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Geschlechtskrankheiten

DIE RÜCKKEHR DER LUSTSEUCHE?

Mit der Entdeckung des Penicillins wurde Syphilis heilbar. Sie verlor ihren Schrecken, doch die Fallzahlen steigen wieder stark an, und Antibiotikaresistenzen könnten die Therapie erschweren.

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Die Syphilis, auch „Franzosenkrankheit“, „harter Schanker“ oder „Lues“ genannt, gehört zu den sexuell übertragbaren Krankheiten. Beim Geschlechtsverkehr kann das Bakterium Treponema pallidum über kleine Verletzungen in der Schleimhaut in den Körper eindringen und dort die Krankheit auslösen. Treponema pallidum ist hoch pathogen, sodass auch Menschen mit intaktem Immunsystem erkranken.

Zahl der Neuinfektionen steigt Im 19. Jahrhundert war wohl jeder zehnte Städter mit der Syphilis infiziert. Man holte sich den Erreger in Freudenhäusern, durch promiskuitiven Lebenswandel, und man infizierte jeden weiteren Geschlechtspartner. Da die Syphilis bei Schwangeren auch auf das ungeborene Kind übergehen kann, wurden viele unschuldige Menschen Opfer der heimtückischen Krankheit. Heilung gab es nicht, bis das Penicillin entdeckt wurde.

Die Syphilis geriet fast in Vergessenheit, doch seit den späten 1990er-Jahren steigen die Fallzahlen wieder. Die Gründe dafür sehen Ärzte in den veränderten Sexualgewohnheiten, die durch die Angst vor HIV entstanden: weg vom vaginalen Sex, hin zu oralen oder analen Praktiken. Das Bakterium kann jedoch auf alle Schleimhäute übertragen werden, wovor lediglich die – leider wieder rückläufige – Praxis des Kondomgebrauchs schützt.

Meist sind homosexuelle Männer von der Krankheit betroffen. Die Syphilis ist meldepflichtig, in Deutschland wurden im Jahr 2015 fast 7000 Neuinfektionen verzeichnet, 19 Prozent mehr als im Vorjahr. Anfang der 1990er lagen die Fallzahlen noch unter 2000.

Verlauf in vier Phasen Etwa einen Monat nach der Infektion entstehen dort, wo das Bakterium eingetreten ist, die typischen, nicht schmerzhaften Schleimhautgeschwüre und die lokalen Lymphknoten schwellen an. Die Ränder der offenen Hautstellen sind verdickt und verhärtet, daher auch der Name „harter Schanker“. Das Geschwür nässt stark, wobei die Flüssigkeit viele Erreger enthält, sodass eine Übertragung bereits bei Hautkontakt ohne Geschlechtsverkehr möglich ist.

Die Geschwüre heilen nach ungefähr einem Monat von selbst wieder ab, weshalb die Erkrankung oft gar nicht wahrgenommen wird. Zwei Monate nach der Infektion beginnt die zweite Phase der Erkrankung, die sich nun im gesamten Körper ausbreitet. Dabei schwellen zunächst alle Lymphknoten an und es kommt zu grippeähnlichen Beschwerden wie Fieber und Gliederschmerzen. Nach weiteren zwei Wochen zeigt sich dann ein nicht juckender Hautausschlag, zuerst nur als Flecken, dann als Papeln oder nässende Pusteln, die ebenfalls hochinfektiös sind.

Nach insgesamt vier Monaten verschwinden alle Symptome, können aber schubweise immer wieder kommen. Da sich das Bakterium immer noch im Körper befindet, besteht nach wie vor Ansteckungsgefahr, die jedoch abnimmt, je länger die beschwerdefreie Zeit dauert.

Die dritte Phase beginnt, wenn sich die Treponemen nach drei bis fünf Jahren im gesamten Organismus ausgebreitet und die inneren Organe befallen haben. Dann können sich überall auf der Haut und im Körper Geschwüre und Knoten bilden. Besonders gefürchtet sind Knoten an der Hauptschlagader, durch die die Gefäßwand leicht einreißen kann, sodass der Betroffene innerlich verblutet. Im vierten, auch als Neurolues bezeichnetem Stadium greift der Erreger schließlich auch das zentrale Nervensystem an, was zur Demenz und weiteren Störungen wie Lähmungen oder Erblindung führen kann.

Rettung durch Antibiotika Eine Verdachtsdiagnose ist bereits über die Anamnese und die lokalen Schleimhautgeschwüre möglich. Nachweisbar ist Syphilis etwa vier bis sechs Wochen nach der Infektion durch den TPHA-Test (Treponema- Pallidum-Hämagglutinations-Assay), bei dem das Blutserum auf Antikörper gegen das Bakterium untersucht wird. Abgesichert wird er mit einem Immunfluoreszenz-Test, dem FTA-Abs-Test (Treponema- Pallidum-Antikörper-Fluoreszenztest).

Frühzeitig erkannt ist die Syphilis mit Penicillin heilbar. Je nachdem, in welchem Stadium der Patient sich befindet, ist eine Kur über 14 Tage oder drei Wochen erforderlich. In den Frühstadien kann sogar eine einzige hoch dosierte intramuskuläre Injektion ausreichen. In späteren Stadien ist meist ein stationärer Aufenthalt nötig, da das Antibiotikum intravenös verabreicht werden muss. Bisher zeigen die Bakterien, anders als bei anderen Geschlechtskrankheiten, wenig Resistenzen gegen Penicillin.

Doch das könnte sich bald ändern, so die Weltgesundheitsorganisation WHO. Der Grund: immer häufiger werden sexuell übertragbare Krankheiten gemeldet, sie werden aber auch immer öfter vorschnell oder falsch mit Antibiotika behandelt. Dadurch hätten sich bei den etwa 5,6 Millionen Neuinfektionen mit Syphilis weltweit mittlerweile erste penicillinresistente Treponema- Stämme entwickelt, teilte die WHO mit.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/16 ab Seite 106.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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