Rezeptoren
DIE VIELKÖNNER UNTER DEN ARZNEISTOFFEN
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lle heutigen Opioide sind auf ihre pflanzliche Urform, das Opium, zurückzuführen. Der getrocknete Milchsaft des Schlafmohns (Papaver somniferum) wird durch Anritzen der unreifen Samenkapseln gewonnen. Die euphorisierende Wirkung durch das darin enthaltene Alkaloidgemisch, im wesentlichen bestehend aus Morphin, Codein, Noscapin und Papaverin, war bereits den Sumerern im 3. Jahrtausend v. Chr. und später auch den Römern bekannt.
Die schmerzlindernde Wirkung wurde in den Schriften der Hildegard von Bingen im 12. Jahrhundert beschrieben. Opiumtinktur war im Mittelalter bis zur Neuzeit Mittel der Wahl gegen Durchfall. Und auch aus der modernen Pharmakotherapie sind Opiate oder Opioide nicht mehr wegzudenken. Sie leiten sich chemisch von den Alkaloiden des Opiums ab, wurden aber zum Teil weiterentwickelt und in ihrer analgetischen Wirkung noch verstärkt.
Wirkmechanismus Morphin und Morphin-Derivate sind Agonisten vorwiegend am µ1-Opioid-Rezeptor. Sie sind Aktivatoren des endogenen, schmerzhemmenden Systems. Bei ihrem Einsatz kommt es zur Verringerung bis zur vollständigen Unterdrückung der Weiterleitung von nozizeptorischen Impulsen. Das führt zur Veränderung des Schmerzerlebnisses im limbischen System.
Wirkungen und Nebenwirkungen Da sich die Opioid-Rezeptoren im gesamten Organismus verteilen, werden zentrale und periphere Wirkungen unterschieden. Zu den Zentralen zählen neben der Analgesie die sedative und tranquillisierende Wirkung. Sie haben eine anxiolytische (angsthemmende) Wirkkomponente und besitzen aufgrund des euphorisierenden Effektes ein starkes Suchtpotential. Die antitussive Wirkung führte zu einer neuen Indikation – dem trockenen Reizhusten und den zentralwirksamen Antitussiva. Weiterhin zeigen manche Stoffe dieser Gruppe dosisabhängig zunächst eine emetische, dann eine antiemetische Wirkung.
Die Engstellung der Pupillen, Miosis genannt, gehört ebenfalls zu den zentralen Effekten. Viele Opiate führen zur Freisetzung des antidiuretischen Hormons, kurz ADH, und somit zu einer Unterdrückung der Diurese. Problematisch ist die Toleranzentwicklung. Bei den peripheren Wirkungen ist die verzögerte Magenentleerung durch Pyloruskontraktion zu erwähnen. Dies muss unter der Therapie mit Opioiden berücksichtigt werden, da es bei allen Arzneistoffen, die oral appliziert werden, zu einer verzögerten Resorption und verspätetem Wirkungseintritt kommen kann. Es tritt eine Tonuserhöhung der glatten Muskulatur im Magen-Darm-Trakt auf, was zur Herabsetzung der Peristaltik führt, die daraus resultierende Nebenwirkung ist die spastische Obstipation.
Die Blasenentleerungsstörung, bedingt durch die Kontraktion des Blasensphinkters, führt zur Verringerung der renalen Elimination, dadurch besteht die Gefahr eines Harnverhaltes. Die Therapie mit Opiaten birgt, aufgrund ihrer psychoaktiven Wirkkomponente, ein starkes Suchtpotential und ist mit vielen unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) verbunden. Die meisten Wirkstoffe unterliegen darum der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung. Hauptsymptom einer Morphin-Vergiftung ist die Atemdepression und das daraus resultierende Kreislaufversagen, die Pupillen sind dabei enggestellt.
