©DIE PTA IN DER APOTHEKE

Heilpflanzen

DIE PFLANZE FÜR DEN MANN

Sowohl das Kraut des Schmalblättrigen als auch das des Kleinblütigen Weidenröschens (Epilobii herba) können für die unterstützende Behandlung einer gutartigen Prostatahyperplasie empfohlen werden.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

Unter den circa 200 Weidenröschenarten haben sich das Schmalblättrige Weidenröschen (Epilobium angustifolium L.) und das Kleinblütige Weidenröschen (Epilobium parviflorum Schreb.) als Arzneipflanzen etabliert. Bislang waren sie weder im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) aufgeführt, noch wurden sie von der Kommission E begutachtet. Ende letzten Jahres wurde vom Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) der Europäischen Arzneimittelbehörde (European Medicines Agency/EMA) eine Monographie über die zwei Weidenröschenarten veröffentlicht, wodurch sie jetzt als traditionell verwendete Heilpflanzen zur Linderung von Harnwegsbeschwerden im Zusammenhang mit einer benignen Prostatahyperplasie (BPH) anerkannt sind.

Klein- und großblütig Bei beiden Weidenröschenarten sind die unterständigen, langen Fruchtknoten besonders auffällig. Damit bekunden die beiden Pflanzen aus der Familie der Nachtkerzengewächse (Onagraceae) eindeutig ihre Zugehörigkeit zur Gattung Weidenröschen (Epilobium). Die rosa bis violett gefärbten Blüten mit vier Kelch- und vier Kronblättern sowie vierteiliger Narbe tragen acht Staubblätter. Beim Kleinblütigen Weidenröschen sitzen kleine Blüten am Ende der Stängel an 0,5 bis 1,8 Zentimeter langen Blütenstielen. Beim Schmalblättrigen Weidenröschen sind hingegen zahlreiche große Blüten in einem langen, endständigen traubigen Blütenstand angeordnet. Während die großblütige Art bis zu 1,5 Meter hoch wird und wechselständige, kurz-gestielte Blätter mit leicht eingerolltem Rand hat, erreicht die kleinblütige Verwandte lediglich Wuchshöhen bis zu 80 Zentimetern und zeichnet sich durch gegenständige, leicht gezahnte Blätter aus, die meist direkt am Stängel sitzen. Die Blätter beider Arten haben eine lanzettlich-längliche Form.

Vielsagende Namen Die botanischen Merkmale kommen in den verschiedenen Pflanzennamen zum Ausdruck. Der Gattungsname Epilobium (griech. epi = auf und lobos = Lappen) verweist auf die Position der Blütenblätter über dem Fruchtknoten. Die deutsche Bezeichnung vereint die Ähnlichkeit der Blüten mit Rosenblüten und die Blattform, die an eine Weide erinnert, in einem Wort zu Weidenröschen. Auf die kleinen Blüten von Epilobium parviflorum Schreb. nehmen der lateinische Artname parviflorum (parvus = klein, Flora = Blüte) und die deutsche Bezeichnung Kleinblütiges Weidenröschen Bezug. Bei Epilobium angustifolium L. wird sowohl mit dem lateinischen Artnamen (angustus = eng, schmal und folium = Blatt) als auch mit dem deutschen Namen Schmalblättriges Weidenröschen auf die schmalen Blätter aufmerksam gemacht.

Vom Winde verweht Aus den Blüten entwickeln sich zwischen Juli und Oktober lange, schmale schotenförmige Kapselfrüchte. Sie springen nach der Reife an vier Seiten auf und geben zahlreiche Samen frei, die mit Hilfe ihrer Flughaare kilometerweit verstreut werden. Damit erhält das ausbreitungsfreudige Weidenröschen die Möglichkeit, sich weit entfernt von ihrem ursprünglichen Standort als Pionierpflanze auf verwaisten Waldbrandflächen oder auf Schutthalden anzusiedeln, was ihr die volkstümlichen Namen Feuerkraut oder Trümmerblume eingebracht hat.

Aus Erfahrung gut Weidenröschenarten sind schon seit langem in der Heilkunde im Einsatz. Bereits Leonhart Fuchs widmet dem Weidenröschen in seinem „New Kreüterbuch“ aus dem Jahr 1543 eine Monographie mit dem Titel „Von Weiderich“, in der die Pflanze als Mittel zum Blutstillen und bei Frauenkrankheiten erwähnt wird. Die Volksmedizin setzte Weidenröschen zudem schon seit langem bei der heute anerkannten Indikation Miktionsbeschwerden aufgrund einer gutartigen Prostatahyperplasie ein. Auf diese therapeutische Verwendung machte in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts schließlich die österreichische Heilkräuterkundlerin Maria Treben besonders aufmerksam. Sie empfahl das Kleinblütige Weidenröschen aufgrund von Erfahrungsberichten bei Prostata-bedingten Harnwegsbeschwerden, wodurch die Heilpflanze außerordentlich an Popularität gewann.

Wissenschaftlich untersucht Die Nachfrage nach Weidenröschentee stieg derart, dass sich schließlich auch die Wissenschaft den Weidenröschen intensiv widmete. Bei der Suche nach dem Wirkprinzip wurden drei bedeutsame Stoffgruppen gefunden, die als wirksamkeitsrelevant bei der BPH gelten. Zum einen sind entzündungshemmende Flavonoide (Quercetin, Myricetin, Kämpherol und die entsprechenden Glykoside) enthalten, die als Prostaglandinsynthese-Hemmer wirken. Darüber hinaus finden sich Phytosterole (beta- Sitosterol, Sitosterolglykoside und Sitosterolester), die eine 5-alpha-Reductase-Hemmung aufweisen, sowie Gallussäurederivate aus der Gruppe der Gerbstoffe (Oenothein A und B) als Aromatase-Hemmstoffe. Da die Substanzen sowohl in klein- als auch in großblütigen Arten identifiziert wurden, geht man heute davon aus, dass sich sowohl das Kleinblütige als auch das Schmalblättrige Weidenröschen zur Anwendung bei BPH eignen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/16 ab Seite 32.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

×