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Verhütung – Teil 1

DIE 'PILLE'

Vor über 50 Jahren kam ihre Zulassung einer Revolution gleich: Sie brachte den Durchbruch zu selbstbestimmter Sexualität und Familienplanung der Frau. Kennen Sie sich bei den unterschiedlichen Präparaten aus?

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Unter den vielfältigen Möglichkeiten, einer ungewollten Schwangerschaft vorzubeugen, sind hormonelle Kontrazeptiva zur oralen Applikation hier zu Lande die am häufigsten verwendete Methode. Auch in Sachen Zuverlässigkeit nehmen diese Medikamente einen oberen Platz ein: Bei korrekter Anwendung beträgt ihr Pearl-Index circa 0,3. Dieser beziffert die statistische Wahrscheinlichkeit in Prozent, trotz Anwendung einer bestimmten Verhütungsmethode schwanger zu werden.

Dreifachwirkung „Die Pille“ enthält Estrogen, meist Ethinylestradiol, plus ein Gestagen. Die Kombination greift (über einen Feedback-Mechanismus) in den Regelkreis ein, über den die Reifung des Eis sowie der Eisprung gesteuert werden; dieser wird blockiert (Ovulationshemmung), wodurch auch keine Befruchtung stattfinden kann. Zusätzlich wird die Viskosität des Zervixschleims erhöht, was die Passage der Spermien erschwert.

Da außerdem die Gebärmutterschleimhaut weniger stark aufgebaut wird, könnte eine dennoch befruchtete Eizelle sich nur schwer im Uterus einnisten. Zur Verringerung des Thromboserisikos wurde der Estrogengehalt über die Jahre deutlich reduziert. Heute werden praktisch ausschließlich Mikropillen (Estrogenanteil < 50 Mikrogramm) verordnet; in der Regel liegt die Estrogendosis bei 20 oder 30 Mikrogramm.

Bereits ab dem ersten Tag bieten die kombinierten Präparate einen sehr hohen Schutz vor einer Befruchtung. Erklären Sie aber, dass für einen sicheren Empfängnisschutz die Einnahme einer vergessenen Pille nach höchstens zwölf Stunden nachzuholen ist. Ist bereits mehr Zeit vergangen, sollte die Pille trotzdem genommen und die restliche Packung normal aufgebraucht werden; in diesem Fall ist allerdings eine zusätzliche Verhütungsmethode notwendig.

Frauen, die unter schmerzhaften Blutungen leiden, können von gleichmäßigeren Hormonspiegeln profitieren, wie sie (in Absprache mit dem Arzt) durch Verzicht auf die monatliche Einnahmepause (Langzyklus) erreicht werden. Hierzu eignen sich Ein-Phasen-Präparate (gleiche Kombination und Tagesdosis in jeder Tablette).

Neben- und Wechselwirkungen Die modernen Pillen sind meist gut verträglich. Raten Sie Ihrer Kundin, bei Problemen wie wiederkehrende Pilzinfektionen oder Gewichtszunahme, einen möglichen Zusammenhang mit der Einnahme mit dem Gynäkologen zu besprechen. Oft kann schon der Wechsel auf ein anderes Produkt Abhilfe schaffen.

Manche junge Frauen bekommen unter der Einnahme der kombinierten Kontrazeptiva Migräne. Diese und Frauen, die bereits unter Migräne leiden, sollten besser anders verhüten, da der Abfall des Hormonspiegels am Zyklusende Attacken auslösen kann. Zudem ist das Schlaganfallrisiko bei Migränepatientinnen unter kombinierten Pillenpräparaten erhöht; insbesondere Migränikerinnen mit Aura sollten daher reine Gestagenpräparate erhalten.

Durchfall oder Erbrechen innerhalb von vier Stunden nach der Pilleneinnahme gefährden den Empfängnisschutz. Außerdem kann es mit einer Vielzahl von Medikamenten zu Interaktionen kommen. Insbesondere für eine Reihe von Antiepileptika ist nachgewiesen, dass sie die Wirksamkeit hormonaler Präparate beeinträchtigen. Auch diverse Antibiotika, das Antimykotikum Griseofulvin sowie viele weitere Substanzen, darunter auch Inhaltsstoffe von (hochdosierten) Johanniskrautextrakten, können unter Umständen die Zuverlässigkeit der Empfängnisverhütung mindern.

