lichtempfindlichkeit der Haut unter Johanniskrauteinnahme zu beachten.

Anpassungsfähige Rosenwurz: Sie gedeiht auf feuchten Böden, kommt aber auch auf trockenem, sandigem Untergrund vor.

Ausgleichend bei Stimmungsschwankungen Homöopathische Präparate mit der Gewöhnlichen Küchen- oder Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris) sind bei nervösen Störungen, die schwankend oder wechselnd sind, Mittel der Wahl. Pulsatilla war bereits in der Antike bekannt und noch im Mittelalter ein Heilkraut für verschiedene äußere und innere Krankheiten. Heute spielt es aufgrund ihrer Giftigkeit in der Allopathie keine Rolle mehr, dafür ist Pulsatilla aber in der Homöopathie ein ausgesprochener Klassiker. Die Pflanze aus der Familie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae) ist in Mittel- und Westeuropa beheimatet, wo sie trockene Standorte mit kalkhaltigen Böden und warmen Temperaturen bevorzugt. Man findet sie vor allem auf sonnigen Trocken- und Magerwiesen, meist in Hanglage bis zu 1000 Meter Höhe. Allerdings ist sie dort nur noch selten anzutreffen und steht inzwischen unter Naturschutz.

Das Hahnenfußgewächs treibt im zeitigen Frühjahr aus einem senkrecht im Boden stehenden dunkelbraunem bis schwarzem Rhizom, das bis in eine Tiefe von 1,5 Metern im Erdboden verankert ist. Aus einer grundständigen Rosette mit zwei- bis dreifach gefiederten Laubblättern erhebt sich ein bis zu 25 Zentimeter hoher aufrechter Blütenstängel, der am Ende eine einzelne Blüte trägt. Unterhalb der Blüte befinden sich drei miteinander verwachsene Hochblätter, die einen Quirl bilden und die noch nicht entfaltete Blüte schützen. Sowohl der Stängel als auch Blüten und Blätter sind außen seidig behaart. Die radiärsymmetischen Blüten erscheinen von März bis Mai, wobei sie anfangs nicken, später stehen sie im Gegensatz zu anderen Arten der Gattung Pulsatilla aufrecht.

Die blau- oder rotvioletten Blütenblätter sind drei bis vier Zentimeter lang und in zwei Kreisen mit jeweils drei Hüllblättern angeordnet. Im Inneren der Blüte befinden sich zahlreiche gelbe Staubgefäße. Aufgrund der Ähnlichkeit der Blüten mit kleinen Glocken oder Schellen, die Weidetiere um den Hals tragen, erhielt das Hahnenfußgewächs die volkstümlichen Namen Küchen- oder Kuhschelle. Auch der Gattungsname verweist darauf (lat. pulsare = schlagen, läuten). Der Artname vulgaris macht auf die allgemeine Bekanntheit der Pflanze aufmerksam. Die sich nach der Blüte bildenden Nüsschen sind mit einem stark verlängerten und zottig behaarten Flugorgan, einem Federschweif, versehen, der für eine weite Verbreitung der Samen sorgt.

Stärkend bei mentaler ErschöpfungRosenwurz (Rhodiola rosea L.) ist eine in Deutschland bislang noch relativ unbekannte Pflanze aus der Familie der Dickblattgewächse (Crassulaceae). In Russland und Schweden wurde Rosenwurz schon früher intensiv beforscht und hat sich besonders als anregendes Mittel zur Steigerung der Leistung und zum Stressabbau etabliert. Inzwischen gewinnt die Sukkulente auch bei uns zunehmend wissenschaftliches Interesse und Rosenwurz-Präparate sind zur Linderung von Stresssymptomen und zur Stärkung des Organismus in Belastungsphasen erhältlich. Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht vollständig identifiziert.

Man geht davon aus, dass Rosenwurz in der Lage ist, den Neurotransmitter-Stoffwechsel im Gehirn zu beeinflussen. Daneben gibt es Hinweise für kardioprotektive und antioxidative Wirkungen. Für die Wirksamkeit wird ein breites Spektrum an Inhaltsstoffen vermutet (Phenylpropanoide und -ethanoide (Rosavine, Salidroside), Flavonoide, Polyphenole, Mono- und Triterpene, organische Säuren). Die Heilpflanze wirkt wahrscheinlich adaptogen. Das bedeutet, dass sie zur Normalisierung der physiologischen Antworten auf Stress führt, wodurch der Organismus widerstandsfähiger und anpassungsfähiger gegenüber Stressauslösern wird. Ergebnisse neuerer klinischer Studien belegen eine therapeutische Wirkung bei stressbedingter mentaler und körperlicher Erschöpfung (z. B. bei Burnout-Patienten).

Rhodiola rosea L. ist eine widerstandsfähige Pflanze, die bevorzugt in arktischen und höher gelegenen Regionen Europas, Nordamerikas und Asiens zu finden ist, worauf ihr Beiname arctic root, arktische Wurzel, deutet. Die mehrjährige Pflanze entwickelt einen dicken Wurzelstock (Rhizom), der ihr als Überdauerungsorgan ein Überleben unter ungünstigen Lebensbedingungen sichert. Beim Zerreiben entwickeln die Wurzeln einen rosenähnlichen Duft, dem Rhodiola rosea ihren Artnamen verdankt (von griech. rhodon = Rose mit dem lateinischen Diminutiv „-iola“).

Zudem können die fleischigen, blau-grünen Blätter Wasser speichern, sodass ein Gedeihen auch an trockenen Standorten möglich ist. Die etwa 25 bis 35 Zentimeter hohe Pflanze wächst aufrecht und unverzweigt in kleinen Horsten. Sie ist eingeschlechtlich oder zweihäusig (diözisch), das heißt die Pflanze besitzt nur männliche (gelb-rötlich) oder weibliche (gelb-grün) Blüten. Sie blühen recht unscheinbar, bilden aber im Reifestadium auffällige Balgkapseln.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/2020 ab Seite 70.

Gode Chlond, Apothekerin

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