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Fettleber

DIE STILLE HELDIN

Sie arbeitet schwer, erledigt mehrere Aufgaben gleichzeitig und beklagt sich kaum: Unsere Leber ist eines unserer leistungsfähigsten Organe. Und weil sie so genügsam ist, fällt eine Fettleber zunächst gar nicht auf.

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Eine halbe Flasche Wein? Kein Problem: Die Leber schafft das Enzym Alkoholdehydrogenase herbei und wandelt damit Ethanol in Acetaldehyd um. Da das aber giftig ist, muss weiter umgebaut werden: Nachdem die Aldehyddehydrogenase ihr Werk getan hat, bleibt nur noch Essigsäure übrig. Und Fettsäuren. Doch da der Acetaldehyd das ausgeklügelte Transportsystem für Fett schädigt, kann dieses die Leber nicht verlassen, bleibt liegen – und wird in Tropfenform für schlechte Zeiten im Lebergewebe aufgehoben. Genauso ist es mit den zum Wein gereichten Kartoffelchips – neben dem Fett werden auch Kalorien in Form von Kohlenhydraten unter anderem als Glykogen in unserem wichtigsten Stoffwechselorgan abgelegt.

Kehrseite des Wohlstandes Das Problem: Die schlechten Zeiten kommen nie. Sie sind, zumindest in den westlichen Wohlstandsländern, vorbei. Was Nahrungs- und Genussmittel betrifft, leben wir im Überfluss. Das Überangebot führt häufig zu Übergewicht, was wiederum zur Folge hat, dass unsere Leber mit dem Speichern und Entsorgen der Nahrungsbestandteile nicht mehr hinterherkommt. Europaweite Studien haben ergeben, dass 25 Prozent der Deutschen eine Fettleber haben. Die Steatosis hepatis tut nicht weh, macht fast gar keine Beschwerden, ist sogar umkehrbar – und ist dennoch gefährlicher Vorläufer für chronische Leberentzündungen und später für die schwerste Komplikation: Leberzirrhose.

Unser innerer Wertstoffhof Dass wir uns so wenig um unsere Leber kümmern, liegt daran, dass sie so unauffällig arbeitet. Innerhalb von 24 Stunden erledigt das am besten durchblutete Organ unseres Körpers mit seinen eineinhalb Kilo Lebendgewicht eine beeindruckende Liste von Aufgaben: Es speichert Vitamine, Kohlenhydrate und Fette, entgiftet für uns schädliche Substanzen und entsorgt diese auch gleich, es bildet Gallensekret, erledigt den Eiweiß-, Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel. Ist die Leber überarbeitet, vernachlässigt sie zuerst den Abtransport von Fett mit dem Resultat, dass die Leber anschwillt – und dann zur Fettleber wird.

Dazu muss man nicht Alkoholiker sein (alkoholbedingte Fettleber, (AFLD)) man kann sich auch durch übermäßiges Schlemmen eine Fettleber anfressen (nicht alkoholbedingte Fettleber (NAFLD)). An Symptomen gibt es höchstens etwas Druck- und Völlegefühl im rechten Oberbauch und man verspürt eine leichte Antriebslosigkeit, jedenfalls im Anfangsstadium. Der Mediziner, durch die erhöhten Leberwerte im Blutbild alarmiert, erkennt bereits jetzt im Ultraschall durch das deutlich heller vortretende Organ, dass etwas nicht stimmt.

Wenn das Weiße im Augapfel gelb wird, da die Leber das Bilirubin nicht mehr abtransportieren kann und die liegengebliebene Gallensäure einen starken Juckreiz (Pruritus) verursacht, der kleinste Stoß mit nur langsam abheilenden blauen Flecken endet und der Patient vor Müdigkeit kaum noch den Tag bewältigt – dann ist die Fettleber schon weit, weit fortgeschritten. Auch Symptome wie eine unbeabsichtigte Gewichtsabnahme durch Appetitmangel, rote Handinnenflächen (Palmarerythem), Wassereinlagerungen in Bauch und Beinen oder spinnennetzartigen Veränderungen der Haut (Spider naevi) können auftreten.