Daher sollte unter entsprechender Komedikation sicherheitshalber bis zur nächsten Regelblutung zusätzlich mit anderen Maßnahmen wie Kondom verhütet werden. In einer neueren Cochrane-Analyse wurde gezeigt, dass die heutigen oralen Antikonzeptiva Akneläsionen mildern können; Unterschiede zwischen verschiedenen Präparaten waren eher marginal.

Thromboserisiko Die Bildung von Blutgerinnseln begünstigen kann in erster Linie die Estrogenkomponente, aber auch – insbesondere die neueren – Gestagene greifen in die Gerinnungskaskade ein. Ein erhöhtes Thromboserisiko besteht vor allem im ersten Jahr der Anwendung. Wegen dieses Risikos – mit teilweise tragischen Folgen – ist die Pille wiederholt in die Schlagzeilen geraten.

INDIVIDUELLE RISIKEN BERÜCKSICHTIGEN
Kontraindiziert sind die Kombinationspräparate, wenn eine Frau bereits ein thrombotisches Ereignis hatte oder eine Gerinnungsstörung besteht. Auch stark ausgeprägte kardiovaskuläre Risikofaktoren (sehr hoher Blutdruck, sehr hohe Blutfette) schließen diese Form der Verhütung aus. Erhebliche Einwände bestehen auch bei Raucherinnen, einem Alter über 35 Jahren sowie starkem Übergewicht; zu den zahlreichen weiteren Risikofaktoren zählen ferner Krebserkrankungen sowie chronisch entzündliche Darmkrankheiten. In all diesen Fällen sind reine Gestagenpräparate Alternativen.

Aktuelle europaweite Untersuchungen bestätigen die Einschätzung, wonach das Thromboserisiko der Mikropillen in absoluten Zahlen sehr gering ist. Allerdings geht die Einnahme Levonorgestrel-haltiger Pillen mit einer zweifachen Inzidenz (etwa 20 Fälle pro 100 000 Frauen pro Jahr) im Vergleich zur Normalbevölkerung einher und die dritte Generation der Wirkstoffe (Desogestrel, Gestoden, Drospirenon) verdoppelt das relative Risiko noch einmal. Auch Herz und Kreislauf können durch die Pille in Mitleidenschaft gezogen werden.

Tiefe Beinvenenthrombosen können zu einer – unter Umständen lebensbedrohlichen – Lungenembolie führen. Nach einer gemeinsamen Herstellerinformation vom Anfang des Jahres sollten daher Präparate mit anderen Gestagenen als jenen mit dem niedrigsten Thromboserisiko nur dann verschrieben werden, wenn im Arztgespräch zuvor ausdrücklich und umfassend auf die Risiken hingewiesen wurde.

Ohne Estrogen Minipillen sind Gestagenmonopräparate, meist mit Levonorgestrel, die so niedrig dosiert sind, dass sie den Eisprung nicht verhindern können. Ihre Hauptwirkung besteht in der Verdickung des Schleimpfropfs am Gebärmutterhals. Die Tabletten werden durchgehend, und zwar täglich exakt zur gleichen Uhrzeit, eingenommen; bereits eine Verspätung um drei Stunden stellt die Wirkung in Frage. Damit steht und fällt die Zuverlässigkeit des Empfängnisschutzes mit der Einnahmedisziplin.

Ähnlich weit wie bei den estrogenhaltigen Produkten und damit komfortabler ist das Zeitfenster bei einem Desogestrel-haltigen Produkt (neue Minipille), das so dosiert ist, dass wie mit Kombinationspräparaten der Eisprung verhindert wird. Die reinen Gestagenpillen kommen unter anderem in Frage, wenn Estrogene nicht vertragen werden oder während der Stillphase.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/14 ab Seite 96.

Waltraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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