Indikation Der Einsatz von Opiaten ist aufgrund der Suchtgefährdung stark eingeschränkt. Sie sind ausschließlich für die Behandlung von akuten und chronischen, tumorbedingten und nicht-tumorbedingten Schmerzen zugelassen. Sie finden in der Intensivmedizin bei der Behandlung von schwerstverunfallten Personen mit großen Verletzungen und Traumata oder in der Therapie von intra- und postoperativen Tumorschmerzen, bei Herzinfarkt oder bei Lungenödem ihren Einsatz. Aber auch in der Therapie von chronischen Schmerzzuständen, zum Beispiel bei Rheuma oder Morbus Bechterew, werden sie verordnet.
In der Palliativmedizin wird neben der analgetischen Wirkung der Substanzen vor allem ihre sedierende und anxiolytische Wirkkomponente genutzt. Man bevorzugt hier die parenteralen Darreichungsformen, da die Therapie schneller an die sich verändernden Verhältnisse angepasst werden kann. Als Wirkstoffe für die Schmerztherapie stehen neben Morphin die synthetisch hergestellten Opioide Tilidin, Tramadol, Hydromorphon, Oxycodon und Pethidin zur Verfügung, wobei es sich bei Morphin und Fentanyl um Vollagonisten am µ1-Rezeptor und bei Buprenorphin um einen Partialagonist handelt.
Levomethadon und Methadon sind Wirkstoffe, die vor allem in der Substitutionstherapie Opioidabhängiger erfolgreich eingesetzt werden. Zu den zentralwirkenden Antitussiva zählen Codein, Dihydrocodein und Noscapin. Codein findet sich auch noch in Kombination mit nichtopioiden Analgetika, um deren analgetische Wirkung zu verstärken. Apomorphin wird in der Notfallmedizin als zentrales Emetikum verwendet.
Verschiedene Darreichungsformen Die Pharmakokinetik der meisten Opiate ist stark von deren Applikationsart abhängig. Bei oraler Gabe kommt es zu einer guten Resorption. Leider unterliegen fast alle Wirkstoffe dieser Gruppe einem hohen First-Pass-Effekt, sodass ein großer Teil der resorbierten Wirkstoffmenge bereits bei der ersten Leberpassage durch Biotransformation inaktiviert wird. Im Vergleich zur parenteralen Applikation müssen deshalb orale Gaben bis zu dreifach höher dosiert werden. Es gibt wirkstoffspezifische Unterschiede in der Plasma-Eiweiß-Bindung. Sie werden hauptsächlich in der Leber biotransformiert und renal ausgeschieden. Deshalb müssen Patienten mit eingeschränkter Leber- und Nierenfunktion besonders engmaschig überwacht werden.
Neben der intravenösen Applikation, bei der ein sehr schnelles Erreichen höchster Wirkspiegel garantiert ist und damit schnell stärkste Analgesie erreicht werden kann, stehen die periduale oder spinale Injektion in der Intensiv- oder auch Palliativmedizin zur Verfügung. Bei einer Dauerschmerztherapie finden sehr häufig die Transdermalen Therapeutischen Systeme, kurz TTS, wegen der guten Compliance eine breite Anwendung. Für die orale Applikation gibt es neben Tabletten auch Kapseln, sowie deren Retardformen und zur rektalen Applikation werden Suppositorien eingesetzt. Für den sehr schnellen Wirkungseintritt stehen neben den gut dosierbaren Tropfen, Trinkampullen und Brausetabletten zur Verfügung.
Die Palette wird ergänzt mit den sehr schnell verfügbaren Sublingualtabletten, deren Wirkstoffresorption direkt über die Mundschleimhaut erfolgt. Als sogenannte Add-on-Medikation sind Fentanyl-haltige Nasensprays bei Durchbruchschmerzen eine echte Alternative. Der Wirkstoff wird rasch über die Nasenschleimhaut resorbiert. Bei den Antitussiva stehen neben Tropfen auch Retardformen von Tabletten oder Kapseln zur Verfügung. In der Substitutionstherapie werden vorwiegend oral applizierbare Zubereitungen eingesetzt, zum Beispiel werden Methadonlösungen in speziellen Einzeldosenbehältnissen abgegeben. Apomorphin gibt es zur Injektion oder als Infusionslösung.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/18 auf Seite 28.
Bärbel Meißner, Apothekerin