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No-go’s in der Apotheke

DIE SIGNALE DER WERTSCHÄTZUNG

Der Kunde betritt die Apotheke. Niemand ist zu sehen. Erst auf ein vorsichtiges „Hallo?“ hört er ein Rascheln und es biegt jemand um die Ecke: Den Kittel offen und mit fleckigem Kragen fragt die PTA kauend: „Ja?“

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Hoffentlich wird diese Situation nie, niemals in der Apotheke, in der Sie arbeiten, passieren. Denn wenn, deutet das auf ein grundlegendes Problem hin: Die Belegschaft wertschätzt den Kunden nicht. Ja, es ist ihr egal, ob überhaupt jemand kommt. Eigentlich ist sie nur mit sich selbst beschäftigt.

Der Kunde ist König Vielleicht ist ja die Apotheke in beneidenswerter Alleinlage für einen weiten Einzugskreis mit mehreren Ärzten zuständig und hat wirtschaftlich nichts zu befürchten. Da dies jedoch immer seltener wird und jedes Jahr Apotheken im dreistelligen Bereich schließen, könnte es lohnen, einen Blick auf den Kunden an sich zu werfen. Damit er wiederkommt, und zwar gern, und damit er Ihnen auch in Zukunft Ihren Arbeitsplatz garantiert: Er bezahlt ihn nämlich. Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären als Gast zu einem Essen geladen. Sie setzten sich an den Tisch, der schlampig gedeckt ist: Die Serviette fehlt, am Rand des Weinglases glänzt ein fettiger Fingerabdruck und der Gastgeber – ja, der lümmelt sich gerade am Kopf der Tafel, spricht in sein Handy und hat erkennbar Besseres zu tun als mit Ihnen ein Gespräch anzufangen. Nun ist dieser Gastgeber aber der Chef eines kleinen Unternehmens und Sie suchen gerade eine neue Stelle – da wäre es unklug, einfach wegzugehen. Sie wollen schließlich etwas von ihm.

Die Kleidungsfrage Besondere Mühe mit seiner Kleidung hat er sich auch nicht gegeben. Das Oberhemd, das er trägt, hätte eigentlich gebügelt werden müssen. Ihnen fällt ein, dass Sie an der Haustür niemand begrüßt hat. Sie stand offen, deshalb sind Sie hindurchgegangen. Während Sie wartend auf Ihrem Platz sitzen und der Chef Ihnen einen flüchtigen Blick zuwirft, ohne eine Miene zu verziehen und sein Gespräch zu unterbrechen, fragen Sie sich, ob Sie hier nur geduldet sind. Zu den No Go‘s in einer Apotheke gehören auch solche Dinge: Die PTA, der ein Kunde gegenübersteht, unterhält sich hingebungsvoll mit einer Kollegin, oder sie schaut schweigend auf das Rezept und tippt minutenlang auf der Tastatur des Computers. Ihr Kittel ist schmuddelig oder sie trägt Straßenkleidung. Und ganz am Ende kommt schließlich der sybillinische Satz: „Das ist defekt.“ Der Kunde, er versteht nur noch Bahnhof – und fühlt sich unwohl.

kennen sie das?
Ist auch Ihnen ein No-Go in der Apotheke aufgefallen (es muss ja nicht die sein, in der Sie arbeiten)?​Dann schreiben Sie uns unter ts.boehnke@uzv.de. Ihre Mails werden an die Autorin weiterge- leitet.

Kunde ist Gast Eignen Sie sich bitte folgende Sichtweise an (wenn Sie sie nicht ohnehin schon haben): Ihr Kunde ist ein Gast in dieser Apotheke. Schön, dass er gerade zu Ihnen gekommen ist - aber das ist ja schließlich auch kein Wunder: Auf dem Tisch neben dem Eingang stehen frische Blumen, es spielt leise Hintergrundmusik, die Klimaanlage sorgt für eine behagliche Raumtemperatur. Der Mensch gegenüber lächelt und bedankt sich bei der Entgegennahme des Rezeptes. Die PTA ist dabei ein erfreulicher Anblick: Zusammen mit ihren Kolleginnen hat sie einen weißen, sauberen Kittel an, im Idealfall geschlossen und sie trägt ein Namensschild am Revers. Zwar ist sie lange mit dem Rezept beschäftigt, aber sie erklärt ihm, was Sie gerade tut: „Rabattvertrag“, „Substitution“ und „Defekt“ kann man auch in andere Worte fassen, sodass ein Laie es versteht. Da ist es auch nicht schlimm, dass das Arzneimittel gerade nicht an Lager ist – sie fragt, ob sie es bestellen darf (nicht, dass sie es bestellen muss), ob man es vorbeibringen könne oder ob er es selbst abholen wolle. Und ganz am Schluss bekommt der Kunde noch ein Give-away mit auf den Weg (Einkaufschip, Taschentücher, Erfrischungstuch) – nur eines, sonst wirkt das Verhalten wahllos. Ja, in solch ein Geschäft kommt man doch gern wieder.

Betriebsklima ist spürbar Der Kunde erinnert sich beim Hinausgehen auch an eine Situation, die mit seiner Beratung gar nichts zu tun hatte: Als nämlich eine andere PTA sein Blickfeld kreuzte, indem sie hinter ihrer Kollegin vorbeiging, hat diese ihn freundlich gegrüßt. Da scheint ja die Chemie zu stimmen, denkt er, die sind bestimmt auch nett miteinander. Verinnerlichen Sie bitte folgende Sätze: Wenn ein Kunde die Offizin betritt, haben alle Privatgespräche miteinander sofort zu enden. Auch im Backoffice. Nichts macht einen schlechteren Eindruck, als wenn sich die Damen im nicht einsehbaren Teil laut über Kochrezepte unterhalten und gar nicht daran denken, nach vorne aufzuschließen. Da kann es sein, dass der Kunde schon wieder weg ist, bevor die Schwarzwälder Kirschtorte zu Ende besprochen wurde. Halten Sie Ihre Berufskleidung in Ordnung und verschrecken Sie Ihr Gegenüber nicht durch eine Wortwahl, die man auch falsch verstehen kann – schließlich ist „defekt“ im normalen Leben ein Ausdruck für „kaputt“. Und das Wort „müssen“ in all seinen Konjugationen streichen Sie am besten gleich ganz. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/19 ab Seite 72.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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