Metabolisches Syndrom Nicht jeder, der unter einer leichten Fettleber leidet, ist gefährdet. Jedoch geht sie im Verlauf oft einher mit dem gefürchteten metabolischen Syndrom, das in einer Kombination von Übergewicht, Herz-Kreislauf-​Erkrankungen, erhöhtem Blutzucker sowie gestörtem Fett- und Cholesterinhaushalt be- steht. Nach all diesen schlechten Nachrichten gibt es auch eine gute: Die Fettleber lässt sich heilen. Die Leber nimmt so schnell nichts krumm, sie ist das regenerationsfähigste Or- gan, das wir besitzen. Wenn aber das Lebergewebe erst vernarbt, also eine Zirrhose eintritt – dann ist nichts mehr zu machen, das Organ ist irreparabel geschädigt.

Steatosis hepatis

Ein Viertel der erwachsenen westlichen Bevölkerung hat eine Fettleber. Die gutartige Erkrankung verursacht zunächst keine Symptome, wird aber in Verbindung gebracht mit Adipositas, Diabetes und Bewegungsmangel. Sie weist außerdem auf ein drohendes metabolisches Syndrom hin. Als Ursache der Fettleber wird eine ungesunde Lebensweise vermutet. Unbehandelt kann sie zu Leberentzündung, Zirrhose, Krebs, Leberkoma und somit zum Tod führen.

Heilung ist möglich Doch wie heilt man eine geschundene Leber? Da eine unausgewogene Ernährung mit vielen Kalorien und Kohlenhydraten Hauptschuld an einer Fettleber nicht alkoholischen Ursprungs trägt, kann über das Essen viel erreicht werden. Softdrinks mit viel Zucker sollten tabu sein und es lohnt, sich eingehend mit der mediterranen Kost zu beschäftigen: Denn der wird, von der Wissenschaft bestätigt, ein äußerst günstiger Einfluss auf Leber, Herz und den Rest des Körpers nachgesagt. Aber Vorsicht, ein Zuviel an Gewichtsabnahme in zu kurzer Zeit ist auch wieder schädlich für unser Stoffwechselorgan: Mehr als 0,5 bis 1 Kilogramm pro Woche macht eine Diät auch für die Leber stressig.

Längere, extreme Hungerperioden sind nicht hilfreich. Eine vernünftige kalorienreduzierte, ausgewogene Ernährung kann eine Fettleber vollständig zum Verschwinden bringen. Welchen Sport mögen Sie oder Ihre Kunden am liebsten? Schwimmen, Radfahren oder Joggen mit dem Hund, egal: Nur zwei- bis dreimal die Woche 20 Minuten sollten es sein, das hat einen ganz außerordentlich günstigen Effekt, nicht nur auf die Leber. Last but not least: kein Alkohol. Sowieso sind davon auch in normalen Zeiten lediglich bis zu 100 Gramm in der Woche unbedenklich, bei mindestens zwei alkoholfreien Tagen pro Woche.

Leberstress vermeiden Doch auch gertenschlanke Menschen, die nie einen Tropfen Alkohol trinken, können an einer Leberverfettung leiden. Daran können Mitochondriopathien oder Speichererkrankungen wie Morbus Wilson schuld sein; die Ursache der in der Spätschwangerschaft auftretenden Schwangerschaftsfettleber ist noch nicht abschließend geklärt. Im Schlepptau von Diabetes ist die Fettleber eine häufige Folgeerkrankung. Gerade bei Typ 2, bei Insulinresistenz, werden vermehrt Fette im Körper freigesetzt, die die Leber speichert. In der Folge lagert sich häufig auch mehr Eisen im Körper ab, was in der Leber das Risiko für eine Entzündung erhöht. Zuckerkranke sollten deshalb immer ihre Leberwerte kennen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/19 ab Seite 82.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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